Kopftuchverbot

Der Staat gibt ein schlechtes Vorbild ab

Frauen mit Kopftuch werden auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt, weil viele Arbeitgeber sich fürchten. Das verwundert aber auch nicht. Schließlich gilt der Staat mit seinen gesetzlichen Kopftuchverboten als schlechtes Vorbild.

„Sie tragen ja ein Kopftuch! So können wir Sie nicht einstellen. Was werden denn unsere Kunden von uns denken.“ Völlig sprachlos stand ich da. Einen Satz, den ich nicht so erwartet habe, da ich einen Tag vorher, ein stundenlanges Telefongespräch mit dem Arbeitgeber führte. Ausnahmslos begeistert über meine Schulnoten und die Qualifikationen, die ich ihm zugesandt hatte, lud er mich am nächsten Tag zu einem Probe-Tag in seine Bäckerei ein. Das Abitur war in der Tasche und die Zeit bis zum Start meines Studiums sollte mit einem Aushilfsjob überbrückt werden. Über die Einladung zum Probe-Tag freute ich mich deshalb besonders. Doch ich hatte mich zu früh gefreut.

Völlig vor den Kopf gestoßen, verließ ich nach wenigen Minuten in der Frühe die Bäckerei. In der Schule hatte ich gelernt, dass jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hat und somit seine Meinung frei äußern kann, seinen Glauben frei ausüben kann und demnach die Kleidung tragen kann, die er will, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt. In einem freiheitlich-demokratischen Staat würde niemand in das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen einschreiten. Doch gilt dies anscheinend nicht für Arbeitgeber.

___STEADY_PAYWALL___

In Deutschland sind muslimische Frauen mit Kopftuch oft Diskriminierungen ausgesetzt. Grundsätzlich schlechte Karten haben sie bei der Jobsuche. Obwohl die Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der Religion oder Weltanschauung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verboten ist, bekommen sie es hier am meisten zu spüren.

Berichte von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigen, dass Jugendliche mit einem Migrationshintergrund, trotz eines guten Abschlusses, sich mehr um einen Ausbildungsplatz bemühen müssen, als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Alleine schon ein arabisch- oder türkisch-klingender Name bringt oft Schwierigkeit mit sich und bewirkt erfolglose Bewerbungen.

Besonders stark benachteiligt werden, bei der Ausbildungssuche und beim Eintritt in die Arbeitswelt, Bewerberinnen mit Migrationshintergrund, die ein Kopftuch tragen. Unabhängig von ihren Qualifizierungen, wollen die meisten Unternehmen Frauen mit einem Kopftuch nicht einstellen. Im Vergleich zu ihren Mitbewerbern/-innen ohne Kopftuch werden sie nur ganz selten zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Es wird deutlich, dass der Fokus nicht auf das Potenzial und die Kompetenzen der Bewerberinnen gerichtet ist, sondern auf die ethnische Herkunft, die Religionszugehörigkeit und auf das äußere Erscheinungsbild.

Eine Ursache für Anfeindungen, Diskriminierungen und Voreingenommenheit der Arbeitgeber ist die dauerhafte und festverankerte negative Darstellung des Islam in den Medien. Immer wieder wird diese Weltreligion mit Frauenfeindlichkeit, Rückständigkeit und Gewalt in Verbindung gebracht. Arbeitgeber befürchten deshalb ablehnende Kundenreaktionen und innerbetriebliche Schwierigkeiten. Mit ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Bewerberinnen mit Kopftuch fördern und tolerieren sie das Bild, das von den Medien ausgeht, und verletzen somit das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.

Aber auch die staatliche Abwehrhaltung trägt zu diesen Vorurteilen bei. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Kopftuch-Frage vor 10 Jahren wurde in acht Bundesländern ein Verbotsgesetz gegen religiöse Kleidung von Lehrerinnen und anderen öffentlichen Amtsträgerinnen erlassen. Grund für den Gerichtsbeschluss war, dass das Tragen eines Kopftuchs der Lehrerin die Religionsfreiheit der Schüler beeinträchtigt.

Eine Ausnahme galt jedoch für christliche oder jüdische Symbole, denn für sie wurde in fünf Bundesländern eine Ausnahmeregel erteilt. Nur in Berlin wurden sämtliche religiösen Symbole verboten.

Hier stellt sich die Frage, warum christliche oder jüdische Symbole, wie zum Beispiel eine Kette mit einem Kreuz, dann nicht ebenfalls verboten werden. Während anderen Religionsüberzeugungen verschont bleiben, wird mit dem Verbot einzig und allein der Lehrerin mit einem Kopftuch unterstellt, dass sie nicht in der Lage ist, einen neutralen Unterricht zu gestalten. Unverständlich ist auch, warum in anderen staatlichen Einrichtungen das Tragen eines Tuches unerwünscht ist, obwohl dort keine Gefahr einer Beeinträchtigung besteht.

Wäre es in einem liberalen Rechtsstaat nicht angebracht, wenn der Öffentliche Dienst ein buntes Bild abgibt, in dem auf Vielfalt und Chancengleichheit hingearbeitet wird? Sollte die geforderte religiöse und weltanschauliche Neutralität in der Amtsausübung nicht lieber an Worten und Handlungen, als an Kleidung messen werden?

Die Signalwirkung des Gerichtsurteils ist auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt präsent. Wenn der Staat, der eine Vorbildrolle übernimmt, nicht die Qualifikationen von Bewerberinnen in den Vordergrund stellt, dann ist es kein Wunder, dass privatwirtschaftliche Arbeitgeber dem Folgen.

Betroffene Bewerber/-innen haben die Möglichkeit, gegen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt juristisch Schritte einzuleiten und Schadensersatz zu fordern, doch ob das Problem so aus der Welt geschafft wird, ist zweifelhaft. Offene Dialoge und eine Auseinandersetzung mit dem Thema würden eher zu mehr Toleranz und Verständnis führen. Denn oft werden Diskriminierungen aus Furcht vor einer Diskriminierungsklage im Verborgenen gehalten und gar nicht angesprochen.

Auch neue Bewerbungsmechanismen wie ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren wären sinnvoll und würden zu mehr Chancengleichheit führen. Arbeitgeber dürften dann weder nach einem Foto noch nach dem Namen, das Geburtsdatum oder nach der Angabe zur Herkunft verlangen. Die Qualifikation und Leistung der Bewerberin oder des Bewerbers würde so im Vordergrund stehen. Länder wie die Schweiz, Schweden, die Niederlande und Großbritannien haben bereits Erfahrungen mit anonymisierten Bewerbungsverfahren gesammelt. In Belgien sind anonymisierte Verfahren im Öffentlichen Dienst seit Jahren fest vorgeschrieben. Die Schweden stellten mit dem Verfahren fest, dass sich die Einstiegschancen in die Berufswelt für Frauen und Einwanderer deutlich verbessern. Nur Deutschland hinkt dem Ganzen wieder nach.