Eine Tragödie in drei Szenen

Theo Saladin stellt sein neues Buch vor

Theo Saladin hat am Montag sein neues Buch vorgestellt: Pressekonferenz, Kameras, Blitzlichtgewitter oder doch gähnende Leere in den Reihen? Sindyan Qasem, Florian Illerhaus, Daniela Seitzer und Benedikt Erb haben die Pressekonferenz inszentiert in drei Szenen:

Es treten auf:

THEO SALADIN
ein ehemaliger Politiker, der in den letzten Jahren durch die Veröffentlichung von provokanten ‚Thesen‘ zu einigem Ruhm und Reichtum gekommen ist

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EINE VERLAGSFRAU
JOURNALISTEN und JOURNALISTINNEN
FOTOGRAFEN und FOTOGRAFINNEN
KAMERALEUTE

1. Szene
Ein großer, bestuhlter Raum. Gegenüberliegend der Eingangstür ein Podium, dahinter eine Stellwand, die das überdimensionale Cover eines Buches ziert. Langsam füllt sich der Raum, Journalisten und Fotographen besetzen ihre Plätze. Am Podium werden Mikrofone gerichtet und Wasserflaschen aufgestellt. In der zweiten Stuhlreihe sitzt ein Journalist und wartet. Eine Reihe hinter ihm baut ein Kameramann seine Geräte auf.

KAMERAMANN (reicht dem Journalisten ein zusammengeklapptes Stativ über die Sitzlehne): Können Sie das mal bitte kurz halten?

JOURNALIST: Ja, gerne. Sonst habe ich gerade nichts zu tun.

Der Journalist beobachtet den Kameramann beim Einstellen seiner Arbeitsgeräte, schließlich bricht er das Schweigen.

JOURNALIST: Sind die Plätze für Kameras nicht eigentlich da drüben? (Er deutet vage nach links.)

KAMERAMANN: Jaja, eigentlich schon. Aber die Redaktion will unbedingt gute Nahaufnahmen für die Berichte heute Abend, deswegen stelle ich mich einfach hier hin.

JOURNALIST: Sicherlich wegen der interessanten Mimik, nicht wahr? (Er reicht dem Kameramann das Stativ herüber.)

KAMERMANN: Jaja, genau. Und Sie, was versprechen Sie sich von der Pressekonferenz?

JOURNALIST: Ach, ich brauche nur ein oder zwei Provokationen für eine gute Schlagzeile. Dann bin ich wieder weg. Alles für die Auflage, nicht wahr?

KAMERAMANN: Alles für die Quote, natürlich.

2. Szene
Der Raum ist mittlerweile gefüllt, alle Stühle sind belegt, auf den freien Flächen neben und hinter den Stuhlreihen stehen Fotografen und Kameraleute. Viele von den anwesenden Medienvertretern schauen abwechselnd auf das noch leere Podium und ihre Armbanduhren. Andere tippen vehement auf die Touchscreens ihrer Smartphones. Mit präzise inszenierter Verspätung betritt Theo Saladin den Raum durch eine Seitentür und nimmt am Podium Platz. Neben ihn setzt sich eine Repräsentantin seines Verlages. Sie gießt Wasser ein, legt Papiere zurecht, klopft an die Mikrofone. Theo Saladin genießt sichtlich das schlagartige Verstummen aller im Raum Anwesenden.

VERLAGSFRAU: Ich begrüße Sie recht herzlich zur heutigen Pressekonferenz anlässlich der Veröffentlichung von Theo Saladins neuem Werk ‚Der Gutmenschgulag‘. Theo Saladin ist einer der letzten Querdenker in dieser Republik…

Theo Saladin liest nach einer formvollendeten Ankündigung einen kurzen Abschnitt seines neuen Werkes. Zwar liest er fehlerfrei, trotzdem ist ihm eine gewisse Aufregung anzumerken. Worte wie ‚Vererbung‘, ‚Leistung‘, ‚Sekundärtugenden‘, ‚Ethnie‘ und ‚Tabu‘ betont er mit einer gewissen Schärfe. Er beendet den Absatz beinahe hastig und blickt erwartungsvoll zur Verlagsfrau, die wiederum das Wort an die anwesenden Medienvertreter und -vertreterinnen richtet.

