Flüchtlinge, Kunsthalle und Gewerbeschule

Deutsch lernen mit Pinsel und Farbe

Die jungen Asylbewerber lernen Deutsch. Damit sie nicht ausschließlich im Klassenzimmer büffeln müssen, waren die Lehrer auf die Kunsthalle Karlsruhe zugegangen. Herausgekommen ist ein Projekt, von dem alle überzeugt und begeistert sind:

Sie tauchen den Pinsel in Farbe und formen mit ihren Händen Skulpturen aus Ton: Junge Asylbewerber aus Afrika und dem Nahen Osten kommen jeden Dienstag in die Kunsthalle in Karlsruhe. Bereits kurz vor neun Uhr warten sie aufgeregt vor der Tür auf Museumspädagogin Petra Erler. Die 16- bis 22-Jährigen freuen sich auf einen etwas anderen Deutschunterricht, der auch Farbe in ihren Alltag bringen soll: Sie betrachten Gemälde, sprechen darüber und werden danach selbst kreativ. Nach Angaben der Kunsthalle ist das Projekt bundesweit einmalig.

Der 22-jährige Alsana kommt aus Gambia in Westafrika: „Ich denke immer an mein Land, wenn ich male“, sagt er und rückt seine Baseballkappe zurecht. Stolz zeigt er eines seiner Bilder: In sattem Dunkelgrün gehalten ist ein heiliger Berg seiner Heimat, an den viele Menschen zum Beten kommen. Sie bringen Kerzen und Opfergaben mit. Er hat ein Gesicht in den Berg gemalt: Auch im richtigen Berg sei ein Gesicht erkennbar, deshalb sei der Berg heilig, erklärt Alsana.

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Ohne Eltern und Familie sind er und die anderen jungen Flüchtlinge im vergangenen Jahr in Karlsruhe angekommen und hoffen, dass sie in Deutschland dauerhaft Asyl erhalten. Alsana hat viel Spaß am Malen. Deutschland gefalle ihm, es sei aber auch „stressig“.

Auch Selbstporträts haben die Jugendlichen gedruckt. Alsanas gerahmtes Selbstporträt, auf dem er ausnahmsweise mal ohne Kappe zu sehen ist, hält er stolz in den Händen und posiert für einen Freund, der mit dem Handy Fotos macht.

Die jungen Asylbewerber lernen Deutsch in der Gewerbeschule Karlsruhe-Durlach. Damit sie nicht ausschließlich im Klassenzimmer büffeln müssen, waren die Lehrer auf die Kunsthalle Karlsruhe zugegangen. Herausgekommen ist seit Januar ein Projekt, von dem alle überzeugt und begeistert sind: Flüchtlinge, Kunsthalle und Gewerbeschule.

„Wir möchten es den jungen Menschen ermöglichen, ihr neues kulturelles Umfeld kennenzulernen und Wertschätzung zu erfahren“, sagt Museumspädagogin Erler. Sie lobt die große Begeisterungsfähigkeit, die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Jugendlichen: „Sie sind alle unglaublich interessiert und offen.“

Noch können sie sich auf Deutsch nicht so gut ausdrücken wie in ihrer Heimatsprache. Sie helfen sich gegenseitig mit einzelnen Wörtern oder auch auf Englisch. „Wir haben eine Figur mit Stacheln angeschaut“, sagt einer, „sie heißt Kaktusmensch. Danach sind wir in die Werkstatt gegangen und haben eigene Figuren aus Ton gemacht, Köpfe, Menschen und einen Tisch“.

Anfangs seien die Flüchtlinge beim Betrachten der Bilder noch sehr zurückhaltend gewesen, sagt Erler. Mit der Zeit hätten die jungen Männer Vertrauen gefasst. Mit Instrumenten aus ihren Heimatländern setzen sie die Themen der Bilder auch musikalisch um.

Wenn die Gruppe über die Bilder spricht, kommen auch eigene Erfahrungen, Ängste und Wünsche zur Sprache, die sich oft in der kreativen Arbeit niederschlagen, wie Erler sagt: „Hier kann eine zaghafte Auseinandersetzung im geschützten Raum stattfinden“.

Sie kennt die Jugendlichen seit Januar und hat erschütternde Geschichten gehört von den Zuständen im Heimatland, der Familie und der Flucht. Das sind Themen, die sie auch in ihren Bildern bearbeiten: Flaggen, die Heimat, Häuser, Meer und Landschaft.

„Kunst hat mit Emotionen zu tun – das ist ein guter Schlüssel, um an die Jugendlichen näher heranzukommen. Über die Bilder kommen sie leichter ins Gespräch“, urteilt Christian Nolte, Leiter der Gewerbeschule. Lehrerin Natascha Beyer ist die Kunstvermittlung wichtig. Kunst ermögliche eine andere Art der Kommunikation, sagt sie.

Geplant ist es, Porträts und Selfies der Jugendlichen in der Jungen Kunsthalle zu zeigen. Dies soll Teil einer Begleitausstellung sein, denn Ende Oktober ist in Karlsruhe die Schau „Ich bin hier! Von Rembrandt zum Selfie“ geplant. Vom 2. bis 23. Juli sind die Arbeiten in der Gewerbeschule zu sehen.

Mancher will am liebsten gleich an die Staffelei, den Pinsel in die Farbe tauchen und loslegen. So auch Bereket. Der 19-Jährige stammt aus Eritrea. Gemeinsam mit einem Freund hat er eine lange Flucht durch mehrere afrikanische Staaten hinter sich, bevor er „in einem kleinen Schiff“ über das Mittelmeer nach Deutschland kam, wie er erzählt.

„Es macht sehr viel Spaß in der Kunsthalle“, sagt Bereket, er ist ernst und zurückhaltend. Zurück möchte nach Eritrea möchte er auf keinen Fall, sondern eine Lehre als Schreiner beginnen. Nachdenklich betrachtet er sein Selbstporträt, das ihn – anders als bei den anderen – nicht von vorne zeigt, sondern im Profil, den Blick in die Ferne gerichtet. (epd/mig)