Asylrecht

Wer nicht ertrinkt, wird eingesperrt

Derzeit wird über ein neues Asyl-Gesetz debattiert. Der Entwurf sieht einige Verbesserungen für Asylbewerber vor. Den positiven Regelungen stehen aber gravierende Einschnitte gegenüber. Von Rejane Herwig.

Erleichterungen bei der Bleiberechtsregelung für Geduldete, spezielle Regelungen für Jugendliche Geflüchtete, leichtere Anerkennung von Abschlüssen und ein schnellerer Zugang zum Arbeitsmarkt. Diese Punkte gehören zu den positiven Teilen des gerade im Bundestag verhandelten „Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“.

Diesen positiven Regelungen stehen gravierende Einschnitte gegenüber. Es hätte wohl auch niemand erwartet, dass die Union so vielen positiven Regelungen zustimmen würde ohne einen horrenden Preis dafür zu verlangen. Nicht nur an den Außengrenzen Europas, sondern auch an denen Deutschlands werden die Mauern fleißig weiter hochgezogen. Direkt vor unserer Nase wird die Diskriminierung Schutzsuchender vom Westbalkan rechtlich zementiert, es wird ein Flüchtlingsinhaftierungsprogramm beschlossen.

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Bereits im Herbst 2014 wurde mit der Einstufung von Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als sogenannte „sichere Herkunftsländer“ ein weiterer Schritt zur Entrechtung von Geflüchteten getan. Schutzsuchende aus diesen Ländern können ohne Überprüfung, pauschal abgeschoben werden. Denkt man das neue Gesetz und seine Auswirkungen zu Ende, ist es an Perfidität kaum zu übertreffen.

Niemand kann abstreiten, dass Roma in diesen Ländern sehr stark diskriminiert werden; sie werden an Orten ghettoisiert, wo es teilweise kein Wasser gibt, wo es keine Elektrizität gibt, sie werden verfolgt und bedroht. Fliehen sie von dort und kommen nach Deutschland werden sie pauschal abgelehnt. Mit dem neuen Gesetz soll für sie eine sofortige Wiedereinreisesperren verhängt werden. Dies bedeutet nicht nur, dass sie nicht mehr nach Deutschland einreisen können, sondern vielmehr, dass sie auf Grund des Schengenabkommens nicht mehr in die Europäische Union einreisen können.

Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass diese Länder hauptsächlich von europäischen Staaten umgeben sind. Kroatien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland auf der einen, Montenegro und Albanien und die Seegrenzen zur EU auf der anderen Seite. Wer also über diese pauschale Regelung in Deutschland abgelehnt wurde kann diese kleine Region weder auf dem Land- noch auf dem Seeweg verlassen. In eben dieser Region, aus der sie wegen starker Diskriminierung flohen, sind sie dann faktisch gefangen.

Für alle anderen die in Deutschland Schutz suchen, beinhaltet dieses Gesetz eine massive Ausweitung von Haftgründen. „Wer nicht ertrinkt, wird eingesperrt!“ lautet der Titel der Kampagne des Bündnis Asylrechtsverschärfung-stoppen.

Personen, deren Asylanträge abgelehnt wurden, was nicht generell wegen einer grundlosen Flucht passiert, sondern weil diese nicht als Asylgründe anerkannt sind, können in Zukunft noch leichter inhaftiert werden. Selbiges gilt auch für jene, die wegen der EU weiten Dublin-Regelung in die Zuständigkeit eines anderer Staates fallen. Obwohl die Inhaftierung von Geflüchteten grundlegend der Genfer Flüchtlingskonvention widerspricht, ist sie bereits gängige Praxis, soll nun aber noch ausgeweitet werden.

Auch Asylbewerber, die „erhebliche Geldbeträge“ für ihre Flucht aufwanden, sogenannte „Schlepper“ bezahlten um in einer Nussschale das Mittelmeer zu überqueren, müssen zukünftig mit Gefängnis rechnen. Darüber hinaus bietet die Vernichtung von Identitätspapieren, genauso wie die Verschleierung von Fluchtwegen und die Unstimmigkeit von Angaben eine Grundlage für Inhaftierungen. Laut Gesetzgeber alles Anhaltspunkte für „Fluchtgefahr“ – zynischer hätte man es kaum formulieren können. Denn mit dieser Regelung können praktisch alle Flüchtlinge eingesperrt werden. Das ist ein massiver Einschnitt in das, was vom Asylrecht nach zwei vorangegangenen Asylkompromissen noch übrig geblieben ist.

Bleibt zu hoffen, dass die Abgeordneten der Asylrechtsverschärfung ein klares „Nein“ entgegenstellen.