Verlost und verkauft

Korrupte Terminvergabe an deutscher Visumstelle in Beirut

Seit dem Bürgerkrieg in Syrien bekommt man Termine an der deutschen Visumstelle nur noch auf dem Schwarzmarkt. Mohammed will das nicht zahlen – schließlich ist er Deutscher. Das Auswärtige Amt bedauert die missliche Situation, aber hilft dem Betroffenen nicht.

Mohamed* macht sich Sorgen. Jeden zweiten Tag gibt es im Libanon einen Anschlag, sagt er. Mohamed ist Deutscher und lebt in Berlin. Aber seine Frau lebt im Libanon, in der Stadt Sidon. Seit ein paar Wochen sind die beiden verheiratet und Mohamed macht sich große Sorgen um seine Frau, die im unsicheren Libanon ausharren muss, bis sie ein Visum für Deutschland bekommt. Den Sprachtest hat sie längst in der Tasche, sogar auf höherem Niveau als gefordert. Sie müsste nun einen Antrag auf ein Ehegattenvisum stellen, aber das ist faktisch unmöglich.

Seit die Botschaft in Damaskus wegen des Bürgerkriegs in Syrien geschlossen ist, sind die Botschaften ringsum völlig überlaufen. Ganz besonders betroffen ist die in Beirut. Syrische Staatsangehörige dürfen dort ohne Weiteres vorsprechen, von allen anderen verlangt die Botschaft, dass sie sich vorher per Internet einen Termin besorgen. Die aber sind ausgebucht, soweit man denken kann. Bis in den März hinein ist alles ausgebucht und weiter kann man keine Termine reservieren.

___STEADY_PAYWALL___

Libanesische Sicherheitsleute haben das Sagen
Auf dem Schwarzmarkt werden Termine an der Botschaft heiß gehandelt, berichtet Mohamed. Ihm selbst sei von einer Frau, die Dokumente für die Botschaft übersetzt, ein Termin angeboten worden — für 500 Dollar. Er hat Bekannte, die das gemacht haben und deren Frauen tatsächlich diesen erkauften, irregulären Termin wahrnehmen konnten. Ohne Mithilfe von Botschaftspersonal ist das kaum möglich, denn bei der Reservierung im Internet muss nicht nur ein Name, sondern auch die Pass-Nummer des Antragstellers angegeben werden.

Das Regime an der Botschaft führen nicht etwa deutsche Diplomaten, sondern ihr libanesisches Sicherheitspersonal. Dieses entscheidet, wer in die Visumstelle darf und wer nicht. Die Wartenden behandelt man wie Dreck, sagt Mohamed und sein Freund Ahmed*, der gerade glücklich die Antragstellung seiner syrischen Frau bewerkstelligt hat.

Kein Zutritt, auch für Deutsche nicht
Obwohl ihm Botschaftsmitarbeiter gesagt hatten, er möge ohne Termin ein bestimmtes Dokument in der Botschaft abgeben und er den Namen des Sachbearbeiters nannte, wollte ihn der Sicherheitsdienst nicht hineinlassen. Sein deutscher Pass half ihm dabei gar nicht. „Es ist ein Skandal, dass man als Deutscher Staatsbürger am Betreten einer Deutschen Botschaft gehindert wird, und zwar von Leuten, die dort bloß angestellt sind und die selbst oft nicht einmal Deutsch sprechen“, ärgert sich Ali.

In seiner Not wandte sich Mohamed an das Auswärtige Amt und bat, ihm einen Termin für seine Frau zu vermitteln. Er machte das Amt auch auf die Korruption aufmerksam, die sich rund um die Vergabe der knappen Termine blühend entwickelt. Als Antwort erhielt er viel Bedauern um die missliche Situation, aber keine Hilfe. Er solle halt regelmäßig im Internet nachsehen, ob ein Termin frei ist. Das aber tun andere auch, sodass die Termine innerhalb weniger Stunden wieder ausgebucht sind.

Glück statt Wartelisten
Außerdem wissen diejenigen, die die Termine verkaufen, vermutlich am besten, wann Termine im Internet freigeschaltet werden, und können diese dann für ihre Geschäftszwecke reservieren. Es werden keine Wartelisten geführt, wer also zuerst kommt, mahlt zuerst. Es ist eine Art staatlich organisierte Lotterie. Erwischt man zufällig den richtigen Zeitpunkt, kann man sich einen Termin reservieren, egal wie lange man schon darauf gewartet hat. Hat man Pech und verpasst immer wieder die Terminfreigaben, muss man womöglich viele Monate warten ohne auch nur die leiseste Gewissheit zu haben, irgendwann überhaupt einen Termin zu erhalten.

Bleibt nur der Weg auf den Schwarzmarkt. Mohamed hat deswegen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt und sich an den Deutschen Bundestag mit einer Petition gewandt. Einzige Reaktion von dort ist bislang, er möge eine Vollmacht seiner Frau vorlegen, dass ihm überhaupt Auskünfte über seine Frau erteilt werden dürfen. Den Termin für seine Frau will Mohamed nun vor dem Verwaltungsgericht Berlin erkämpfen und hat dort einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gestellt.

Die Hoffnung stirbt zuletzt
Es wäre wohl einfacher und auch nicht viel teurer, das geforderte Bakschisch zu zahlen. Der Preis ist zwar inzwischen schon auf 800 Dollar gestiegen, aber dafür geht das schnell und ist sicher. Bei der deutschen Justiz hingegen dauern selbst Eilverfahren ziemlich lange und dass man am Ende bekommt, was man will, ist auch alles andere als sicher. „Ich werde solchen Erpressern aber kein Geld geben, schon aus Prinzip nicht“, sagt Mohamed und gibt sich kämpferisch: „Schließlich bin ich Deutscher und lebe hier in einem Rechtsstaat“.

Auf den Sachverhalt angesprochen bestätigt die Pressestelle des Auswärtigen Amtes die Situation an der Botschaft. Man nehme Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten sehr ernst und gehe jedem konkreten Hinweis unverzüglich nach. „Das Auswärtige Amt und die Botschaft Beirut arbeiten mit Hochdruck daran, die Kapazitäten dem Bedarf anzupassen“, heißt es in einer Stellungnahme, „unter anderem wurde zusätzliches Personal an die Botschaft entsandt“. Man hoffe, dass in der nächsten Zeit kürzere Wartezeiten für Visumantragsteller erreicht werden könnten.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, auch im Auswärtigen Amt.

*Name geändert