Immigrierte Chef's

Marktwirtschaft und Würde

Fachkräftemangel, demografischer Wandel oder Diversity Management. Das sind die Themen von Tobias Busch, Globetrotter und internationaler Personalberater für Führungspositionen. In seiner neuen MiGAZIN Kolumne „Sinodirektoren“ geht er der Frage nach, ob Deutschland auch ohne Einwanderung überleben kann.

Vor einigen Wochen hatte ich privat den stramm marktwirtschaftlichen Vorstandschef einer deutschen Bank zu Gast; er glaubt, Deutschland könne auch ohne Zuwanderung gut überleben. Wenn wir 2050 in Deutschland nur noch 60 Millionen wären, ginge nach seiner Meinung die (deutsche) Welt auch nicht unter: Das Land müsse sich nur rechtzeitig anpassen und auf die neuen Verhältnisse einstellen – wirtschaftlich sei das ohne weiteres möglich.

Egal, ob diese Hypothese stimmt oder nicht: Sicher ist, dass die Deutschen in ihrer überwältigenden Mehrheit aber auch nicht die geringste Bereitschaft haben, sich diesem Anpassungsprozess zu unterwerfen. Denn der hieße: radikale Einsparung bei den Staatsausgaben, ebenso radikaler Umbau der Sozialsysteme, Senkung des Rentenniveaus, Senkung des Lebensstandards für die große Mehrheit und vieles mehr. Dafür gibt es weit und breit keine demokratische Mehrheit; also ist dieser Weg de facto gar nicht existent.

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Frau Nahles bestimmt die Eckpfeiler der Migrationspolitik
Mit jeder zusätzlichen Milliarde, die die neue Koalition zusätzlich ausgibt – und zur Zeit sieht es ja so aus, als sollten das recht viele werden – wird die Notwendigkeit einer massiven Zuwanderung aus rein wirtschaftlichen Gründen größer. Frau Nahles ist in diesem Sinne gerade dabei, weitere Fakten zum Thema Immigrationsbedarf zu schaffen. In einer älter werdenden Gesellschaft mit zu wenig Nachwuchs können die heute Jungen schon die derzeitige Kostenlast nicht mehr alleine stemmen. Wenn es nun noch 50, 100 oder 180 Milliarden mehr werden, wird es immer absurder, die künftigen Lasten einer um ein Viertel kleineren Bevölkerung aufbürden zu wollen.

Die neu zu uns kommenden Immigranten, deren Eltern in 99 % der Fälle keine Rente in Deutschland erhalten, werden den deutschen Altersgenossen helfen, deren Eltern im Alter zu versorgen. Wir sollten gut mit diesen Menschen umgehen, sie gut ausbilden und hoffen, dass sie möglichst lange bleiben.

Chinesen als Führungskräfte
Die kleine Gruppe der jungen Asiaten – vor allem aus China – ist dafür ein gutes Beispiel. Die Chinesen kommen gewöhnlich mit Anfang 20 nach Deutschland, schließen oft in deutscher Sprache ein zweites oder ein Master Studium ab und arbeiten anschließend für einige Jahre hier. Viele unterstützen die eigenen Eltern mit einem Teil ihres Einkommens, alle aber unterstützen – durch ihre Beiträge in die Rentenkasse- die Rentner in Deutschland. Ohne viel Aussicht, von diesem System irgendwann selbst zu profitieren. Niemand kann ernsthaft behaupten, dass diese Menschen die deutsche Wirtschaft nicht stärker machten. Und wenn sie dann eines Tages nach China zurückkehren, profitieren wir noch einmal; weil sie dann dort als bi-kulturelle Manager den deutschen Unternehmen helfen, in China Geld zu verdienen – als sogenannte Sinodirektoren, ohne die sich die Deutschen in China deutlich schwerer tun würden.

Warum nur tun viele Menschen so, als sei es eine soziale Tat, die Immigranten in Deutschland studieren und arbeiten zu lassen? Es ist einfach ein gutes Geschäft – hoffentlich für alle Beteiligten, bestimmt aber für die Deutschen! Die Ausbildung von Einwanderern ist kein Akt der sozialen Fürsorge, sondern enthält einen beachtlichen Anteil Eigennutz.

Hilfe ist gut, Austausch ist besser
Das ist wichtig zu verstehen, weil es auch die Machtverhältnisse betrifft. Wenn jemandem ohne Vorteil für den Helfenden geholfen wird, ist das schön – aber es gibt dem Helfenden oft auch eine Position der Macht. Im Hilfeleisten liegt fast immer auch ein Dulden. Für einen Menschen mit Bedürfnis nach Freiheit und Würde ist es einfach schöner, im gleichberechtigten Austausch zu leben: Wenn jemand seinen Job jederzeit aufgeben kann, weil er oder sie woanders genauso gut oder besser bezahlt wird, ist er freier, als wenn er sich auf den Kündigungsschutz verlassen muss. Als Mitarbeiter möchte ich von meinem Arbeitgeber gebraucht und nicht deshalb geduldet werden, weil er mich nicht loswerden kann. Ebenso als Wohnungsmieter: Wenn ich den Marktpreis für die Wohnung bezahle (und bezahlen kann), bin ich mit dem Vermieter auf Augenhöhe – wenn ich die Mieterschutzgesetze brauche, werde ich ertragen.

Ich persönlich möchte nicht ertragen oder geduldet werden, wenn ich es vermeiden kann – und die meisten anderen auch nicht. In der Migrationsthematik gibt es natürlich beides: die menschliche, soziale Komponente und die wirtschaftliche. Aber so schön es ist, wenn jemand einem hilft, so notwendig und anerkennenswert es ist: Die meisten Menschen sind lieber in einer Situation, in der sie etwas im Austausch erhalten, als auf Hilfe angewiesen zu sein.

Immigration ist gewollt
Ein Geschäft, von dem man profitiert, auch noch als Großzügigkeit darzustellen, ist unredlich und widerlich. Wirtschaftlich beizutragen macht in unserer Gesellschaft für viele Menschen einen wichtigen Teil ihrer Würde aus. Da es in Deutschland keine demokratische Mehrheit zum radikalen Sparen gibt und geben wird, benötigen wir in den nächsten 35 Jahren rund 10 bis 20 Millionen zusätzliche Immigranten. Im Interesse der Deutschen liegt es natürlich, dass diese Menschen möglichst gut ausgebildet, gut motiviert und begabt sind. Aber alle intelligenten Bürger wissen inzwischen, dass diese Leute gebraucht werden. Ausländer rein! titelt das Handelsblatt am 9. 1. 2014. Deshalb fragt man sich bei manchen Tönen aus der wirtschaftsnahen Politik, ob es stärker am Verstand oder am Anstand mangelt.