Endlich

Es wächst zusammen, was zusammenwachsen muss.

Noch nie haben Muslime und die Spitze des Staates ein so deutliches Zeichen gesetzt. Vor 10.000 Menschen demonstrierten der Bundespräsident, führende Regierungspolitiker und Muslime ein längst überfälliges und wichtiges „Wir“. Endlich.

Stärker hätten Muslime und die Spitze des Staates Geschlossenheit nicht demonstrieren können. Mit der gestrigen Kundgebung am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor in Berlin haben sie ein klares Signal in alle Ecken der Republik und über die Grenzen Deutschlands hinaus gesendet: Wir stehen zusammen, wir lassen uns nicht auseinanderdividieren. Eine Botschaft, die auch nach dem 11. September, nach Madrid oder London gutgetan hätte.

Bundespräsident Joachim Gauck sagte vor etwa 10.000 Teilnehmern: „Wir alle sind Deutschland.“ Das gelte unabhängig von Religion und Herkunft. In Richtung der Terroristen sagte er: „Wir schenken Euch nicht unsere Angst. Euer Hass ist unser Ansporn.“ Muslime versicherten: „Wir werden es nicht zulassen, dass unser Glaube missbraucht wird. Wir werden es nicht zulassen, dass unsere Gesellschaft von Extremisten auseinandergerissen wird.“

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Egal wer sprach, mit „wir“ konnten sich diesmal alle angesprochen fühlen: Muslime, Juden, Kirchen, Gewerkschaften, viele weitere aus der Zivilgesellschaft oder führende Bundespolitiker. Das Bild zum Abschluss der Kundgebung war geprägt von Einigkeit. Der Bundespräsident, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Sigmar Gabriel, weitere Kabinettsmitglieder und Oppositionspolitiker; sie alle hakten sich mit Muslimen und Vertretern anderer Religionsgemeinschaften unter und schlossen gemeinsam die Reihen.

Ohnehin hatte man diesmal von Anfang an ein seltsames Gefühl. Es lag eine ungewöhnliche Vorsicht, Rücksicht und vor allem Weitsicht in der Luft. So, als könnte es diesmal anders kommen. Selbst die sonst reflexartig erhobenen Forderungen vonseiten der Politik an die Muslime, sie sollten sich vom Terror distanzieren, schallten diesmal nicht so laut wie sonst. Sicherlich lag das zu einem guten Stück an „Pegida“. Man wollte nicht Wasser auf deren Mühlen gießen. Es lag aber auch an den Muslimen selbst, die sich diesmal schneller als sonst positioniert und den Anschlag verurteilt hatten.

Wie es scheint, ist man heute viel weiter als 2001, 2004 oder 2005. Man lernt voneinander, man geht aufeinander zu, man ist sich der Verantwortung bewusst. Es wächst zusammen, was zusammenwachsen muss. Endlich.