Hoher Besuch

Woidke will Flüchtlinge länger in Erstaufnahme lassen

Das Gelände der Ertaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt ist schmucklos. Flüchtlinge übernachten hier in Zelten. Innenminister de Maizière und Brandenburgs Ministerpräsident Woidke wollten sich ein Bild vor Ort machen. Corinna Buschow war dabei

Einladend ist die Zentrale Ausländerbehörde Brandenburgs nicht gerade. Eine Schranke versperrt Unbefugten den Zutritt zur Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt. Die Gebäude sind schmucklos, auf dem Gelände sind schattige Plätze, überhaupt Bänke, rar. Flüchtlinge, die hier in Zelten oder der Turnhalle mit Wellblechdach übernachten, suchen im Freien nach Beschäftigung. Die Wärme an ihren Schlafplätzen hat sie nach draußen getrieben. Immerhin verpassen sie so aber auch den Besuch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nicht.

Die Politiker wollten sich ein Bild von der Lage in Brandenburgs zentraler Erstaufnahmeeinrichtung machen. Die meisten Flüchtlinge, die dort untergebracht sind, kommen aus Syrien. Sie werden sehr wahrscheinlich bleiben dürfen, müssen aber momentan in Eisenhüttenstadt warten, bis ein angemessenerer Platz für sie gefunden ist.

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Woidke für Fristverlängerung
Besonders in den Erstaufnahmeeinrichtungen offenbart sich der derzeitige Mangel an Plätzen für die vielen neu ankommenden Flüchtlinge. Auch in Eisenhüttenstadt wurden Zelte errichtet, weil die Betten in festen Gebäuden längst belegt sind. Nach spätestens drei Monaten, so schreibt es derzeit das Gesetz vor, sollen Flüchtlinge die rein zweckmäßigen Einrichtungen, die nicht viel mehr bieten als ein Bett, Essen und Kleidung, wieder verlassen. Dann werden sie in die Kommunen verteilt.

Woidke plädierte am Donnerstag dafür, diese Frist aufzugeben und die Verweildauer daran zu bemessen, wie lange die Asylverfahren dauern. Asylbewerber, deren Antrag am Ende abgelehnt wird, müssten somit erst gar nicht in die Kommunen geschickt werden, erklärte er. Vielmehr sollen sie dann direkt aus der Erstaufnahme heraus ausreisen oder abgeschoben werden. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Asylanträge liegt derzeit bei gut fünf Monaten.

Woidke für mehr Geld
Bundesinnenminister de Maizière stimmte Woidke grundsätzlich zu. Dies würde aber eine Gesetzesänderung erfordern, sagte der CDU-Politiker. De Maizière räumte aber auch ein, dass die Kapazitäten dafür momentan kaum reichen. 45.000 Erstaufnahmeplätze gibt es nach seinen Worten derzeit bundesweit. Allein im Juni gab es fast 33.000 Erstanträge auf Asyl, im Mai knapp 24.000.

Regierungschef Woidke nutzte das Treffen mit dem Bundesinnenminister auch, um weitere Forderungen der Länder wieder aufs Tapet zu bringen. „Wir warten dringend auf einen strukturellen Beitrag des Bundes“, sagte der derzeitige Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz. Den Großteil der Kosten für die Versorgung von Flüchtlingen tragen die Länder. Laut Woidke kommen vom Bund nur fünf Prozent. Die prinzipielle Zusage der Bundesregierung, sich künftig stärker und vor allem auch dauerhaft zu beteiligen, gab es bereits. Nun erwarten die Länder vom Gipfel ein konkretes Angebot. Woidke unterstrich dabei erneut, dass ihm ein Beitrag pro Flüchtling „am liebsten“ sei. Rund 10.000 Euro koste die Unterbringung, Versorgung und Betreuung eines Flüchtlings pro Jahr.

Immerhin müssen sich die Länder darauf einstellen, in diesem Jahr noch mehr Flüchtlinge zu bekommen, als die ohnehin hohe Prognose von 400.000 Anträgen für 2015 nahelegte. Diese Prognose werde man nicht aufrechterhalten können, sagte de Maizière. Er wolle bald eine angepasste Prognose bekanntgeben.

De Maizière: Deutschland nicht überfordert
Klare Worte fand der Innenminister in Eisenhüttenstadt auch zu den fremdenfeindlichen Übergriffen auf Asylunterkünfte, wie sie in den vergangenen Monaten immer wieder Schlagzeilen gemacht haben. Sie seien „unverständlich, inakzeptabel und unseres Landes unwürdig“, sagte er. Deutschland stehe angesichts der hohen Zahl von Flüchtlingen zwar vor einer großen Herausforderung. „Aber es ist keine Überforderung für ein freies und reiches Land, das wir sind“, ergänzte de Maizière.

Kritik erntete de Maizière vom Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt. Öffentlichkeitswirksamen Ministerbesuchen müssten konkrete Verbesserungen für Flüchtlinge folgen. „Der Bund muss Kommunen und Ländern endlich effektiv bei der Flüchtlingshilfe unter die Arme greifen, statt sie am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen. Bei Ursula von der Leyen stapeln sich die Anfragen nach Nutzung leerstehender Bundeswehrkasernen. Thomas de Maiziere muss endlich durchsetzen, dass der Bund mehr als die bisherigen zehn Prozent an den Kosten der Flüchtlingshilfe leistet“, so Göring-Eckardt. (epd/mig)