Ausländerpolitik in den 80ern (1/9)

„Deshalb erteilen wir jeder Politik eines ‚Ausländer raus‘ eine klare, eindeutige Absage.“

Bonn, 4. Februar 1982. Im Bundestag debattieren die Parteien über Ausländerpolitik – Familienzusammenführung, Assimilation, Einbürgerung, Gettos oder auch darüber, wie man Türken „loswird“. MiGAZIN veröffentlicht in einer neunteiligen Serie die Debatte in voller Länge. Heute: Hans-Eberhard Urbaniak (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Info: Hans-Eberhard Urbaniak (SPD) gehörte dem Deutschen Bundestag 1970 bis 2002 an. Von 2000 bis 2002 war er Alterspräsident des Bundestages.

___STEADY_PAYWALL___

Die Koalitionsfraktionen und die Opposition haben für die heutige Debatte Entschließungsanträge eingebracht. Ich begrüße es außerordentlich, daß dies dem Parlament nach langer Zeit wieder einmal Gelegenheit gibt, die sicherlich brennenden ausländerpolitischen Fragen eingehend zu diskutieren. Seit unserer letzten Debatte gab es eine Reihe von Entwicklungen, die uns Sorge bereiten und die nicht nur die Regierung, die bekanntlich eine Reihe von Entscheidungen getroffen hat, sondern auch den Deutschen Bundestag beschäftigen müssen. In dem Entschließungsantrag der Koalition, den ich hier für meine Fraktion einzubringen habe, machen wir noch einmal unsere ausländerpolitischen Grundpositionen sehr deutlich.

Wir sind, um es gleich vorweg zu sagen – das ist unsere Position -, für Integration und Konsolidierung. Es gibt weder zu der Integrationspolitik noch zu der von der Bundesregierung betriebenen Begrenzungspolitik eine Alternative. Wer sich einer recht verstandenen Begrenzungspolitik verweigert, wird die integrationspolitischen Ziele, wie wir meinen, verfehlen. Wir haben das in unserem Entschließungsantrag ganz klar herausgestellt. Er sieht, wie ich meine, im Gegensatz zum Oppositionsantrag beide Bereiche in einem ebenso ausgewogenen wie untrennbaren Zusammenhang. Wenn eine dieser beiden tragenden Säulen der Ausländerpolitik bricht, stürzt das ganze Gebäude. Gerade diese ausländerpolitische Sicht ist auf Grund einiger Entwicklungen in den letzten Jahren noch unabdingbarer geworden. Ich greife nur einige Daten heraus.

Allein in den letzten drei Jahren hat sich die ausländische Wohnbevölkerung um mehr als 600 000 erhöht. Das ist die Bevölkerung einer Großstadt. Deutliches Zeichen dafür ist die Zuwanderung, die nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu den Abwanderungen steht. In früheren Jahren hatten wir hier eine stärkere Abwanderung, soweit sich Konjunkturbewegungen negativer Art bei uns ergeben haben. Die Bereitschaft zur Rückkehr war weitaus größer. Dennoch stellen wir heute fest, daß es in den Ländern, aus denen diese Menschen zu uns gekommen sind, wohl überhaupt keine oder nur ganz geringe wirtschaftliche Perspektiven gibt. In den Jahren, die wir gerade in dieser Zuwanderungsbewegung besonders zu beachten haben, ist dafür gesorgt worden, daß sich die Zahl der Ausländer bei uns durch den Anwerbungsstopp stabilisierte.

„Bei der gegenwärtigen Situation können wir auf die Mitarbeit dieser Ausländer nicht verzichten.“

