Im Namen der Freiheit?

Macht „Die Achse des Guten“ Hass gegen Migranten salonfähig?

Die Internetseit „Achse des Guten“ des Publizisten Henryk M. Broder hat sich nach eigenen Angaben die Freiheit auf die Fahnen geschrieben. Doch, was ursprünglich als liberale Idee begonnen haben mag, ist mittlerweile auf merkwürdige Abwege geraten.

Blogger und Echtzeitpublizisten leisten mittlerweile einen bemerkenswerten Beitrag zur Medienvielfalt in Deutschland. Portale wie die „Ruhrbarone“ und „Der Postillon“ genießen regionale mitunter sogar landesweite Aufmerksamkeit.

Besondere Bedeutung haben echtzeitpublizistische Netzwerke jedoch in der migrantischen community erreicht: Lange Jahre vermochten die Vertreter der Einwanderungsgesellschaft keine ausreichende Repräsentation in den großen Medien des Landes zu finden und auch die Themen der diversitären Gesellschaft wurden kaum in den großen Blättern und TV-Sendern abgebildet- zumindest nicht, wenn sie nicht gängige Klischees über Ausländer bedienen wollten und aus Sicht der Betroffenen erzählt wurden.

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Die „Blogosphäre“ hat diesen unbefriedigenden Zustand wesentlich verbessert und der multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft Wort und Stimme gegeben. Hiervon zeugen nicht nur das DeutschTürkische Journal, sondern auch Formate wie Integrationsblogger. Diese Entwicklung ist hocherfreulich und hat große Bedeutung für das Informationsangebot einer immer komplexeren Gesamtgesellschaft, die ihre Fähigkeiten zur Diversität in vielen Punkten noch optimieren muss.

Doch das Internet wäre nicht das Internet, wenn sich unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit nicht auch eine Gegenbewegung zu offenen Gesellschaft etablieren könnte. Tatsächlich sind nicht nur die sozialen Netzwerke voller Hasstriaden gegen den Islam, gegen Türken, „Kopftuchmädchen“ und Ausländer. Vielmehr haben sich auch mehr oder minder professionell geführte Portale formiert, die mit teils pseudowissenschaftlichem Eifer die Gefahren zu belegen versuchen, die dem christlichen Abendland von einer vermeintlichen „Überfremdung“ und „Islamisierung“ drohen. Was auf Webseiten wie „PI News“ verbreitet wird, ist kaum weniger als Anstachelung zum Rassenhass. Das inhaltliche und stilistische Niveau dieser Publikationen ist in aller Regel so beschämend, dass deren Strahlkraft kaum über die notorischen Zirkel rechtspopulistischer Verschwörungstheoretiker hinausreicht.

Etwas anders verhält es sich mit dem Portal „Achse des Guten“ des Publizisten Henryk M. Broder. Das Autorenkollektiv hat sich nach eigenen Angaben die Freiheit auf die Fahnen geschrieben und sucht den Anschluss an liberalkonservative Kreise, denen braunes Gedankengut fern liegt. Doch, was ursprünglich als liberale Idee begonnen haben mag, ist mittlerweile auf merkwürdige Abwege geraten.

Immer häufiger kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Freiheit die Broder meint, nicht die Freiheit der anderen und damit die Freiheit aller (!) Menschen ist, sondern vielmehr ein Freiheitsbegriff, der sich auf Intoleranz und Abgrenzung stützt. Broder und die seinen argumentieren mittlerweile konsistent im Stile jener islamophoben „Panikmacher“ (unter Bezugnahme auf das gleichnamige Buch des FAZ-ehemaligen Feuilletonchefs Patrick Bahners), die hinter jedem Moscheebau die Errichtung eines „europäisches Kalifat“ wittern. Mit manchmal abenteuerlichen, aber fast immer irrationalen Thesen wird insinuiert, der Islam sei im Kern eine totalitäre Ideologie und somit eine Gefahr.

Mit dieser Ausrichtung ist die „Achse des Guten“ nolens volens zum Stichwortgeber der rassistischen Rechten avanciert. Das ist schlimm. Schlimmer jedoch erscheint, dass die verantwortlichen Redakteure um diese zweifelhafte Rolle wissen, sich aber nahezu kein Abgrenzungsbedürfnis zu einer Szene erkennen lässt, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird.

