Bundestagswahl 2013

Schlechte Wahlbeteiligung schadet der Demokratie

Die Abgeordneten im neuen Bundestag repräsentieren nur noch gut die Hälfte aller Wahlberechtigten. In Wahlkreisen mit hohem Ausländeranteil liegt die Repräsentationsquote des gewählten Direktmandats sogar nur noch bei 13,4 Prozent.

Mit 71,5 Prozent lag die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2013 erneut auf historisch niedrigem Niveau. Nach 2009 (70,8 Prozent) ist das die zweitschlechteste Wahlbeteiligung seit Gründung der Bundesrepublik. Die erhoffte Trendumkehr bei der Wahlbeteiligung wurde verfehlt. „Wir dürfen nicht akzeptieren, dass sich in Deutschland eine große Gruppe dauerhafter Nichtwähler etabliert. Dieser Mangel an Teilhabe schadet unserer Demokratie“, sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, am Donnerstag in Gütersloh.

Niedrige Wahlbeteiligung, die Fünf-Prozent-Hürde und der Anteil nichtwahlberechtigter Ausländer führen laut einer Auswertung der Stiftung dazu, dass die im Deutschen Bundestag gewählten Abgeordneten lediglich 53,6 Prozent aller Einwohner Deutschlands im wahlfähigen Alter repräsentieren bzw. nur 59,5 Prozent aller Wahlberechtigten.

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Geringe Repräsentationsquote
Diese drastischen Repräsentationsverluste der Direktmandate lassen sich am Beispiel Wahlkreis Berlin-Mitte besonders gut veranschaulichen: Hier wurde laut Auswertung der Bertelsmann Stiftung bei der Bundestagswahl 2013 das Direktmandat mit knappen 28,2 Prozent der gültigen Erststimmen gewählt. Bei einer leicht unterdurchschnittlichen Wahlbeteiligung in Höhe von 69,4 Prozent entspreche dieses Direktwahlergebnis einem Stimmenanteil in Höhe von lediglich 19,6 Prozent. „Und berücksichtigt man auch die nicht wahlberechtigten Ausländer in Höhe von gut 30 Prozent der Gesamtbevölkerung im wahlfähigen Alter, lag die Repräsentationsquote des gewählten Direktmandats nur noch bei 13,4 Prozent“, so die Stiftung in ihrem Policy Brief Einwurf.

Damit hat nur etwa jeder achte über 18-jährige Einwohner des Wahlkreises die direkt in den Bundestag gewählte Abgeordnete auch tatsächlich gewählt. Dabei gilt ausgerechnet dieser Wahlkreis als politische Herzkammer des Landes. Von hier aus werden der Bund und das Land Berlin regiert, hier hat der Deutsche Bundestag seinen Amtssitz, hier wählt die Bundeskanzlerin und hier leben viele Abgeordnete, wenn sie in Berlin ihrer politischen Arbeit nachgehen.

Legitimitätsverluste des Parlaments
„Aus der drastisch schrumpfenden Repräsentanz ergeben sich aus Sicht vieler Wähler ernsthafte Legitimitätsverluste des Parlaments“, erläuterte Robert Vehrkamp, Demokratie-Experte der Bertelsmann Stiftung. Gestützt wird diese Einschätzung durch Ergebnisse einer Blitzumfrage zur Bundestagswahl des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Knapp ein Drittel aller Wahlberechtigten schätzen Wahlergebnisse mit geringer Wahlbeteiligung als „undemokratischer“ ein. Nur noch etwas mehr als die Hälfte der Wähler finden, dass die demokratische Legitimation einer gewählten Regierung unabhängig von der Höhe der Wahlbeteiligung ist.

Eine gesetzliche Wahlpflicht einzuführen, lehnen aber nahezu vier Fünftel (79 Prozent) aller Wähler ab. Stattdessen sehen viele Deutsche die Parteien in der Pflicht, wieder für eine stärkere Wahlbeteiligung zu sorgen. Gut die Hälfte der Befragten will die Wahlkampfkostenerstattung für die Parteien von der Höhe der Wahlbeteiligung abhängig machen.

Breitere gesellschaftliche Beteiligung
„Wir brauchen eine breitere gesellschaftliche Beteiligung nicht nur bei Bürger- oder Volksentscheiden, sondern auch bei Parlamentswahlen. Dazu müssen Veränderungen beim Wahlrecht, Parteien und Parlament gleichermaßen beitragen“, betonte Jörg Dräger. Die Erfahrungen aus Ländern mit überdurchschnittlich großer Wahlbeteiligung – wie beispielsweise Schweden und Dänemark – zeigen, dass eine aktive Demokratie eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, denn ein starker gesellschaftlicher Zusammenhalt, eine hohe soziale Homogenität und ein inklusives Bildungs- und Sozialsystem nützen auch der Demokratie. (bk)