Beratung in der Praxis 2/5

„Ich dachte, wir hätten wenigstens dasselbe Blut“

Diskriminierung hat viele Formen und ist kein Einzelfall. Aber nur die wenigsten werden medial bekannt, die meisten bleiben im Dunkeln und nur wenige werden zumindest dokumentiert. MiGAZIN veröffentlicht Fallbeispiele aus der Beratungspraxis des Antidiskriminierungsnetzwerks Berlin in einer Reihe. Heute: Ausschluss von der Blutspende

Frau S., eine schwarze Frau, sucht gemeinsam mit ihrem weißen Partner ein Blutspendezentrum auf, um sich dort nach den Bedingungen zu erkundigen, die für eine Blutspende zu erfüllen sind. Vom Personal am Empfang wird sie als erstes gefragt, wo sie geboren ist. Als sie antwortet, dass sie in „Afrika“ geboren ist, wird sie ohne weitere Rückfragen und Erklärungen als Spenderin ausgeschlossen.

Das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB) des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (TBB) recherchiert im Auftrag der Klientin zu diesem Thema. In Absprache mit der Klientin wendet sich das ADNB mit einem Beschwerdeschreiben an das Blutspendeunternehmen. In diesem wird parteilich, das heißt aus der sicht der Klientin, der sachverhalt dargestellt. Das ADNB des TBB nimmt eine rechtliche Einschätzung der Situation vor, formuliert das Anliegen der Klientin und fordert eine Stellungnahme.

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Kern der vom ADNB des TBB vorgebrachten Argumentation ist der Umstand, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutsbestandteilen „zeitlich begrenzte Rückstellungskriterien“ für Menschen aus Malaria-Endemiegebieten vorsehen, diese jedoch nach einem Zeitraum von vier Jahren sowie einer gezielten Anamnese und klinischen Untersuchung aufgehoben werden können. Hingegen sind die Spendebedingungen des Blutspendeunternehmens wesentlich strikter, indem sie Personen, die in Malaria-Gebieten geboren oder aufgewachsen sind, generell von der Blutspende ausschließen. Das ADNB sieht in dem pauschalen Ausschluss eine rassistische Diskriminierung. Das Unternehmen weist diesen Vorwurf von sich. Es argumentiert, dass Ausschlüsse zur gesundheitlichen Sicherheit der Empfänger notwendig seien.

Das ADNB wendet sich nun an das für die Richtlinien zuständige Paul-Ehrlich-Institut als zuständige Bundesbehörde und bittet diese zu prüfen, ob die Praxis des Blutspendeunternehmens mit den Richtlinien vereinbar ist. Das Institut erwidert, dass die Richtlinie als Mindeststandard zu betrachten ist und darüber hinausgehende ärztlich begründete Engerfassungen zulässig seien. Für die Klientin und für das ADNB stellt sich nun die Frage, ob und inwiefern ärztliche Ausschlussentscheidungen hinsichtlich der Zulassung zur Blutspende, die weit über die Bestimmungen der Richtlinie hinausgehen, zulässig sind bzw. eine Diskriminierung darstellen können. Insbesondere dann, wenn es sich um eine grundsätzliche Unternehmenspraxis handelt und die Entscheidung nicht von Einzelfall zu Einzelfall anhand einer individuellen Anamnese gefällt wird.

Da fraglich ist, inwiefern dieser pauschale Ausschluss aufgrund der Herkunft in den Anwendungsbereich des AGG fällt und eine unzulässige Ungleichbehandlung darstellt, bittet das ADNB die „Landestelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung“ um eine rechtliche Facheinschätzung.

Wie in diesem Fall betreten wir als Antidiskriminierungsberatungsstelle häufig Neuland bei der Bearbeitung von Diskriminierungsfällen. Da Antidiskriminierungsrecht und speziell das AGG noch relativ jung sind, fehlt es an rechtssicherheit, da entsprechende Auslegungen des Gesetzes durch rechtsprechungen in vielen Fällen noch nicht vorliegen.

Info: Das Antidiskriminierungs- netzwerk Berlin (ADNB) ist ein Projekt unter der Trägerschaft des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (TBB) und wird durch das Landesprog- ramm gegen Rechtsextremis- mus, Rassismus und Antisemitismus des Senats von Berlin gefördert. Zu den Zielen und Aufgaben des ADNB gehören: die Förderung von Gleichbehandlung, die Sensibilisierung der Öffentlich- keit, die Beratung der von Diskriminierung Betroffenen und deren Unterstützung. Mehr unter www.adnb.de

Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass das AGG wohl nicht anwendbar sei und der Ausschluss nur dann eine unzulässige Diskriminierung darstellen würde, wenn kein sachlicher Grund gegeben wäre. Dieser könnte aber darin liegen, dass der Aufwand und die Kosten für jeweilige Einzelprüfungen der Blutspende für die Unternehmen unzumutbar wären.

Auch wenn dies im Ergebnis eher gegen eine Klage wegen Diskriminierung spricht, haben die Beschwerde der Klientin und die Arbeit der Beratungsstelle für ein Stück mehr Rechtssicherheit und damit auch Handlungskompetenz gesorgt. Dennoch stellt dieser Ausschluss von der Blutspende, auch wenn es keine rechtliche unzulässige Diskriminierung sein sollte, eine Ungleichbehandlung dar, die die Betroffenen emotional belasten, da ihnen eine Gleichwertigkeit abgesprochen wird.

Die Erfahrungen und Ergebnisse dieses Falles werden zudem in einer Masterarbeit einer Studentin aufgegriffen, die sich mit dem Thema „Vital Publics der Blutspende?“ auseinandersetzt und in dem Zusammenhang Ausschlüsse von Blutspenden analysiert.