Sprachtests beim Ehegattennachzug

Türkische Gemeinde wirft Regierung Rechtsverweigerung vor

Die Bundesregierung hält an Sprachtests vor dem Ehegattennachzug fest – trotz anderslautendem EuGH-Urteil. Die Türkische Gemeinde spricht von Rechtsverweigerung und legt nun Beschwerde bei der EU-Kommission ein.

Die eigenwillige Auslegung des EuGH-Urteils zum Spracherfordernis beim Ehegattennachzug wird für die Bundesregierung ein Nachspiel haben. Im Juli hatten die Luxemburger Richter entschieden, dass eine Sprachprüfung vor Erteilung von Einreisevisa für den Familiennachzug für türkische Staatsbürger nicht zulässig ist.

Das Außen- und Innenministerium legten das Urteil allerdings anders aus: Dem ausländischen Ehepartner dürften grundsätzlich nur zumutbare Bemühungen zum Spracherwerb abverlangt werden, die den zeitlichen Rahmen von einem Jahr nicht überschreiten. Damit blieb das Spracherfordernis im Kern unangetastet.

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Dagegen hat die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) nun Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingelegt. Rechtsanwalt Zeran erklärte am Mittwoch in Berlin: „Die Bundesregierung hält ein europarechtswidriges Einwanderungskonzept beim Ehegattennachzug weiter aufrecht, wovon alle Drittstaatsangehörigen betroffen sind. Bei türkischen Staatsangehörigen ist das Spracherfordernis zudem eine diskriminierende Behandlung und zugleich ein Verstoß gegen das Assoziationsrecht. Es bleibt zu hoffen, dass bei der erforderlichen gesetzlichen Änderungen in Folge des Urteils sich die sachlichen Argumente durchsetzen werden.“

Rechtsverweigerung
Die Bundesregierung sei sich nicht zu schade, einzelne Sätze aus dem Zusammenhang des Urteils herauszunehmen und in ihrem Sinne umzudeuten. Sie berufe sich einige allgemeine Betrachtungen des Urteils, die aber im Tenor des Urteils keine Erwähnung gefunden hätten. Die neue Regelung widerspreche dem EuGH-Urteil. TGD-Vorsitzender Safter Çınar wirft der Regierung „Rechtsverweigerung“ vor: „Wir hoffen, dass die EU-Kommission jetzt dafür sorgt, dass das Urteil des EuGH ohne Wenn und Aber umgesetzt wird.“

Çınar kritisierte auch die Untätigkeit von Politikern. So hätten neben der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD), auch die rheinland-pfälzische Integrationsministerin, Irene Alt (Die Grünen), oder die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses, Ülker Radziwill, das Urteil seinerzeit begrüßt. Çınar weiter: „Wo bleibt die politische Reaktion von Personen, die kurz nach dem EuGH Urteil die Abschaffung dieser Regelung für geboten hielten?“

Hintergrund
Die Sprachregelung sieht vor, dass ausländische Ehegatten einen Sprachtest bestehen müssen, ehe sie einen Antrag zur Einreise nach Deutschland stellen dürfen. Den Test muss bestehen, wer zu seinem deutschen oder in Deutschland lebenden ausländischen ziehen möchte. Von dieser Regelung sind EU-Bürger und Bürger von privilegierten Staaten wie Japan, Israel, Australien oder die USA ausgeschlossen.

Kritiker dieser Regelung werfen der Bundesregierung vor, die Integration zu erschweren. Der Erwerb von Sprachkenntnissen sei in einem deutschen Umfeld viel einfacher und kostengünstiger für die Betroffenen. Zudem müssten Eheleute teilweise über mehrere Jahre getrennt voneinander leben. Die Bundesregierung wiederum meint mit dieser Regelung, Zwangsverheiratungen verhindern zu können. Den Beweis dafür ist sie allerdings bis heute schuldig geblieben. (bk)