Ali Konkret

Türkische Medien beim NSU-Prozess: Karlsruhe erspart uns die Blamage

Wochenlang kochten die Emotionen rund um den bevorstehenden Prozess gegen das NSU-Mitglied Beate Zschäpe in München hoch, noch bevor auch nur eine Seite der Anklage verlesen wurde.

Das unwürdige Hickhack um die Vergabe von Plätzen zur Medienberichterstattung durch das OLG München, wobei türkische Medien leer ausgingen, hat Deutschland international ziemlich alt aussehen lassen. Wie gut, dass uns das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nach der Klage der türkischen Zeitung „Sabah“ eine Blamage in Zeitlupe erspart hat!

Karlsruhe als moralische Feuerwehr
Dass das Bundesverfassungsgericht jetzt mal wieder eingreifen musste, ist kein Einzelfall. Schon öfter mussten die Richter in den roten Roben korrigierend tätig werden, wenn juristisch und politisch etwas daneben lief. So z.B. kassierte Karlsruhe 2005 die so genannte „Rasterfahndung“ gegenüber Personen mit muslimischem Hintergrund, wobei in NRW das Landeskriminalamt über die Einwohnermeldeämter und Hochschulen spezielle Daten besagter „Zielgruppe“ zum Zwecke der Anti-Terrorbekämpfung überprüfte, ohne dass die Betroffenen bis dahin etwas ahnten. Wie gut das der Rechtsstaat wachsam ist.

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Das „Urteil von oben“
Im Falle des Streites um den medialen Zugang türkischsprachiger Medien zum NSU-Prozess erwies sich der Klageweg als einzige noch mögliche Instanz, nachdem sich das OLG beharrlich hinter seiner eigenen Hausordnung versteckt hat, ohne auch nur ein Stückchen den gesellschaftspolitischen Sprengstoff zu erkennen. Dass andere Gerichte, wie z.B. beim Prozess gegen den schweizerischen Wetterexperten Jörg Kachelmann, vorsorglich Plätze für Zeitungen aus der Schweiz reservierten, macht das Verhalten des OLG München noch unverständlicher. Jetzt muss das OLG das „Urteil von oben“ zufriedenstellend umsetzen und mindestens drei weiteren ausländischen Pressevertretern Zugang gewähren. Um weiteren Fettnäpfchen aus dem Weg zu gehen, gönnt sich das OLG München erst einmal eine Verschiebung des Prozesses auf den 6. Mai 2013.

Regierung kritisiert aus der zweiten Reihe
Nun könnte man meinen, dass sich wenigstens Bundeskanzlerin Merkel mit eindringlichen Appellen an das OLG München gewandt hätte. Stattdessen gab es eher kurzsilbige Statements von Regierungssprecher Seibert über den Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz.

Dass dann doch Regierungsvertreter aus der zweiten Reihe die Platzvergabepraxis des OLG München kritisierten, dürfte viele Menschen aus der Migrantencommunity kaum noch erreicht haben. Das hätte eigentlich „Chefinnensache“ sein müssen!

Die Welt schaut genau hin
Umso genauer schauen jetzt viele Menschen in Deutschland, in der Türkei und weltweit zum Prozessstart nach München, um zu erleben, wie die deutsche Justiz mit einem der grausigsten, rassistisch motivierten Verbrechen der letzten Jahrzehnte umgeht.
Zwar hat Karlsruhe Deutschland vor einer größeren Blamage bewahrt, eine Impfung gegen künftige war das allerdings nicht!