VERLAGSFRAU: Danke, Herr Saladin. Nach dieser kurzen Leseprobe ist es Ihnen allen nun möglich, Fragen zu stellen. Ich möchte Sie bitten, der Reihe nach und präzise zu fragen. Bitte warten Sie, bis das Mikrofon bei Ihnen ist.

Sofort stehen mehrere Personen im Raum auf, andere heben ihre Arme und gestikulieren. Das Mikrofon wird einem Journalisten in der ersten Reihe gegeben. Dieser stellt sich kurz vor, dann beginnt er seine Frage:

JOURNALIST: Herr Saladin, ihr erstes Buch wurde in rot veröffentlicht, das zweite in weiß, ihr aktuelles nun, wie wir alle sehen können (er deutet auf das große Banner, das hinter dem Podium hängt) ist in schwarz gehalten. Ist das das Ende einer Farb-Trilogie? Und beginnen Sie nun eine Serie in schwarz-rot-gold?

THEO SALADIN: (bevor er antwortet, überblickt er den Raum kurz mit einem schief-süffisanten Lächeln): Das mit den Farben ist mir bis jetzt gar nicht aufgefallen, danke für den Hinweis. Ich lasse ja eigentlich den Verlag über solche Sachen entscheiden, mir geht es nur um den Inhalt (noch einmal hält er kurz inne und lächelt). Zu meinem nächsten Buch kann ich Ihnen noch nichts sagen. Erst einmal muss ich den Wirbel überstehen, den das aktuelle Buch verursachen wird. Wie Sie sicherlich wissen, wurde ich schon für meine vergangenen Veröffentlichungen stark kritisiert. Aber meine Kritiker haben meine Bücher sowieso nicht gelesen und wenn doch, dann nicht verstanden.

Das Mikrofon wird in der ersten Reihe ein paar Sitze nach rechts gereicht. Ein weiterer Journalist stellt sich vor und richtet eine Frage an den Autor.

JOURNALIST: Wie können Sie, Herr Saladin, sich denn so sicher sein, dass es, wie Sie sagen, wieder Wirbel um dieses Buch geben wird?

THEO SALADIN: Nun, wenn Sie mein Buch gelesen hätten, dann wäre Ihnen diese Frage im Prinzip von selbst beantwortet worden. Es gibt heutzutage in der Bundesrepublik viele selbsternannte Tugendwächter. Alles was gegen den Konsens verstößt, wird sogleich als Nestbeschmutzung verschrien. Ich selbst tue in meinen Büchern Fakten kund, die jedermann nachprüfen kann. Trotzdem wird mir vorgeworfen, nicht sachlich genug zu schreiben. Denn es ist nun mal so, dass bestimmte unbequeme Wahrheiten hierzulande nicht ausgesprochen werden dürfen. Manche Leute wollen mir sogar den Mund verbieten.

Noch während Saladin spricht, ist in den hinteren Reihen eine junge Journalistin aufgestanden und hat vehement das Mikrofon gefordert. Während Saladins letzter Satz verklingt, erhebt sich im Raum ein Raunen, das weder als ablehnendes Stöhnen noch als zustimmendes Murmeln zu identifizieren ist. Die junge Journalistin stellt sich knapp vor und beginnt unverzüglich.