Besonders zu beachten ist die Struktur der Zuwanderung nach Altersgruppen, handelt es sich doch per saldo fast ausschließlich um Kinder und Jugendliche, die im Rahmen des Familiennachzuges zu uns gekommen sind. Ihre Zahl erhöhte sich zwischen 1974 und 1981 um 400 000. Wenn man berücksichtigt, daß sich hierunter – insbesondere nach Abschaffung des sogenannten Stichtages – eine große Zahl von Späteinsteigern befindet, so wird sicherlich deutlich, vor welchen Problemen wir in unserem Bildungssystem stehen und welche Anstrengungen hier notwendig sind. Während eine deutliche Abnahme der Zahl der hier tätigen Ausländer mit bestimmten Nationalitäten in den letzten Jahren registriert werden konnte, erhöhte sich die Zahl der türkischen Wohnbevölkerung gegenüber 1974 um mehr als eine halbe Million. Uns allen ist bekannt, daß wir gerade bei dieser Bevölkerungsgruppe vor besonders schwierigen integrationspolitischen Problemen stehen. Das spüren wir vor allen Dingen in den Ballungsgebieten, in den Städten und in den Gemeinden.

In einer insgesamt schwierigen Beschäftigungssituation sind die Ausländer schon seit längerem in ganz besonders hohem Maße auch von Arbeitslosigkeit betroffen. So betrug ihre durchschnittliche Arbeitslosenquote im Dezember 11 %, bei den Türken sogar 14 %. Dennoch muß man feststellen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Der deutsche Bergbau lebt von ihnen. Von den 100 000 im Steinkohlenbergbau unter Tage Beschäftigten sind fast 23 000 Ausländer, darunter 87 % Türken. In der Autoindustrie lebt Ford in Köln von ihnen, wie wir meinen. Dort haben wir über 26 000 Mitarbeiter. Davon sind 10 000 ausländische Arbeitnehmer, darunter 80 % Türken. Ähnlich ist die Situation in Rüsselsheim. Wir wissen auch, daß viele Ausländer verschiedener Nationalität in den Gaststätten tätig sind. Viele schwere Arbeiten werden in den Städten von ausländischen Arbeitnehmern verrichtet; bei der gegenwärtigen Situation können wir auf die Mitarbeit dieser Ausländer nicht verzichten. Auf der Werft Blohm + Voss in Hamburg gibt es 1700 Ausländer, darunter 1 000 Türken. So können wir generell sagen, daß es trotz der Situation im Bereich der Arbeitslosigkeit in unserem Lande eine ganze Reihe von Branchen gibt, in denen wir, wenn die Ausländer dort nicht mehr beschäftigt würden, die Lücke mit eigenen Kräften wohl nicht schließen können. Die Ausländer tragen in diesen Branchen entscheidend dazu bei, daß die Konkurrenzfähigkeit und das Absatzfeld für die dort produzierten Güter auch erhalten bleiben.

Wir kennen die starken räumlichen Konzentrationen, die eine angemessene Eingliederung in Beruf und Gesellschaft erfordern. Vor diesem Hintergrund ist unsere ausländerpolitische Grundposition der Integration und Konsolidierung zu sehen.

„Für uns ist Integration bestmögliche Eingliederung des Ausländers in Gesellschaft und Beruf. In der aktuellen Situation lege ich gerade auf das letzte Wort großen Wert. Wir haben, wie ich meine, für unsere ausländischen Arbeitnehmer eine hohe beschäftigungspolitische Verantwortung übernommen, der wir uns nicht entziehen können. Deshalb erteilen wir jeder Politik eines „Ausländer raus“ eine klare, eindeutige Absage.“

