Der Fall Sebastian Edathy

Missachtung rechtsstaatlicher Fundamentalprinzipien

Sebastian Edathy soll Fotos von unbekleideten Kindern besitzen. Dies mag moralisch verdächtig und unerträglich sein, ist strafprozessrechtlich aber irrelevant. Ja, der Besitz solch´ Materials ist grundrechtlich sogar geschützt.

Im Fall Sebastian Edathy erleben wir wieder, dass die öffentliche Meinung keinen Instanzenzug kennt. Der medial transportierte Vorwurf der Kinderpornographie wiegt schwer in den Köpfen der Konsumenten. Ja, es gleicht einer öffentlichen Hinrichtung, verursacht durch die Missachtung rechtsstaatlicher Fundamentalprinzipien. Dafür spricht der gegenwärtige Sachstand.

Die Verfassung gebietet auch im Ermittlungsverfahren die Unschuldsvermutung. Das Strafprozessrecht, als konkretisiertes Verfassungsrecht, erlaubt Ermittlungsdurchsuchungen lediglich bei Vorliegen eines Anfangsverdachts. Es müssten also zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass eine bestimmte Straftat – etwa der Besitz kinderpornographischen Materials – verübt worden ist.

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Die Ermittlungsbehörden hatten im fraglichen Fall – nach eigenem Bekunden – ´lediglich` die Information, dass Edathy über dubiose Wege im Besitz von Fotos gewesen sein soll, die unbekleidete Kinder abbilden. Dies bereits mag moralisch! – zu Recht – für viele verdächtig und unerträglich sein, kann jedoch noch keinen Anfangsverdacht im strafprozessrechtlichen Sinne begründen. Ja, der Besitz solch´ Materials ist grundrechtlich sogar geschützt. Es wird strafrechtlich nicht verwerflicher, wenn man den moralischen Duktus verschärft und vom „Grenzbereich zu Kinderpornographie“ spricht.

Man würde in eine rechtsstaatswidrige Schieflage geraten, wenn eine rechtlich erlaubte – aber möglicherweise unmoralische – Handlung allein ein Ermittlungsverfahren nach sich zöge. Dessen waren sich auch die Ermittlungsbehörden bewusst. Verzweifelt wirkt nämlich ihr zusätzlicher Hinweis auf ein ´konspiratives` Vorgehen Edathys bei der Beschaffung des streitgegenständlichen Materials.

Auf dieser Grundlage durfte die Ermittlungsbehörde aber weder Ermittlungsdurchsuchungen durchführen (lediglich weitere Vorermittlungen waren erlaubt und geboten) und – wegen der Unanfechtbarkeit der öffentlichen Meinung – erst Recht nicht die Medien informieren.

Die rhetorische Frage, die sich nach dieser – vor allem für den Betroffenen – rechtsstaatswidrigen Tragödie stellt, ist: Bleiben rechtsstaatliche Prinzipien Maßstab ermittlungsbehördlichen Eingreifens oder das – in diesem Fall für viele sogar – verständliche Moralempfinden der Ermittlungsbehörden? Rhetorisch deshalb, weil sich Rechtsstaatlichkeit gerade durch die konsequente objektiv-rechtliche Handhabe solcher moralischer Herausforderungen auszeichnet.