Rezension zum Wochenende

Akif Pirinçci kotzt sich aus!

Kein Stammtischthema hat Akif Prinçci in seinem Buch ausgelassen. In obszöner, vulgärer, sexualisierter Sprache gibt er sich für ein Allround-Genie aus, das den Größten hat. Türkân Kanbıçak über die Frage, wie so ein Buch zum Bestseller werden konnte.

Der Wutbürger, Akif Prinçci, rechnet nicht mit den vom ihm als „Gutmenschen“ betitelten „linksversifften“, „verweichlichten“, „hirngewaschenen“ „Vaterlandsfeinden“ seines ach so geliebten „Mutterlands“ – gemeint ist Deutschland – ab, sondern um in der Sprache des Autors zu bleiben: er „kotzt“ sich aus. Kein Stammtischthema wird dabei ausgelassen. Denunziativ, kulturrassistisch, homophob, frauenfeindlich – die Liste der Eigenschaften ließe sich noch erweitern – und voller Menschenverachtung beschwört er den „gegenderten“ deutschen Mann, nun endlich wieder ein „richtiger Mann“ zu werden, seine Angst abzulegen und sich von historischer Schuld zu befreien! Und all dies in obszöner, vulgärer, sexualisierter Sprache, damit ihn auch jeder versteht.

Im Rausch ekstatischer Omnipotenz-Phantasien preist er dem geknebelten deutschen Mann jenes Männlichkeitskonstrukt an, welches er zugleich den nur zum „Ficken“ nach Deutschland massenhaft sich einschleichenden muslimischen Männern vorwirft. Sarrazin kann in Maßlosigkeit biologistischer, sozial- und kulturrassistischer Argumentationen und in Authenzität des Herrn Pirinçci wahrlich nicht das Wasser reichen. Mit „Deutschland von Sinnen“ gelingt dem bislang als „Katzen-Krimi-Autor“ bekannten Pirinçci der Aufstieg auf den Emporen des tiefsten Rechtspopulismus und Rassismus. Menschen jüdischen Glaubens werden schlichtweg zu einer besonderen „Ethnie“ erklärt, wohl gemerkt zu einer intelligenten und daher brauchbaren Ethnie. Den eigenen Philosemitismus scheint der Autor nicht zu bemerken. Die argumentative Nähe zu dem Internetportal Politicall Incorrect ist nicht zu übersehen.

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Nicht das „Erbrochene“ des Skandalautors, sondern die Tatsache, dass dieses Schundbuch des über-assimilierten Deutsch-Türken, der im Übrigen seine eigene nationale Selbstzuschreibung ständig ändert, zum Bestseller mutieren konnte, ist Besorgnis erregend!

Die Gründe hierfür mögen vielfältig sein, so vielfältig und vielschichtig wie die politischen Interessen und Gruppierungen seines „Fan-Clubs“, der sich insbesondere in Webportalen wie Political Incorrect in einen jähen Wettstreit um die höchste und widerlichste Stufe gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu erklimmen, begeben hat. Pirinçci bedient alle Stereotypen seiner Leserschaft. Als Türkischstämmiger nimmt er die Rolle des „Insiders“ ein, der vorgibt, über alle Zusammenhänge bestens informiert zu sein und im Stande ist, innerhalb von 90 Tagen Deutschland zu „retten“. Hierzu bedarf es anscheinend keiner weiteren Qualifikation außer den eigenen naiven Beobachtungen und dem Erfahrungsschatz eines Kindes ehemaliger Gastarbeiter. Schlechthin gibt er sich für jenes Allround-Genie aus, das durch die Politik und insbesondere die Wissenschaft bislang nicht entdeckt wurde. Er ist überhaupt der Größte, nein, richtig mit Duktus des Herrn Pirinçci heißt das: er hat den Größten.

Der Publikationszeitpunkt, kurz vor der Europawahl, ist nicht zufällig. Der Rechtspopulismus erfährt gegenwärtig starken Zulauf und das nicht nur in Deutschland. Bei genauerer Betrachtung der europäischen politischen Landschaft fällt auf, dass in allen Ländern Europas aber insbesondere in Frankreich, den Niederlanden, Italien und in Ungarn der Rechtspopulismus am Erstarken ist.

Ungeachtet konkreter politischer Orientierung und durch alle sozialen Schichten hindurch vereint die Rechtspopulisten Europas ihr gemeinsamer Feind. Menschen muslimischen Glaubens werden für alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme verantwortlich gemacht und der Islam zum Feindbild erklärt. Seit mehr als 30 Jahren arbeiten Rechtspopulisten an der Entwicklung und Manifestation dieses Feindbildes. Durch die meist negativ konnotierte Medien-Berichterstattung über Muslime wird der Islam stets mit Gewalt, Terror und Blut und Muslime mit Terroristen, Gewaltbereiten und „nicht-demokratiefähigen Unterdrückern“ gleichgesetzt. Mitunter erfährt das Feindbild Islam bizarre Ausuferungen, die volksverhetzende Ausmaße annehmen.

Dabei wird der Islam als eine homogene Gruppe von Gläubigen gleicher Rechtsschulen konstruiert. Einen solchen Islam gibt es nicht! Das Feindbild wird dann „perfekt“, wenn es sich zudem dazu eignet, alle sozial unerwünschten Eigenschaften und gesellschaftliche Schieflagen auf die „bösen, dummen Muslime“ zu übertragen. Schließlich können sogar Antisemitismus und Menschenverachtung, Gewalt und Unterdrückung in das neue Feindbild exportiert werden.

Nationalistische Identitätskonstrukte benötigen zur Wiederauferstehung und Erstarkung gemeinsame Feindbilder. Dies scheint sich in der Islamfeindlichkeit zu manifestieren. Die Abwertung des Anderen geht stets mit der Aufwertung des Selbst einher. Es ist bequem, soziale Konflikte voreilig zu ethnisieren oder dem Islam zuzuschreiben, anstatt sich mit komplexen Zusammenhängen zu beschäftigen. Simple Deutungsmuster sind attraktiv für all jene, die es schon immer gewusst haben.

Dennoch sollten wir zuversichtlich bleiben! Europa wächst zusammen und wird zusammenwachsen. Die Vielfalt aller sozialen Gruppen, das Miteinander aller Religionen und Lebensformen ist aus unserer Lebenswirklichkeit nicht mehr wegdiskutierbar! Daran wird auch der Ka(o)tzen-Autor nichts ändern!