Skandal

Bundespolizisten sollen Flüchtlinge mit Schlägen misshandelt haben

Beamte der Bundespolizei sollen Flüchtlinge mit Schlägen und Tritten misshandelt haben. Nun ermittelt Staatsanwaltschaft. Politiker und Flüchtlingsorganisationen fordern Aufklärung. Misshandlungen von Flüchtlingen sind keine Einzelfälle.

Nach der mutmaßlichen Misshandlung von Flüchtlingen durch Polizisten in Hannover haben Bundespolitiker und Flüchtlingsorganisationen Aufklärung und Konsequenzen gefordert. Die Staatsanwaltschaft der niedersächsischen Landeshauptstadt ermittelt gegen einen Beamten der Bundespolizei, der Medienberichten zufolge seine Opfer unter anderem durch Schläge und Tritte erniedrigt haben soll. Das Bundesinnenministerium nannte die Vorwürfe am Montag „gravierend“ und versprach Unterstützung bei den Ermittlungen. Die Organisation „Pro Asyl“ erklärte, die Vorfälle zeigten ein entsetzliches Maß an Rassismus und Menschenfeindlichkeit.

Die Misshandlungen sollen sich Berichten des NDR zufolge bereits im vergangenen Jahr ereignet haben. Demzufolge schlug, trat und würgte der Beamte einen Flüchtling. Ein anderes Opfer sei gezwungen worden, sichtbar verdorbenes Schweinefleisch vom Boden zu essen. Seine Taten soll der Mann selbst über den Kurzmitteilungsdienst WhatsApp Kollegen geschildert haben.

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Anzeige nach Monaten

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft haben zwei Zeugen in der vergangenen Woche Anzeige wegen der mutmaßlichen Misshandlungen erstattet. Warum sie die Fälle erst so spät meldeten, ist bislang unklar. Durch Befragungen will die Staatsanwaltschaft außerdem herausfinden, ob noch andere Beamte an den Taten beteiligt waren oder davon wussten.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, seine Behörde und die Bundespolizei hätten ein Interesse daran, dass die Vorfälle schnell aufgeklärt werden. Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, forderte die Bundespolizei zum Handeln auf: „Wenn es zutrifft, dass ein Beamter Flüchtlinge gequält, sich damit gebrüstet und die Misshandlungen sogar noch dokumentiert hat, muss die Bundespolizei über den Einzelfall hinaus Konsequenzen ziehen“, sagte die Staatsministerin.

Pro Asyl: Untätige Mitwisser in Polizeiuniform

Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt forderte eine strafrechtliche Verfolgung auch von eventuellen Mitwissern. „Der Skandal im Skandal ist die Tatenlosigkeit der Mitwisser in Polizeiuniform“, sagte er. Auch Polizeigewerkschaften reagierten mit Entsetzen. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, forderte eine „rückhaltlose“ Aufklärung. Es erfülle ihn mit Scham und Wut, wenn gegen einen Polizisten staatsanwaltschaftlich ermittelt werde, weil er womöglich im Dienst mehrere Menschen gequält habe. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, forderte im WDR Videokameras im Polizeigewahrsam, um polizeiliches Handeln zu dokumentieren.

Auch auf Landesebene kamen am Montag Rufe nach Konsequenzen aus den Misshandlungsvorwürfen. Die niedersächsische Landesbeauftragte für Migration, Doris Schröder-Köpf (SPD), sagte, alle Tatsachen und Hintergründe müssten zügig und lückenlos aufgeklärt werden. Sie sprach von einer erschreckenden Rohheit und Grausamkeit. Der Niedersächsische Flüchtlingsrat erklärte, es habe immer wieder Gerüchte über Misshandlungen bei der Bundespolizei gegeben. Bislang hätten aber Beweise gefehlt.

Erinnerungen an Misshandlungen in Burbach

Dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen zufolge gibt es gegen solche Übergriffe keine absolute Prävention. Es gebe bestimmte Vorgaben, wie beispielsweise Personenkontrollen ablaufen, welche Schutzmaßnahmen nötig seien oder dass ein Beamter nie mit einem Gefangenem allein sein dürfe, sagte der Direktor Thomas Bliesener am Montag in Hannover dem epd. „Das ist aber kein hundertprozentiger Schutz.“

Die Vorwürfe gegen Bundespolizisten in Hannover wecken Erinnerungen an die Misshandlungen in einem Burbacher Flüchtlingswohnheim im vergangenen Jahr. Im September waren Filmaufnahmen öffentlich geworden, die Misshandlungen durch Mitarbeiter des Wachdienstes zeigen. Das Video, auf dem sich ein weinender Flüchtling auf einer verdreckten Matratze liegend über Schläge beschwert, war offenbar in einem „Arrestraum“ der Einrichtung aufgenommen worden. Ein Journalist hatte die Aufnahmen der Polizei übergeben. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte das NRW-Innenministerium European Homecare als Betreiber in Burbach abgelöst und die Leitung des Heims an das Deutsche Rote Kreuz übergeben.

Ermittlungen auch in Essen

Zudem wird auch in Essen gegen fünf Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes in einem dortigen Flüchtlingswohnheim ermittelt. Mitte März hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Mitarbeiter wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung erhoben. Drei der Beschuldigten sollen im September 2014 einen Heimbewohner geschlagen und getreten haben, der sie im Treppenhaus nach Essen gefragt hatte. Kurze Zeit später sollen die Sicherheitsleute in einem Zimmer drei weitere Bewohner des Übergangswohnheims geschlagen und getreten haben.

Überdies wird zwei Wachleuten zur Last gelegt, in der Küche des Wohnheims mit zwei weiteren Kollegen einen Bewohner geschlagen und getreten zu haben, der außerhalb der Kantinenöffnungszeiten nach Kaffee gefragt hatte und sich über sie beschweren wollte. (epd/mig)