Zunächst einige Bemerkungen zur Integration: Für uns ist Integration bestmögliche Eingliederung des Ausländers in Gesellschaft und Beruf. In der aktuellen Situation lege ich gerade auf das letzte Wort großen Wert. Wir haben, wie ich meine, für unsere ausländischen Arbeitnehmer eine hohe beschäftigungspolitische Verantwortung übernommen, der wir uns nicht entziehen können. Deshalb erteilen wir jeder Politik eines „Ausländer raus“ eine klare, eindeutige Absage.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Diese beschäftigungspolitische Verantwortung besteht natürlich ganz besonders gegenüber der groben Zahl von ausländischen Jugendlichen, die hier in unserem Lande geboren und aufgewachsen sind. Überhaupt ist es für uns wichtig, einen Schwerpunkt in unseren integrationspolitischen Bemühungen bei der zweiten, j a zum Teil schon der dritten Generation der Ausländer zu setzen. Hier bedarf es noch weiterer erheblicher Anstrengungen, insbesondere – ich erwähnte es schon – im Bereich des Bildungssystems. Hierzu enthält unser Entschließungsantrag klare Aussagen an die entsprechenden Adressaten der öffentlichen Hand. Das sind vor allem die Länder. Die vom Bund eingeleiteten Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und sozialen Eingliederung junger Ausländer müssen weiter ausgebaut werden. Ich hoffe, daß hierfür auch hinreichende Finanzmittel zur Verfügung stehen. Nach Durchsicht des Bundeshaushalts 1982 können wir uns bei den Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsausschusses und des Arbeitsministeriums bedanken, daß die Ansätze für diese Arbeit ausgeweitet werden konnten. Zu den MBSE können wir feststellen: Seitdem diese Maßnahmen laufen, gibt es tatsächlich gute berufliche Chancen für jugendliche Ausländer. Man kann sich nur dazu beglückwünschen, daß sowohl das Ministerium wie auch wir Abgeordnete diese Maßnahmen erfunden und finanziell so ausgestattet haben, daß sie heute gut praktiziert werden können. Sonst wäre die Arbeitslosigkeit unter den jungen ausländischen Arbeitnehmern noch viel größer.

(Beifall bei der SPD)

Besonderen Wert legen wir auf die weitere Absicherung des aufenthaltsrechtlichen Status. Wir begrüßen es daher, daß der Bundesminister in diesem Jahr den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ausländergesetzes vorlegen wird, durch das das Ermessen der Ausländerämter bei der Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und insbesondere der Aufenthaltsberechtigung eingeschränkt wird. Bei allem Erfolg der ausländerrechtlichen Regelung von 1978 macht doch das starke Auseinanderklaffen der rechtlichen Absicherung bei der Arbeitserlaubnis und bei der Aufenthaltserlaubnis deutlich, daß im aufenthaltsrechtlichen Bereich noch eine Reihe von großen Unsicherheiten besteht. Da wollen wir diese Lücken schließen, vor allen Dingen durch klare Rechtspositionen.

Einbürgerung ist der formale Abschluß der Integration. Sicher sind damit für den Neubürger noch nicht alle Integrationsprobleme gelöst. Auf der anderen Seite sind aber die Weichen dann für alle zukünftigen Lebensentscheidungen richtig gestellt. Die labile Entscheidungslage, in der sich mancher Ausländer zwischen Verbleibe – und Rückkehrwunsch befindet, ist dann ein für allemal und auch für die nachfolgende Generation gelöst.

Wir halten es daher für außerordentlich wichtig, daß vor allem der jungen Generation ein besonderes Einbürgerungsangebot gemacht wird, wie dies in dem vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Ausdruck kommt. Ich betone, daß wir sagen: Angebot zu einem freiwilligen Schritt, über den die davon Betroffenen selber entscheiden müssen. Sie haben das Angebot zu prüfen und daraus ihre Schlüsse zu ziehen.

„Einbürgerung ist der formale Abschluß der Integration. Sicher sind damit für den Neubürger noch nicht alle Integrationsprobleme gelöst. Auf der anderen Seite sind aber die Weichen dann für alle zukünftigen Lebensentscheidungen richtig gestellt.“

Schließlich noch ein Wort zur Beteiligung der Ausländer an den politischen Entscheidungsprozessen. Wir alle sind wohl der Meinung, daß die Zeit für die Einräumung des kommunalen Wahlrechts noch sehr verfrüht ist. Ich könnte mir vorstellen, daß es viel richtiger wäre, eine Lösung dieser Frage in der Europäischen Gemeinschaft zu erreichen. Wir sollten aber ebenso einer Meinung sein, daß auf dem Gebiet einer tätigen Mitarbeit ausländischer Bürger in Beiräten, Kommissionen, als Sachverständige auf gemeindlicher Ebene noch sehr viel mehr getan werden kann und muß.

