Migrationshintergrund nicht ausgewertet

Hannover stoppt anonyme Bewerbungen

Die Stadt Hannover hat in einem Pilotprojekt anonymisierte Bewerbungen erprobt. Ihr Fazit: kaum Verbesserungen – mehr Nachteile. Das Projekt wird nicht fortgesetzt. Dabei hat die Stadt nicht einmal ausgewertet, ob mehr Migranten eingestellt wurden.

Die Landeshauptstadt Hannover hat im Jahr 2013 auf Beschluss der Ratsgremien anonymisierte Bewerbungsverfahren in einem Pilotverfahren beispielhaft erprobt. Für externe Ausschreibungen der Fachbereiche Gebäudemanagement und Planen & Stadtentwicklung wurde auf Foto, Name, Alter, Geschlecht, Nationalität, Geburtsort, Familienstand sowie Angaben zur Religion, Weltanschauung und sexuellen Identität verzichtet. Dadurch sollte die Qualifikation noch stärker im Mittelpunkt der Auswahlverfahren stehen und die Chancengleichheit für alle Bewerberinnen- und Bewerber-Gruppen erhöht werden.

Das hannoversche Projekt ist nun ausgewertet. Ihr Ergebnis: Es wird nicht fortgeführt und nicht auf die gesamte Stadtverwaltung ausgeweitet. „Die Landeshauptstadt Hannover hat bereits vorher gute Instrumente geschaffen, um jegliche Diskriminierung zu verhindern. Das sehr aufwändige anonymisierte Bewerbungsverfahren hat da keine Verbesserungen gebracht. Vielmehr überwiegen die Nachteile“, fasst Personaldezernent Harald Härke die Ergebnisse zusammen. „Wir wollen aber die Erfahrungen aus diesem Projekt nutzen, um den Blick noch stärker auf die Qualifikation zu richten. Auf ein Bewerbungsfoto und Altersangaben werden wir künftig generell verzichten.“

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Keine Auswertung
Im Erprobungsjahr für anonymisierte Bewerbungen wurden in den beiden ausgewählten Bereichen 32 Stellen ausgeschrieben, davon 24 im Gebäudemanagement, 8 im Fachbereich Planen & Stadtentwicklung. Bei vielen Stellen handelte es sich um technische Berufe. Auf die ausgeschriebenen Stellen gingen insgesamt 477 Bewerbungen ein, 62 Prozent stammten von Männern und 38 Prozent von Frauen. Im Jahr 2012 stammten 48 Prozent der Bewerbungen von Frauen. Entsprechend wurden auch weniger Frauen zu Auswahlgesprächen geladen. Eine Auswertung nach dem Migrationshintergrund hat die Stadt nicht vorgenommen.

Sebastian Bickerich von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist nicht glücklich über die Entscheidung Hannovers. „Es ist erwiesen, dass Bewerber mit ausländischen Namen seltener zum Gespräch eingeladen werden als Mitstreiter mit deutschen Namen“, sagte er der taz. Eine Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration hatte herausgefunden, dass Bewerber mit türkischem Namen deutlich mehr Bewerbungen verschicken müssen, bis sie zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen werden als Bewerber mit deutschem Namen. Bickerich bemängelt, dass Hannover das Verfahren nur in zwei von 22 Fachbereichen durchgeführt hat. Er zweifelt an der Aussagekraft der Ergebnisse.

Sekpsis von Beginn an
Von Beginn an stieß das Pilotprojekt in Hannover auf keine Gegenliebe. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung zitierte im November 2011 den Personalchef Härke mit den Worten: „Wir sind nicht hundertprozentig überzeugt von dem Ansatz.“

Der Trend hin zu anonymen Bewerbungen hält indes weiter an. Immer mehr Länder und Kommunen testen das anonymisierte Bewerbungsverfahren. In Stuttgart und Berlin laufen Pilotprojekte. Die Stadt Celle hat nach einem früheren Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2011) mit insgesamt acht Kommunen, Behörden, Organisationen und Unternehmen entschieden, anonymisierte Bewerbungen in ausgewählten Bereichen dauerhaft einzusetzen. Drei weitere Teilnehmer setzen das Projekt ebenfalls fort. (hs)