Der apologetische Tenor des „Ach-Gut“-Autorenkollektiv lautet, man könne ja nichts dafür, von wem man Beifall bekomme (auch diese Logik scheint man sich bei Thilo Sarrazin abgeschaut zu haben). Man wäscht die Hände in Unschuld und übt sich in Relativierungen.

Doch so einfach kann man es sich machen: Der Jubel der falschen Leute hat sich bisher (leider) als sehr zuverlässiger Seismograph erwiesen und spätestens, wenn der Jubel dieser rechten islamophoben Szene zur eigentlichen Geschäftsgrundlage wird (wiederum lässt Sarrazin grüßen), bewegt man sich jenseits der Grenzen demokratischer Verantwortung.

Die pseudoseriös fundierten Angriffe auf muslimische Minderheiten und der dadurch ausgelöste Beifall rechter Wutbürger ist zum Treibstoff für die Publizität der „Die Achse des Guten“ geworden und als solcher unentbehrlich. Darum tun Broder und die seinen mittlerweile nichts, aber auch gar nichts mehr, um sich und ihr Portal gegenüber rechten Kreisen abzugrenzen. Ganz im Gegenteil übt man sich sogar in peinlichen Apologien: So entblödete sich Broder nicht, den PI NEWS zu bescheinigen, sie seien im Vergleich zu so mancher Wortmeldung aus der islamischen community doch fast „brave Sängerknaben“. Das ist nicht einmal mehr Verharmlosung, das ist Anbiederei.

Doch den Beifall der Islamhasserszene kann man sich nur erhalten, wenn man die Eskalationsspirale jeden Tag jeden Tag aufs Neue ein Stück weiter dreht. Von einer absoluten Verrohung zeugen beispielsweise die jüngsten Entgleisungen von Akif Pirinçci, der von Broder offenbar ermuntert wird, als vermeintlicher „Kronzeuge“ der Islamkritik zu agieren. Mit seinem Text „Das Schlachten hat begonnen“ versucht Pirinçci ernsthaft, die These zu streuen, in Deutschland ereigne sich ein von Migranten organisierter Massenmord an der deutschen Bevölkerung. Auch seien die meisten Vergewaltiger in Europa Muslime.

Nennen wir es beim Namen: Die menschenverachtenden Inkriminierungen des Autors bieten eine ideale Argumentationshilfe für jeden Neonazi, der präventive Lynchjustiz an Muslimen schlicht und einfach als „Notwehr“ auffassen möchte.

Noch dümmer und bösartiger kann man nicht mehr argumentieren, tiefer nicht mehr fallen. Auch einige noch verbliebene Liberale sahen sich zu Protest genötigt. Dieser Protest wurde übergangen. Pirinçci hat inzwischen weitere Artikel in diesem Stile nachgelegt.

Die „Achse des Guten“ hat sich nach rechts außen verschoben und ist längst kein liberales Portal mehr. Pragmatiker der Mitte, die auf der Suche nach Lösungen sind, ziehen sich angesichts der immer schauderlicheren Entgleisungen zurück. Liberal sein ist auch immer eine Frage des Stils. Und hier offenbaren sich bei der „Achse des Guten“ eklatante Defizite. Mittlerweile geht es vielen Autoren nur noch darum, sich in jeder Hinsicht zu enthemmen und die dünne Firnis von Zivilisation und Aufklärung vollends abzustreifen. Toleranz, Pluralismus und die Idee der offenen Gesellschaft, allesamt konstitutiv für den Liberalismus, haben keine Heimstatt mehr auf diesem Portal. Liberale sind gut beraten sich gegen dieses Portal abzugrenzen, das seinerseits jede Abgrenzung nach rechts meidet und stattdessen nach dem Beifall der Islamhasserszene heischt.

Soll unsere Gesellschaft eine freie und offene bleiben, soll unsere politische Kultur nicht einer allgemeinen Verrohung anheimfallen, dann darf Hass nicht salonfähig werden. Doch genau das passiert, wenn angesehene Publizisten hinnehmen, dass geistige Brandstiftung über ihr Medium in die Mitte der Gesellschaft eindringt.