JOURNALISTIN: Herr Saladin, vor einigen Tagen hatte ein Kollege bereits darauf hingewiesen, dass die Erstauflage Ihres Buches 100.000 Exemplare umfasst, Ihr Verlag Vorabdrucke und Werbung bundesweit in großen Printmedien schalten ließ und nicht zuletzt sind wir alle heute hier bei Ihrer großen Pressekonferenz zur Buchvorstellung versammelt. Behaupten Sie allen Ernstes, dass Ihnen der Mund verboten wird? Ist es nicht so, dass Sie bewusst provozieren und die Grenzen des Diskurses austesten, um mit der Aufmerksamkeit, die Ihnen dadurch zuteil wird, Geld zu verdienen? Ist es nicht eher so, dass Ihnen trotz offen rassistischer, sozial- darwinistischer und sexistischer Argumente immer ein Forum geboten wurde? Ist es nicht so, dass sich Ihre These vom zwanghaften Konsens eigentlich durch Ihre eigenen Publikationen widerlegt? Ist es nicht so, dass …

THEO SALADIN: (unterbricht die Journalisten mit ruhiger Stimme): Darf ich vielleicht bitte auch etwas sagen? (Einige im Raum lachen während er sich genüsslich auf seinem Stuhl zurecht schiebt und mit seiner Antwort beginnt.) Sehen Sie, genau hier liegt ja das Problem. Sie wollen mir unterstellen, dass ich Rassist bin, dass ich Sexist bin. Sie wollen mich abstempeln und die rechte Ecke stellen. Aber ich denke nun einmal, dass es bestimmte Unterschiede zwischen bestimmten Menschen gibt. Das heißt nicht, dass das schlimm wäre. Menschen sind eben unterschiedlich. Soll ich deswegen nichts mehr sagen dürfen? Sie versuchen mir den Mund zu verbieten! (Danach leise zur Verlagsfrau.) Ich will nicht zensiert werden! Deswegen möchte ich verleumderische Fragen, von jemandem der mein Buch nicht gelesen oder verstanden hat, nicht mehr beantworten.

VERLAGSFRAU (etwas irritiert, aber dennoch souverän): Wir behalten uns als Leitung dieser Konferenz vor, verleumdende Fragen nicht beantworten zu lassen und gegebenenfalls Personen von dieser Veranstaltung auszuschließen. Ich denke, wir machen jetzt mit dem Herren in der zweiten Reihe weiter.

In der zweiten Reihe erhebt sich ein Mann, der sich schon seit Eröffnung der Fragerunde gemeldet hatte. Es ist der Journalist, der eine gute Schlagzeile abliefern will.

JOURNALIST: Herr Saladin, könnten Sie für unsere Leser kurz und knapp zusammenfassen, welche Unterschiede es denn zwischen den Menschen gibt und wie sich diese auswirken?

THEO SALADIN: Gerne. Sehen Sie, es hat schon immer Ungleichheit gegeben. Das geht vom Jäger und Sammler über den Ackerbauern bis heute so. Es hat immer Tüchtige und Faule gegeben – und all das ist vererbbar. Und so gibt es Unterschiede zwischen Ethnien. Ich habe bereits ausführlich bewiesen, dass zum Beispiel Muslime genetisch benachteiligt sind. Jetzt kommt es mir darauf an, das auch sagen zu können, ohne dass irgendein Tugendwächter daherkommt und behauptet, dass das nicht so wäre. Es ist doch einfach mal so, dass der Unterschied zwischen Männern und Frauen gewaltig ist. Trotzdem gibt es Leute, die ruhen nicht eher, bis jede zweite Krankenschwester männlich und jeder zweite Manager weiblich ist.

Der Journalist aus der zweiten Reihe notiert eifrig und schnell, gibt das Mikrofon weiter. Während eine Kollegin ihre Frage stellt, wird er unauffällig aufstehen und gehen. Er hat seine Provokationen bekommen.

JOURNALISTIN: Herr Saladin, sie sprechen von Tugendterror. Wer sind die Terroristen, die uns angeblich ihre Meinung vorschreiben?