Die Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden, mit den Kirchen, den Gewerkschaften, den Nachbarschaftshilfen und den positiven Initiativen, die wir im Lande vorfinden, begrüßen wir außerordentlich. Denn gerade diese Einrichtungen haben sich auf einem schweren Feld bisher in hervorragender Weise bewährt. Wir wollen ihnen an dieser Stelle Anerkennung und Dank für ihre Arbeit aussprechen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Auch hier danke ich dem Haushaltsausschuß, der die finanzielle Ausstattung dieser Institutionen ausgeweitet hat, damit die schwere Arbeit nicht unter den finanziellen Gegebenheiten leiden muß.

Wir dürfen aber auch feststellen, daß die Mitarbeit im Bereich der Arbeitswelt sich doch anders stellt. Hier arbeiten deutsche und ausländische Arbeitnehmer in sehr guter Weise zusammen. Ausländer wie Deutsche sind gut gewerkschaftlich organisiert und arbeiten in gewerkschaftlichen Institutionen, bei den Vertrauensleuten. Es hat sich als richtig erwiesen, daß wir 1972 im Betriebsverfassungsgesetz die Entscheidung getroffen haben, den ausländischen Mitarbeitern über die Vertretung in den Betriebsräten Möglichkeiten zu eröffnen. Hier haben wir in der Zwischenzeit schon eine langjährige Mitarbeit in Form des Betriebsrats festzustellen. Das hat sich bezüglich Verständigung und Abschleifung von Schwierigkeiten in den Betrieben und Unternehmen sehr gut entwickelt. Sie sehen: Die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung haben schon 1972 ihre entsprechende Vorstellung realisiert.

Das sind die Schwerpunkte unserer Integrationspolitik. Nun zur Konsolidierungspolitik, von der ich sagte, daß sie bei Vernachlässigung der integrationspolitischen Anstrengungen ins Leere ginge. Beide Punkte sind zu beachten. Ich möchte nur das Wichtigste herausstellen.

„Wir alle sind wohl der Meinung, daß die Zeit für die Einräumung des kommunalen Wahlrechts noch sehr verfrüht ist. […] Wir sollten aber ebenso einer Meinung sein, daß auf dem Gebiet einer tätigen Mitarbeit ausländischer Bürger in Beiräten, Kommissionen, als Sachverständige auf gemeindlicher Ebene noch sehr viel mehr getan werden kann und muß.“

Es soll in diesem Hause keinen Zweifel daran geben, daß der Anwerbestopp uneingeschränkt aufrechtzuerhalten ist. Das gilt ohne Wenn und Aber auch für die Ablehnung eines Saisonstatuts, durch das so manche Branche und so manche Länderinitiative vor einiger Zeit Verwirrung gestiftet haben. Einige Branchen fordern Ausnahmen und bestürmen uns diesbezüglich weiter. Wir wollen und müssen, um auf dem Felde der Integration noch besser voranzukommen, klar beim Anwerbestopp bleiben. Ausnahmen sind nicht möglich.

Wir stellen uns uneingeschränkt hinter die Maßnahmen der Bundesregierung für eine sozial verantwortliche Steuerung des Familiennachzugs und hoffen, daß die Länder dies geschlossen mitmachen. Wir akzeptieren nicht solche Ausrutscher, wie sie sich z. B. in Berlin ereignet haben, wo die Opposition im Abgeordnetenhaus die scharfen Spitzen aus dem Erlaß herausnehmen konnte. Dafür danken wir besonders unseren Kollegen im Abgeordnetenhaus des Landes Berlin.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Regierung gehen wir davon aus – auch das gehört dazu -, daß in Beratungen mit der Türkei und entsprechenden Verhandlungen der EG eine Regelung gefunden werden muß, die nicht zu einem Neuzugang türkischer Arbeitnehmer in das Bundesgebiet führt. Wir wären damit völlig überfordert; denn die Belastungsgrenze – das müssen wir auch den Staaten sagen, um die es hier geht – wäre damit überschritten. Das wäre für beide Bevölkerungsteile in unserem Lande unverantwortlich und liefe jeder Integration entgegen.

Mit der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und des illegalen Aufenthalts von Ausländern muß nunmehr im Verein aller beteiligten Behörden wirksam begonnen werden, nachdem der Bundesgesetzgeber das Seine getan und das Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung verabschiedet hat.

