Ausländerbehörde

Der Albtraum ausländischer Studenten

Seit sich die Wirtschaft über einen Fachkräftemangel beklagt, fordert die Politik eine Willkommenskultur im Kampf um die besten Köpfe. Doch fühlen sich ausländische Akademiker in Deutschland alles andere als Willkommen, wie eine Studie zeigt.

Wenn es um den Universitätsstandort geht, braucht sich Bayreuth nicht zu verstecken. Die Studien- und Forschungsbedingungen schneiden in Berichten und Rankings regelmäßig überdurchschnittlich gut ab. Die Probleme ausländischer Studenten mit der örtlichen Ausländerbehörde sind aber groß, wie Prof. Bernd Müller-Jaquier und sein Forschungsteam von der Uni Bayreuth herausgefunden haben. In einer wissenschaftlichen Studie attestieren sie der Bayreuther Ausländerbehörde grundlegende Missstände im Umgang mit ausländischen Akademikern.

So bestimmt etwa die Ausländerbehörde, ob ein Student einen Fachwechsel machen darf und nicht die Universität oder der Professor. Eine Rücksprache findet nicht statt – mit kostspieligen Folgen für die ohnehin klammen Studenten. Sie müssen in solchen Fällen wieder ins Ausland reisen und einen neuen Visumsantrag stellen. Der Master-Studentin H. aus China etwa kostete ein Fachwechsel 5.000 Euro und mehrere Monate Zeitverlust.

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Latent aggressiv und schikanös

Auch kommt es der Erhebung zufolge nicht selten vor, dass die Beamten zunächst Zustimmung für einen Antrag signalisieren und die Studenten dann doch abblitzen lassen. Nicht selten müssten sich Mitarbeiter der Universität einschalten, wenn sich die Behörde querstellt. Professor Müller-Jacquier kritisiert vor allem den Umgangston im Ausländeramt. Dort würden „latent aggressiv-schikanöse Kommunikationsformen“ verwendet. Gegenüber dem MiGAZIN erklärte Professor Müller-Jaquier, die Einstellung der Mitarbeiter und des Leiter der Ausländerbehörde der wesentliche Faktor sei.

„Ein Großteil der interviewten Akademiker sieht sich in der Ausländerbehörde als nicht willkommen, oft nicht sachgerecht behandelt und generell in die Rolle des ‚dummen Ausländers‘ verwiesen“, heißt es wörtlich in der Studie. Insgesamt 80 Betroffene haben Müller-Jacquier und sein Forscherteam interviewt und sie kommen zu einem vernichtenden Gesamturteil: Diese Praxis hat System.

Gesetz zu schwer für Amt

Die Stadt Bayreuth wiederum spricht von Einzelfällen. Dem MiGAZIN wurde mitgeteilt, dass die Kritik „sicher nicht alleine in der Tätigkeit der Sachbearbeiter in der Ausländerbehörde begründet“ sei, sondern „seine Ursache in einer sehr schwierigen Rechtslage“ habe. Das Ausländerrecht sei eine ausgesprochen komplexe Materie, die von unterschiedlichen bundes- und landesrechtlichen Vorgaben geprägt sei.

Ein Blick in die Studie zeigt jedoch, dass es die komplizierte Rechtslage alleine nicht sein kann: So befristet die Behörde „manchmal einfach das Aufenthaltsende der Studierenden auf den Abgabetag ihrer Qualifikationsarbeiten, obwohl dieser Prüfungsteil erst nach der nötigen Bewertung durch die Gutachter (2 Monate) oder auch nach einer möglichen Prüfungswiederholung abgeschlossen ist“.

Hohe Dunkelziffer

In einem anderen Fall stellte die Leipziger Behörde einer Studentin aus Russland für ihren Wechsel nach Bayreuth ein Schreiben aus, das als „Übergangsvisum“ dienen soll. Der Sachbearbeiter der Ausländerbehörde Bayreuth akzeptierte dieses Dokument jedoch nicht, nannte die Mitarbeiter der Leipziger Behörde „unwissend“ und warf der Studentin vor, das Schreiben illegal, durch „Geschichten“ erhalten zu haben.

„Die Liste solcher Vorgehensweisen ist lang, und die Dunkelziffer problematischer Entscheidungen muss hoch eingeschätzt werden. Denn viele ausländische Akademiker stellen behördliches Vorgehen nicht infrage – aus Furcht vor der Institution, aus Angst vor noch bedrohlicheren, existenziell relevanten Entscheidungen und aus Unkenntnis ihrer Rechte“, heißt es in der Untersuchung weiter.

Studenten ohne Pass

Äußerst problematisch sei auch, dass ausländische Akademiker der Universität Bayreuth oft monatelang ohne gültige Ausweisdokumente auskommen müssten, weil die Behörde Anträge zeitlich verschleppe und Pässe zu lange einbehalte. Als Folge könnten sich die Betroffenen nicht ausweisen und riskierten zeitaufwendige Polizeikontrollen.

Download: Die Studie mit dem Titel „Ausländische Akademiker und deutsche Behörden. Ein Bayreuther Forschungsprojekt.“ kann hier kostenfrei heruntergeladen werden.

Damit sich die Situation bessert, hat das Bayreuther Forscherteam das Verhalten von Behörden in 14 deutschen Universitätsstädten untersucht und daraus 16 Handlungsempfehlungen formuliert. Wenn die Beamten in den Behörden aber „skeptisch bis ausländerabweisend oder -feindlich eingestellt sind“, erklärte Müller–Jaquier dem MiGAZIN, „nützen Empfehlungen, Anweisungen nichts oder recht wenig.“ Der Abwehrcharakter der gesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt ausländischer Akademiker gebe rechtlich immer etwas her, um Anträge abzuweisen oder hinauszuzögern.

Abschottungskultur gegen Willkommenskultur

Das Bayreuther Forscherteam ist sich sicher: „Solche Praktiken illustrieren realitätsfremde Interpretationen der universitären Prüfungsordnungen durch die Ausländerbehörde und verweisen auf eine abwehrorientierte Grundeinstellung der Verantwortlichen.“

Woher diese Einstellung kommt? Arbeitgebervertreter Peter Clever gab bereits im April dieses Jahres in einem Interview mit dem Deutschlandradio eine mögliche Erklärung: „Wir haben unseren Behörden über Jahrzehnte in eine Abschottungskultur hineinentwickelt. Man hat gesagt: Haltet uns die Leute vom Hals! Die wollen alle nur in unsere Sozialsysteme einwandern! Und jetzt müssen wir deutlich machen, dass wir Fachkräfte benötigen, die wir umwerben müssen! Diese Mentalität in den Köpfen der Mitarbeiter in den Behörden zu verändern, geht nicht von heute auf Morgen.“