Buchtipp zum Wochenende

Migration und künstlerische Produktion

Migration hat als Wechsel des Heimatortes Folgen für die Protagonisten, ihre Herkunfts- und Zielländer: Bewegung und Mobilität können Verlust und Gewinn bedeuten, Heimat(en), Sprachen, Geschichten verändern sich. Ein Gespräch mit Burcu Dogramacı:

„Bücher, die die Welt nicht braucht.“ Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?

Burcu Dogramacı: Kaum eine andere gesellschaftliche Bewegung hat ähnlich umfassende Auswirkungen wie die Migration, die von der Soziologie als dauerhafter Wechsel des Wohnortes definiert wird. Dabei wandern nicht nur Menschen, sondern auch Gegenstände, Konzepte und Ideen, sodass von komplexen Transferbewegungen gesprochen werden kann. Das Buch blickt auf die vielfältigen Wechselwirkungen von Migration und Kunst; es folgt der These, dass Einwanderung ein bedeutender Motor künstlerischer Produktion ist. Der Sammelband vereint dabei wichtige aktuelle Forschungsperspektiven zum Thema.

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Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?

Burcu Dogramacı: In den Beiträgen des Buches fokussieren Autoren aus Kunst-, Medien- und Literaturwissenschaft, aus Kulturanthropologie und Soziologie, welche Bedeutung Migration für die künstlerische Produktion hat. Welche Folgen hat es, wenn Künstler ihre Heimat verlassen und in ein neues Land gehen? Wie schreiben sich globale Wanderungen in künstlerischen Arbeiten ein? Kann Migration sich in Kunst abbilden, kann sie ein Movens für eine künstlerische Produktion sein?

Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?

Burcu Dogramacı: Migrationsforschung wurde bislang schwerpunktmäßig in den Sozial-, Politik- und Wirtschaftswissenschaften betrieben. Dabei standen vor allem die ökonomischen Faktoren als Ursache für Migrationsbewegungen sowie deren soziale Auswirkungen im Mittelpunkt der Untersuchungen. In den deutschen und internationalen Kunstwissenschaften ist Migration erst in jüngster Zeit als zentrales Thema der Diskurse und Debatten in den Blick gerückt. Das Buch bringt nicht nur wichtige Forschungsansätze zusammen, sondern bietet zukunftsträchtige Forschungsperspektiven zur Untersuchung von Migration und künstlerischer Produktion.

Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?

Burcu Dogramacı: Gern würde ich das Buch mit Migrationsforschern wie Mark Terkessidis oder Tom Holert diskutieren, wäre aber auch sehr an der Meinung einer Politikerin wie Rita Süssmuth interessiert. Besonders ergiebig wäre sicherlich das Gespräch mit Kunstschaffenden der zweiten Migrantengeneration in Deutschland, wie den Filmemachern Fatih Akin und Ayse Polat oder dem Schriftsteller Selim Özdogan.

Ihr Buch in einem Satz:

Burcu Dogramacı: Die im Buch versammelten Essays diskutieren aus verschiedenen disziplinären Perspektiven die Bedeutung von Einwanderung für künstlerische Produktion und Praktiken, für neue Ideen, Bilder, Methoden und Theorien.