Dies, meine Damen und Herren, waren einige wichtige Hinweise zur Bestimmung unserer Position. Ich möchte allerdings noch bemerken, daß natürlich auch die Regierungen der hier in Frage kommenden Länder eigene Anstrengungen unternehmen müssen, um diesen Menschen, die eigentlich ihre Mitbürger sind, die Rückkehr zu ermöglichen und sie zur Rückkehr bereit zu machen. Sie müssen in ihrem Land den eigenen Bürgern ausreichende Lebensverhältnisse und der jungen Generation eine berufliche und wirtschaftliche Perspektive geben. Dazu muß man alles tun, vor allen Dingen auch, wie ich meine, in der Türkei.

Unser Antrag spricht auch das Asylproblem an, von dem wir meinen, daß es von der Problematik der ausländischen Arbeitnehmer mit ihren Familien sorgfältig getrennt werden muß. Eine Vermengung dieser Bereiche wäre unverantwortlich und schädlich. Da wir im Bundestag ja zur Zeit gesetzliche Regelungen behandeln, sage ich noch einmal

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Verzögern!)

– dazu wird sehr klar Stellung genommen werden -: Bitte vermengen Sie diese Probleme nicht, damit wir diese beiden Bereiche in ordentlicher Weise behandeln und hier vorankommen können. Für die Lösungsvorstellungen wäre es nur schädlich. Ich kann insofern nur an die Opposition appellieren.

(Beifall bei der SPD – Dr. Bötsch [CDU/ CSU]: Sie müssen an Ihre Minister appellieren!)

Zunächst darf ich zu Ihrem Entschließungsantrag feststellen, daß in der Opposition seit Dezember offensichtlich ein Lernprozeß stattgefunden hat. Wir hatten uns schon gewundert, warum Sie mit Ihrem Antrag nicht so recht herübergekommen sind. Die Verschiebung des Termins für diese Debatte hat nun doch dazu geführt, daß Ihr Antrag wesentlich ausgewogener wurde und nicht nur, wie das ursprünglich ja wohl entworfen war, mit dem Holzhammer der Begrenzungspolitik gearbeitet wird. So bin ich in der Lage, in dem Oppositionsantrag manches Gemeinsame zu entdecken, so in den Fragen des Anwerbestopps, der illegalen Beschäftigung, der EG -Assoziierung, aber auch in manchen Vorschlägen zur Integrationspolitik.

Übereinstimmung sehe ich auch hinsichtlich der These, daß der Aufenthalt zur Ausbildung und zum Studium nicht zur Dauerniederlassung führen darf. Das liefe auch unseren immer wieder erklärten entwicklungspolitischen Zielen zuwider.

Keinen Dissens gibt es hinsichtlich der Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung und der Sozialdienste. Wir hoffen in diesem Zusammenhang allerdings sehr, daß das auch für die CDU/CSU -regierten Länder ein Ansporn sein wird, sich mehr als bisher etwa an der Finanzierung von Intensivsprachkursen oder des Sozialberaternetzes zu beteiligen. Es geht doch nicht an, daß sich ein Land wie Niedersachsen nur mit 10 % an den Kosten der dort tätigen Sozialarbeiter und -berater beteiligt.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Leider enthält der Oppositionsantrag auch manches Trennende. Wir stimmen nicht mit der These überein, daß es für die Einbürgerung insbesondere von jugendlichen Ausländern bereits ausreichende Regelungen gebe.

„Übereinstimmung sehe ich auch hinsichtlich der These, daß der Aufenthalt zur Ausbildung und zum Studium nicht zur Dauerniederlassung führen darf. Das liefe auch unseren immer wieder erklärten entwicklungspolitischen Zielen zuwider.“

Für zynisch halten wir die Formulierung zum Familiennachzug. Meint die Opposition wirklich ernsthaft, daß die Zusammenführung von Familien in erster Linie durch Förderung der Rückkehr in die Heimat bewirkt werden soll?

