Keine gute Wahl

Grieche Avramopoulos wird EU-Flüchtlingskommissar

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ernennt den Griechen Dimitris Avramopoulos als zukünftigen EU-Flüchtlingskommissar. Eine Entscheidung, die nicht überall auf Zustimmung trifft. Avramopoulos gehörte einer Regierung an, die für einen hochproblematischen Umgang mit Flüchtlingen bekannt ist.

Bei Flüchtlingsrechtlern ruft die Personalie Stirnrunzeln hervor: Der Grieche Dimitris Avramopoulos soll sich künftig um die europäische Migrationspolitik kümmern. Das gab der designierte EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker bei der Vorstellung seines neuen Kollegiums am Mittwoch in Brüssel bekannt. Schon seit Tagen hatte sich abgezeichnet, dass Juncker den bisherigen Athener Verteidigungsminister in das Migrations-Ressort holen wollte. Am 1. November kann Avramopoulos nun sein Amt antreten – wenn das Europaparlament die Entscheidung bestätigt.

Und diese ist durchaus heikel: Avramopoulos gehörte bisher einer Regierung an, die für einen hochproblematischen Umgang mit Flüchtlingen bekannt ist. Andere EU-Länder schieben im Moment keine Flüchtlinge nach Griechenland ab, obwohl normalerweise das Ersteinreiseland für ein Asylverfahren zuständig ist. Berichte von UN und Menschenrechtlern sowie Gerichtsurteile ließen die europäischen Regierungen aufwachen. Heillos überfüllte Flüchtlingslager, Gewalt gegen Migranten, Abschiebungen ohne jegliche Prüfung des Asylgesuchs – die Liste der Vorwürfe gegen Griechenland ist lang, auch wenn das Land zuletzt manches verbessert hat.

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Entscheidung mit Folgen
Avramopoulos soll nun in Brüssel dafür zuständig sein, sämtlichen europäischen Ländern, die sich nicht an die EU-Flüchtlingsstandards halten, auf die Finger zu klopfen. Schlimmstenfalls soll er Vertragsverletzungsverfahren gegen sie eröffnen und sie vor den Europäischen Gerichtshof bringen. „Würde er allen Ernstes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland führen?“ fragt sich die Europaparlamentarierin Ska Keller (Grüne).

Den Zuschnitt von Avramopoulos‘ Ressort hält die Politikerin ebenfalls für enttäuschend. Angesichts des wachsenden Zustroms schutzsuchender Menschen hatten viele Flüchtlingsaktivisten gehofft, Juncker würde einen Kommissar eigens für Flüchtlingspolitik benennen. Avramopoulos besitzt nun aber das Portfolio „Migration und Inneres“. Das bedeutet, dass Migrations- und Sicherheitsfragen eng verknüpft sind. „Unter der alten EU-Kommission war das ebenfalls der Fall, was zu einer starken Betonung der Abwehr führte“, meint Keller.

Wie aber kam die Besetzung des Postens zustande? Beobachter vermuten, dass Juncker den südlichen EU-Ländern signalisieren wollte, dass er das Problem des massiven Migrationsdrucks an ihren Grenzen ernst nimmt. Als Kommissar hat Avramopoulos die Möglichkeit, von den nördlichen Ländern mehr Solidarität mit dem Süden einzufordern – sei es in Form von mehr Geld für das Asylwesen und für Grenzüberwachung, sei es über eine andere Verteilung von Flüchtlingen in Europa. Mit der neuen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini aus Italien hat Avramopoulos, der früher selbst Diplomat und später Außenminister war, eine starke Verbündete an seiner Seite.

Zukunft der EU-Flüchlingspolitik bleibt ungewiss
Diesen Aspekt hat auch Katrin Hatzinger im Blick, die Brüsseler Repräsentantin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie äußerte sich am Mittwoch nicht ganz so skeptisch wie die Grüne Keller. „Die Entscheidung für Avramopoulos hat zunächst durchaus einiges für sich“, meint sie. Er könne die Perspektive der EU-Außengrenzländer in die Debatte um eine bessere Verantwortungsteilung und mehr Solidarität einbringen. Allerdings sei Griechenland trotz einiger Anstrengungen kein Musterland im Umgang mit Flüchtlingen. Avramopoulos müsse unter Beweis stellen, dass er nicht nur Sicherheitsinteressen wahrnehme, sondern sich auch als Anwalt der Schutzsuchenden verstehe, betonte Hatzinger.

Als Migrationskommissar wird Avramopoulos nicht nur mit Flüchtlingspolitik und illegaler Migration zu tun haben. Der Grieche solle „Europa für hochqualifizierte Fachkräfte attraktiver machen“, hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung der EU-Kommission. Für eine Öffnung legaler Einwanderungswege wirbt die EU-Kommission schon seit Jahren. Auch die EU-Polizeibehörde Europol und die EU-Drogenüberwachungsstelle gehören zu Avramopoulos‘ Zuständigkeitsbereich. (epd/mig)