THEO SALADIN: Ein ganz wesentlicher Faktor ist natürlich die links-grün gestrickte Journaille. Es ist die Systempresse, die immer die Wahrheit unterdrückt und die Political Correctness der Schreiberlinge, sowieso sympathisieren die Journalisten alle mit den Grünen. Und da schließt sich dann der Kreis. (Ein Glitzern ist in seinen Augen das sich von den üblichen Reflektionen seiner Brille im Blitzlicht unterscheidet.)

JOURNALISTIN: Können Sie das bitte etwas erläutern?

THEO SALADIN: Die Grünen sind bekanntlich die mächtigste Partei in Deutschland. Sie sind sogar so mächtig, dass sie nicht einmal in der Regierung sein müssen, um die Politik zu prägen. Die Mainstreammedien sind von Grünen unterwandert und das ist das Problem.

Erneut ertönt ein Raunen im Raum, in das sich das Geräusch gerückter Stühle und schnell übergeworfener Mäntel mischt. Einige Medienvertreter verlassen die Pressekonferenz. Saladin spricht weiter, ein Anflug von Unsicherheit ist in seiner Stimme.

THEO SALADIN: Den Begriff Terror habe ich dabei ganz bewusst gewählt. Denn nicht nur in Afghanistan gibt es keine Redefreiheit. Auch hier in Deutschland wollen mir am liebsten einige Menschen den Mund verbieten …

Immer mehr Menschen verlassen jetzt den Raum. Einige von ihnen warten nicht, bis sie durch die Tür in den Gang nach draußen gelangt sind, um ihren Unmut kundzutun. Kommentare wie „Immer das gleiche“ oder „Nichts Neues von Saladin“ sind zu hören.

THEO SALADIN (versucht mit jetzt deutlicher Nervosität in der Stimme, seinen Standpunkt geltend zu machen): Darf ich nicht auch etwas sagen? Warum verbieten mir die Tugendwächter, die Wahrheit zu sagen? Hören Sie, nehmen wir einmal an, der arabische Migrant ist ein deutscher Ackergaul. Und der Deutsche ist ein Araberhengst. Die Gene dieser Rasse sind nun einmal …

VERLAGSFRAU (legt ihre Hand auf Saladins Arm, flüsternd): Wir hatten uns doch darauf geeinigt, Ethnie statt Rasse zu sagen…

THEO SALADIN (laut): Wollen Sie mir etwa den Mund verbieten? Gehören Sie etwa auch zu denen?

3. Szene
Der Raum ist jetzt fast leer. Die Repräsentantin des Verlags nimmt einen Schluck Wasser. Saladin, in einer fast kindlichen Mischung aus Wut und gekränktem Stolz, sieht an die Decke. Vor dem Podium steht nur noch der Kameramann, der gute Nahaufnahmen für die Redaktion filmen soll.

KAMERMANN: Entschuldigung, Herr Saladin, da ja nun alle schon weg sind, wäre es denn möglich, dass ich ein paar exklusive Aufnahmen machen könnte von Ihnen vor dem großen Poster mit Ihrem neuen Buch?

THEO SALADIN (er fasst sich wieder): Selbstverständlich, gerne. (zur Verlagsfrau gewandt) Sehen Sie, es gibt noch Leute, die mich wertschätzen.

Saladin steht auf und posiert vor dem übergroßen Titel seines Buches. Die Repräsentantin des Verlages räumt einige Blätter zusammen und verlässt den Raum. Saladin beginnt zu plaudern.

THEO SALADIN: Wissen Sie, junger Mann, wenn es kein Problem gibt, dann muss ich eines schöpfen, das zu meiner Weltsicht passt. Und wenn niemand dieses widerlegen kann, tja, dann habe ich eben Recht.

KAMERMANN: Herr Saladin, bitte, nicht sprechen. So bekomme ich nie vernünftige Aufnahmen zusammen

Und Saladin schweigt.

Vorhang