Schließlich haben wir auch die Aussagen zur nationalen Identität der Ausländer – was immer damit gemeint sein mag – als sehr widersprüchlich zu erkennen. Sind nun die Bemühungen der Ausländer um Erhaltung ihrer Nationalität anzuerkennen oder ist die Wahrung der nationalen und kulturellen Eigenständigkeit, wie es bei Ihnen im Antrag später heißt, weder möglich noch wünschenswert?

Noch etwas zu einem Satz der Begründung, den wir so auf gar keine Weise hinnehmen können. Sie machen in Ihrem Antrag die Bundesregierung und damit auch uns für die derzeitige Situation verantwortlich.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Welche Regierung hat denn aber die zahlreichen Anwerbevereinbarungen mit den Herkunftsländern der Ausländer geschlossen?

(Spranger [CDU/CSU]: Das war in den 60er und 70er Jahren! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Da gab es keine Arbeitslosigkeit!)

Welche Regierung hat denn in großem Umfang diese Ausländer aus beschäftigungspolitischen Gründen ins Land geholt? Wir haben doch keine neue Anwerbung beschlossen. Ich stelle das nur fest mit Blick auf den historischen Ablauf. Das werden Sie anerkennen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Sie wissen auch, daß Ihr Vorwurf, die Bundesregierung habe keine ausländerpolitische Konzeption, ebenso unbegründet ist. Oder haben Sie etwa die Beschlüsse der Bund -Länder -Kommission von 1977 und die Beschlüsse der Bundesregierung vom März 1980 zur Weiterentwicklung der Ausländerpolitik gar nicht gelesen? Wie viele Anstrengungen waren denn nötig, um zu einem Konsens mit den Ländern zu kommen! Die Koalitionsfraktionen haben doch die Bund -Länder -Kommission und die Ministerrunde immer gedrängt, zu einem Gleichklang in diesen Fragen zu kommen.

„Für zynisch halten wir die Formulierung zum Familiennachzug. Meint die Opposition wirklich ernsthaft, daß die Zusammenführung von Familien in erster Linie durch Förderung der Rückkehr in die Heimat bewirkt werden soll?“

Meine Damen und Herren, viele Probleme der Ausländerpolitik liegen auf der Hand und erlauben bereits jetzt grundsätzliche Aussagen, wie wir sie Ihnen mit unserem Entschließungsantrag vorgeschlagen haben. Eine ganze Reihe von Problemen sollte jedoch noch weiter vertieft werden. Daher haben die Koalitionsfraktionen eine Große Anfrage an die Regierung gerichtet. Wir hoffen, daß wir daraufhin umfangreiches Material haben werden, auf Grund dessen wir im Frühsommer eine weitere Debatte über Einzelheiten der Ausländerpolitik führen können.

Meine Damen und Herren, ich habe es in der Vergangenheit immer begrüßt, daß zwischen den Parteien und auch zwischen den gesellschaftlichen Gruppen – von den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden bis hin zu den Kirchen und den Wohlfahrtsverbänden – ein sehr weitgehender Grundkonsens in der Ausländerpolitik vorhanden war. Ich halte das für außerordentlich wichtig. Dies ist ausbaufähig. Ausländerpolitische Grundsatzentscheidungen sollten auch im Hinblick auf eine wachsende Abwehrhaltung in der Bevölkerung von allen Beteiligten – auch von uns – gemeinsam getragen werden.

Ich meine, es müßte möglich sein, daß auch die Opposition zu diesem Grundkonsens zurückkehrt. Wir haben uns bemüht, mit unserem Entschließungsantrag ausländerpolitische Prioritäten zu setzen, die eigentlich auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, akzeptiert werden müßten. Ich hoffe daher, daß der Koalitionsantrag nach Beratung in den Ausschüssen eine breite Zustimmung findet.

Wir alle – das möchte ich am Schluß sehr klar feststellen – sind gefordert, der Ausländerfeindlichkeit entschieden entgegenzutreten

(Zustimmung bei der SPD)

und sie abzuwehren. Dazu fordere ich Sie auf.

(Beifall bei der SPD und der FDP)