V-Mann Felten

Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein

Der ehrenwerte pastorale Bundespräsident Joachim Gauck wandelte bei seinem Staatsbesuch in der Türkei auf den Spuren von Kaiser Wilhelm und erfüllte damit das Klischee des Deutschen im Ausland: das der Besserwisserei.

Am deutschen Wesen soll die Welt genesen, diese Auffassung machen die Deutschen im Ausland so überaus beliebt. Ähnlich dem ordentlichen Deutschen, der seinen Nachbarn darauf hinweist, er solle mal seine Gardinen waschen, während bei ihm selbst die Fenster blind sind.

Mit diesem Selbstverständnis laufen auch gerne die USA durch die Welt und untermauern nicht selten ihre Auffassung – auch gleich mal mit dem Colt in der Hand.

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Sicher das Demokratieverständnis des türkischen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan und seiner politischen Clique ist schon eigenartig. Die Verbote von Twitter, Facebook und weitere Repressalien erinnern eher an die Volksrepublik China an als ein Land, dass sich einmal anschickte, Mitglied der EU zu werden. Demonstrationen als Krawalle ab zu tun und blutig nieder zuschlagen, zeugen von der abgehobenen und despotischen Neigung des Ministerpräsidenten, sich über den eigenen Staat zustellen. Das geht so nicht.

Aber Demonstration blutig nieder zu schlagen, so was hat sich Deutschland und sieben weitere Staaten erst zuletzt erst 2001 in Genua geleistet. Zuständig dafür war die Demokratie Italien.

Der Präsident Gauck steht einem Land vor, welches nicht in der Lage ist, seinen eigenen Verfassungsschutz in den Griff zu bekommen. Ein Land, das es nicht schafft, in 109 Prozesstagen auch nur annährend Licht in das Dunkel der NSU Morde zu bringen: Zeugen, die plötzlich Selbstmord begehen, Staatsbeamte, die Wahrheit durch Auslassungen bei ihren Zeugenaussage verschleiern.

Der Präsident Gauck repräsentiert eine Demokratie, in der im letzten Jahr 17.000 rechts motivierte Straftaten begangen wurden. Ein Land, das den unehrenhaft dritten Platz als größter Waffenexporteur der Welt einnimmt.

Eine Kanzlerin, die aus dem gleichen evangelikalen Holz geschnitzt ist, wie der Bundespräsident, ihren Amtseid verletzt, weil sie das Abhören von Telefonaten und das Lesen von Emails ihrer Bürger durch sogenannte befreundete Staaten als eine lapidare Randerscheinung abtut. Ein Land, in dem Menschen, die seit Jahrzehnten in diesem Land leben, das elementare Recht der Wahl vorenthalten wird.

Wer ein Glashaus repräsentiert, sollte auf andere Staaten nicht mit Steinen werfen.