Doppelte Staatsbürgerschaft

Koalitionsvertrag geht an der Lebensrealität von binationalen Familien vorbei

Für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern entfällt in Zukunft der Optionszwang und die Mehrstaatigkeit wird akzeptiert. Im Übrigen bleibt es beim geltenden Staatsangehörigkeitsrecht, steht im Koalitionsvertrag. Dass dies an der Lebensrealität von binationalen Familien vorbeigeht, zeigt das Beispiel von Katharina und Eric.

Für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern entfällt in Zukunft der Optionszwang und die Mehrstaatigkeit wird akzeptiert. Im Übrigen bleibt es beim geltenden Staatsangehörigkeitsrecht. heißt es im Koalitionsvertrag, den SPD und CDU/CSU für die kommende Legislaturperiode ausgehandelt haben.

„Im Übrigen“ bedeutet, dass Ausländer bei einer Einbürgerung ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben müssen, für sie gilt die Mehrstaatigkeit nicht. Damit geht der Koalitionsvertrag, zumindest in migrations- und integrationspolitischen Fragen, nicht nur an der Lebensrealität von Migranten, wie beispielsweise der älteren türkischen Generation vorbei, die dieses Land mit vorangetrieben haben, sondern auch an der Lebensrealität von binationalen Familien, wie das Beispiel von Katharina und Eric zeigt.

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Im Jahr 2012 war jede 8. Eheschließung in der Bundesrepublik Deutschland eine binationale. Das bedeutet, dass allein im letzten Jahr mehr als 44.000 Menschen ihren Partner grenzübergreifend gefunden haben. Katharina und Eric sind eines dieser binationalen Paare. Sie haben sich bereits 1998 kennengelernt. „Damals war ich 16 und hatte mich gerade von meinem ersten Freund getrennt. Eine neue Beziehung konnte ich mir gar nicht vorstellen“, sagt Katharina, während sie ihre heiße Tasse Tee mit beiden Händen fest umschließt. „Zu der Zeit habe ich ein Sozialpraktikum in einem Krankenhaus in der Hamburger Innenstadt gemacht. Die Nachmittage nutzte ich, um in der Stadt zu bummeln. Eric lernte ich im Frühling kennen.“

Katharina hat ein sanftes Lächeln im Gesicht, als sie von ihm erzählt. Eric floh 1992 als politischer Flüchtling aus Togo. Seine selbstständige und erwachsene Art habe sie an ihm besonders fasziniert. Drei Jahre später heiratete das Paar in Togo. Als sie von der Hochzeit berichtet, wird ihr Gesichtsausdruck ernst: „In Deutschland konnten wir nicht Heiraten. Über ein Jahr lang waren wir fast monatlich beim Standesamt. Das ist eine lange Geschichte.“ Mit einer Handbewegung tut sie die Erinnerung ab.

Katharina flog nur wenige Tage nach der Hochzeit zurück nach Deutschland, sie war damals Studentin und wollte die ersten Vorlesungen im neuen Semester nicht verpassen. Eric konnte erst 8 Monate später im Zuge der Familienzusammenführung einreisen. „Die Monate kamen mir vor wie Jahre. Das Warten und die Ungewissheit, ob und wann die Botschaft das Visum für meinen Mann ausstellen wird, waren eine unglaubliche Belastung für uns“, erinnert sich Katharina an die erste Zeit ihrer Ehe zurück.

Die ersten Jahre lebte Eric mit einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland. Drei Jahre nach der Eheschließung mit Katharina beantragte er eine Niederlassungserlaubnis. Anfang des Jahres bekam Eric dann einen Brief vom 1. Bürgermeister der Stadt Hamburg, Olaf Scholz. Er machte ihn auf die Möglichkeit der Einbürgerung aufmerksam. „Das war das erste Mal, dass wir über das Thema Staatsangehörigkeit gesprochen haben“, erinnert sich Katharina, die durch die Hochzeit mit Eric nicht nur die deutsche, sondern auch automatisch die togolesische Staatsangehörigkeit besitzt.

