Im Zweifel gegen rechts

Ein kleines Dorf wehrt sich gegen die geplante Ansiedlung einer Neonazi-Kleinpartei

In Stammheim, einem Ortsteil von Kolitzheim bei Schweinfurt, möchte sich die Neonazi-Kleinpartei „Die Rechte“ niederlassen. Dagegen wehrt sich die kleine Gemeinde und wird angefeindet – sichtbar an den Straßen und im Internet.

Die bunten Wimpel und Banner mit großen Buchstaben flattern im Wind, auch rings um den kleinen Brunnen des unterfränkischen Dörfchens. Auf der anderen Straßenseite steht das verlassene alte Gasthaus, das den Leuten in Stammheim, einem Ortsteil von Kolitzheim (Kreis Schweinfurt) seit zig Wochen Kopfzerbrechen bereitet. Die neonazistische Kleinpartei „Die Rechte“ hat im Internet angekündigt, Mieter des Gebäudes zu sein und dort die bayerische Parteizentrale einrichten zu wollen – samt einer Tagungsstätte mit Übernachtungsmöglichkeiten für „Kameraden“. Zum Einstand bedrohten sie auch gleich noch Kolitzheims Bürgermeister.

Doch in Stammheim und den zig anderen Ortsteilen, die zur Gemeinde Kolitzheim gehören, hat sich von Anfang an niemand weggeduckt. Die Menschen sind in die Offensive gegangen, viele haben Banner gemalt, „Stammheim ist bunt“ steht da vielfach zu lesen, der Gemeinderat hat eine Resolution gegen „Die Rechte“ verabschiedet, und jeden Mittwoch treffen sich die Stammheimer zum Runden Tisch, um die Protestaktionen gegen die Neonazis zu koordinieren oder neue zu schmieden. Bisher hat die Rechtsextremen aber noch kaum jemand zu Gesicht bekommen. Die offizielle Einweihung der Parteizentrale soll am 24. Mai stattfinden.

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Bürgermeister Horst Herbert (CSU) steht im Visier der Neonazis, weil er von Anfang an gegen deren Ansiedlung Stellung bezogen hat. Deshalb hatte ihn „Die Rechte“ auf Facebook attackiert und „unmissverständlich mehr Zurückhaltung“ gefordert. Man sei mit der insgesamt knapp 5.000 Einwohner zählenden Gemeinde bislang nicht auf Konfrontationskurs gegangen, schrieb die Partei im Netz. Allerdings werde der „Nationale Widerstand“ gemeinsam mit „den freien Kräften“ das Immobilienprojekt „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ verteidigen und „für den Fall undemokratischer Schikanen eine angemessene Antwort finden“.

In den vergangenen Wochen wurden nachts Banner mit der Aufschrift „Stammheim ist bunt“ abgerissen – die SPD-Landtagsfraktion vermutet dahinter die Anhänger der Kleinpartei. Eines der Banner soll verbrannt und ein Video davon ins Netz gestellt worden sein. Das seien Methoden wie „in finstersten Zeiten“ der Geschichte, findet die SPD-Abgeordnete Kathi Petersen aus Schweinfurt. Die Kolitzheimer sollen eingeschüchtert werden – doch die denken gar nicht daran, klein bei zu geben. Für den Tag der Eröffnung des Parteihauses am 24. Mai planen die Stammheimer einen ökumenischen Freiluftgottesdienst – direkt vor dem Gasthaus.

Trotz eines privaten Militärmuseums am Ortsrand von Stammheim, in dem altes Militärgerät und Kriegsdevotionalien ausgestellt werden, gab es in Stammheim nie eine rechte Szene: „Die Besitzer des Museums sind sauber“, beteuert Bürgermeister Herbert. Die Inhaberin des Gasthofs sei über ein Insolvenzverfahren an das Haus gekommen. Polizeikreisen zufolge gibt es bislang zwischen der Nürnberger Unternehmerin und der rechten Szene keine offenkundigen Verbindungen. Dass sie es bewusst an die Neonazis vermietet habe und keiner Tarnorganisation auf den Leim gegangen sei, steht für die Ermittlungsbehörden außer Zweifel.

Martin Becher, Leiter der Projektstelle gegen Rechtsextremismus im Evangelischen Bildungs- und Tagungszentrum in Bad Alexandersbad (EBZ), findet das einmütige Engagement der Stammheimer gegen die geplanten rechten Umtriebe im Dorf großartig: „Das erlebt man nicht immer so.“ Er hat bereits Verbindungen zwischen den Vertretern der „Rechten“ und der eigentlich konkurrierenden Neonazi-Kleinpartei „Der Dritte Weg“ entdeckt. „Offenbar verbünden sie sich für die ’nationale Sache‘ miteinander“, sagt Becher. Vergleichsweise heftig seien die jetzt schon erfolgten Sachbeschädigungen und Bedrohungen von Rechts.

Dem zuständigen evangelische Pfarrer Georg Salzbrenner bereiten unterdessen berühmt-berüchtigte Personen Sorgen, die in Stammheim bereits gesichtet wurden. So soll Karl-Heinz Hoffmann, der Gründer der rechtsextremen und 1980 schließlich verbotenen Wehrsportgruppe Hofmann, bei den Sanierungsarbeiten am Gasthaus-Dach geholfen und bereits vergangenes Jahr in den Räumen einen Vortrag „vor kleinem Publikum“ gehalten haben, wie ein Stammheimer erzählt. „Was genau hier abgeht, werden wir wohl erst am 24. Mai erfahren“, sagt Pfarrer Salzbrenner. Die Stammheimer jedenfalls sind gewappnet. (epd/mig)