Neustart oder Reförmchen?

Migranten bemängeln NSU Abschlussbericht

Eine umfassende Reform fordern niedersächsische Abgeordnete der NSU Arbeitsgruppe zur Reform des Verfassungsschutzes. Über Vorurteile und Rassismus innerhalb des Verfassungsschutzes schweigen sie aber. Das stößt auf Kritik.

Abgeordnete der Arbeitsgruppe zur Reform des niedersächsischen Verfassungsschutzes fordern eine grundlegende Reform des Verfassungsschutzes. Der 40-seitige Abschlussbericht, der vergangene Woche Mittwoch vorgestellt wurde, sieht unter anderem eine bessere parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes vor. Zudem soll die Arbeit von V-Leuten eingegrenzt werden. Die Arbeitsgruppe wurde eingesetzt, nachdem der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) aufgeflogen war und beim Verfassungsschutz eklatante Fehler und Missständen bekannt wurden.

„Die vom NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages festgestellten und dokumentierten Mängel in der Arbeit der Sicherheitsbehörden, auch des Verfassungsschutzes, sowie die in letzter Zeit zutage getretenen Unsicherheiten im niedersächsischen Verfassungsschutz bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und Akten haben gezeigt, dass der Verfassungsschutz reformiert werden muss“, heißt es in dem Bericht der Arbeitsgruppe. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe sind sich darüber einig, dass die Arbeit des Verfassungsschutzes von einem Großteil der Gesellschaft nur dann akzeptiert werden kann, wenn sein Beitrag zur Sicherheit aller Bürger deutlich und transparent wahrnehmbar wird.

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Rassismus und Vorurteile
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) kündigte eine genaue Analyse des Berichts an. Die Ergebnisse würden in die parlamentarischen Beratungen zur Novellierung des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes einfließen, wie es im rot-grünen Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Darin heißt es aber auch: „Das Versagen der Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Länderebene bei den Ermittlungen gegen die rechtsextremistische Terrorzelle NSU hat das Vertrauen in den Rechtsstaat empfindlich gestört.“

Und genau darin scheint es noch zu haken, wie zwei islamischen Religionsgemeinschaften (SCHURA und DITIB) und die Türkeische Gemeinde nun in einer gemeinsamen Erklärung bemängeln. Das Versagen der Sicherheitsbehörden im Falle der Terrorgruppe NSU habe insbesondere das Vertrauen von Migranten in die deutschen Sicherheitsbehörden „tief erschüttert“. Im Rahmen der Aufarbeitung der NSU-Verbrechen seien „unfassbare Vorurteile und rassistische Züge innerhalb der Sicherheitsbehörden“ zutage getreten.

Kritik ernst nehmen
Die Unterzeichner sind verwundert, „dass die Kommission zur Reform des Verfassungsschutzes sich in ihrem 40-seitigen Bericht überhaupt nicht mit Vorurteilen und Rassismus im Verfassungsschutz beschäftigt und lediglich die stärkere Berücksichtigung von interkultureller Kompetenz bei der Personalauswahl empfiehlt.“

Es könne nicht sein, dass vor dem Hintergrund der bisherigen Debatte um die Verfehlungen des Verfassungsschutzes und seiner Neustrukturierung nun über die ausschlaggebenden Kritikpunkte einfach hinweggesehen werde. „Wir fordern die rot-grünen Landtagsfraktionen und die Landesregierung auf, rassistische und vorurteilsbehaftete Verfehlungen im Verfassungsschutz aufzuarbeiten und dies innerhalb des Reformprozesses gebührend zu berücksichtigen“, so die Unterzeichner.

Onay verspricht Neustart
Landtagsabgeordneter Belit Onay, der Mitglied im Ausschuss für Verfassungsschutzfragen ist, versucht zu vermitteln: „Wir nehmen die Kritik der türkischen VertreterInnen sehr ernst und werden uns dafür einsetzen, dass diese Punkte im kommenden Reformprozess des Verfassungsschutzes angemessen berücksichtigt werden.“ Mit Rot-Grün werde es einen Neustart des Verfassungsschutzes geben, verspricht Onay.

In Niedersachsen habe es mit der sogenannten Islamisten-Checkliste oder den verdachtsunabhängigen „Moschee-Kontrollen“ auch schon vor Bekanntwerden der NSU Indikatoren für nicht vorurteilsfreie Arbeitsweisen in den Sicherheitsbehörden gegeben. Nun müsse man sich die Frage gefallen lassen, „was wir daraus gelernt haben“. Aus der niedersächsischen Reform müsse eine Antwort klar abzulesen sein, so der Grünen Politiker. (bk)