Eric musste nicht lange überlegen, für ihn sprach eine Reihe von Argumenten für eine deutsche Staatsbürgerschaft: Nicht nur Erics Wohnsitz, sondern auch sein Lebensmittelpunkt ist Deutschland. Zudem ist für Eric, der eine Ausbildung als Verkäufer gemacht hat, mit der Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft die Hoffnung verbunden, dass sich die deutsche Staatsbürgerschaft positiv auf seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt auswirkt. Und auch bei Polizeikontrollen, in die Eric am Hauptbahnhof auf dem Weg von der Arbeit nach Hause oder Abends, wenn er mit Freunden unterwegs sei regelmäßig geriet, verspricht er sich eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Polizeibeamten. „Ein deutscher Personalausweis ist in so einer Situation mehr Wert, als ein togolesischer Pass“, stellt Katharina nüchtern fest und nimmt einen Schluck Tee. Auch die Möglichkeit in Deutschland zu wählen, sei für Eric wichtig. Dazu komme, dass eine Verlängerung des togolesischen Passes sehr teuer sei und ihn bei Verlust zu ersetzen, sei sehr schwierig.

Katharina schaut sich im Café um. Ihr Blick bleibt an einem Bild an der Wand hängen: „Nach London, dahin wollte ich schon immer einmal. Oder nach New York. Eric bekommt mit seinem togolesischen Pass aber nur schwer ein Visum für Großbritannien oder die USA.“ Katharina erzählt, dass sie nie mit ihrem togolesischen Pass reist – auch nicht innerhalb Afrikas. Sie werde als Weiße nicht als Togolesin gesehen, das führe zu Diskussionen, jedes Mal, wenn sie den Pass irgendwo vorlegen muss. Auch bei Museumseintritten in Togo müsse sie – trotz togolesischem Pass – stets den Eintrittspreis für Ausländer zahlen. „Wenn Eric eingebürgert ist und wir nach Togo reisen, dann brauche ich kein Visum, unsere gemeinsame 4-jährige Tochter Sophie, die die deutsche und togolesische Staatsangehörigkeit besitzt, auch nicht. Eric wird der Einzige von uns sein, der ein Visum braucht, um in sein Geburtsland zu reisen“, erklärt Katharina und schüttelt verständnislos den Kopf.

Für Eric sei es ein unangenehmes Gefühl, den deutschen Pass bei der Passkontrolle in Togo vorzuzeigen „Als ob er sein Land verraten habe, als ob die Entscheidung für den deutschen Pass eine Entscheidung für Deutschland und gegen Togo sei. Und als Symbol müsse er den togolesischen Pass abgeben“, versucht Katharina die Situation ihres Mannes zu beschreiben.

Auch viele von Erics Freunden haben sich einbürgern lassen. Im Freundeskreis ist die Einbürgerung aber nichts, worüber gesprochen werde. Der Verzicht auf die togolesische Staatsbürgerschaft zugunsten der deutschen sei nichts, was man öffentlich kundtun möchte. „Eric sagt, er habe sich damit abgefunden, dass er in Togo nicht mehr wählen darf. Auch die Schwierigkeiten, die auf ihn als Deutschen bei einem Landkauf in Togo zukommen, sei er bereit einzugehen.“ Dass es Eric trotz des Passes schwerfallen wird, sich als ausschließlich deutsch zu bezeichnen, ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass Fremdzuschreibungen und fehlende Akzeptanz für ihn als Schwarzen in der deutschen Gesellschaft allgegenwärtig sind. Sein deutscher Pass, den er in wenigen Wochen in der Hand halten wird, decke sich nicht mit dem, wie er sich selbst sehe, nämlich nicht nur als Deutschen, sondern auch als Togolesen.

„Es ist absurd“, fasst Katharina zusammen und wieder umschließen ihre Hände fest ihre Tasse Tee, „Eine Familie: ich, die neben meiner deutschen Staatsangehörigkeit als Ehefrau eines Togolesen auch die togolesische Staatsangehörigkeit besitzt, mit ihr aber nichts anfangen kann. Sophie, die als Tochter einer Deutschen und eines Togolesen beide Staatsangehörigkeiten besitzt und behalten kann und Eric, der mit seiner Einbürgerung seine togolesische Staatsangehörigkeit aufgeben muss – das Familienmitglied mit der stärksten Bindung an Togo und gleichzeitig der einzige von uns der kein Togolese mehr sein darf.“