V-Mann Felten

Nichts dazu gelernt

Nachdem sich die Exekutive und die Politik bei der NSU – Mordserie bis auf die Knochen blamiert hat, versucht sich die Jurisdiktion daran, dies noch zu übertreffen.

Von Dienstag, 02.04.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 03.04.2013, 23:58 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Der Verhandlungsort München, im dem diese mörderischen Taten verhandeln werden, ist schon sehr unsensibel. „Die Stadt der Bewegung“ ist aufgrund ihrer Vergangenheit nur bedingt geeignet, dass in ihr eine rassistisch motivierte Mordserie verhandelt wird. Aber der Versuch, diesen Prozess als einen unter anderen herunter zu spielen, ist nicht nur im In – und Ausland peinlich, sondern zeigt allzu deutlich, dass Deutschlands Gerichtsbarkeit nicht dazu gelernt hat. Anstelle das Thema mit einer höchstmöglichen Sensibilität anzugehen, verschanzt sich die Münchener Juristerei hinter bürokratischen Regeln und Paragrafen bei der Ausführung des Prozesses.

Die Vergabe der Plätze im Saal an die Vertreter der Medien ist da nur die logische Konsequenz: Vertreter der türkischen Medien brauchen wir keine. Als es dann Kritik am Gericht hagelte, kam prompt die Antwort, die alles widerspiegelt im Denken der deutschen Behörden und großen Teilen der deutschen Bevölkerung. Die Türken hätten sich zu spät angemeldet, verlautbarte eine Sprecherin des Gerichts. So sind sie denn die Türken, nie pünktlich und mit einem laxen Umgang mit der Einhaltung von Terminen ausgestattet.

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Mal vorausgesetzt, Juristen sollen ja ein Studium absolviert haben, dass die Münchener Justiz natürlich begriffen hat, dass es sich bei dem Prozess um einen der wichtigsten Verhandlungen in der deutschen Nachkriegsgeschichte handelt, dann muss leider festgestellt werden, dass hier politisch gewollt eine große Sache klein gehalten werden soll. Es soll gezeigt werden, dass drei verwirrte Einzeltäter, Menschen ermordet haben. Da die Opfer, anders als einige Opfer der RAF, nicht prominent oder an prominenter Stelle in Staat und Wirtschaft standen, reicht es wohl voll kommen aus, diesen Prozess nicht zu exponieren, wie der Staat diesmal in Stammheim tat.

Eine sehr merkwürdige Einstellung der Behörden, nicht die Tat oder die Motive sind entscheidend, sondern die Herkunft und die Bedeutung der Opfer. Aber vor Gericht sind alle gleich: Opfer wie Täter. Hier führt ein Staat eine Verhandlung über Taten, in die Dienststellen desselben Staats direkt und indirekt involviert waren.

Der Staatsanwalt müsste sich eigentlich wegen Befangenheit selbst ablehnen.

Die Deutschen blicken nicht gern in ihre Geschichte zurück. Sie sollten mal nach Nürnberg schauen, da können sie lernen, wie rassistisch motivierte Taten damals verhandelt wurden. Aktuell Meinung

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  1. Lionel sagt:

    München als „Stadt der Bewegung“ ist nur bedingt geeignet als Ort des NSU-Prozesses, meint der Autor, und empfiehlt den Blick nach Nürnberg.
    Allerdings, Nürnberg als „Stadt der Reichsparteitage“ und der „Rassengesetze“ scheint nicht sehr viel geeigneter zu sein.
    Auch Berlin als ehemalige Hauptstadt des Nazi-Reiches drängt sich nicht gerade auf.
    Einen passenden, von NS-Vergangenheit unbelasteten Ort in Deutschland zu finden, dürfte schwierig sein.

    Der Autor dürfte mit dem Blick nach Nürnberg daher eher das Verfahren an sich bei den Nürnberger Prozessen im Sinn gehabt haben
    Das Verfahren gegen die Hauptkriegssverbrecher in Nürnberg wurde vor dem Internationalen Militärgerichtshof der Alliierten verhandelt.
    Eine deutsche Beteiligung auf Seiten der Richter oder Ankläger gab es nicht.
    Würde wie damals der deutschen Justiz der Prozess entzogen werden, gäbe es immerhin keinen deutschen Staatsanwalt, der sich selbst wegen Befangenheit ablehnen müsste.

  2. gedanke sagt:

    Der Fall dürfte in Deutschland nicht verhandelt werden,eher in Den Haag.
    Zum ersten wird um eine NS-Ideologisch durch geführte Tat verhandelt und es hat die Dimension eines Genozids.Das Gericht müßte International sein,weil allein in Deutschland in dieser hinsicht keinerlei Rechtstaatlichkeit gibt.Das Vertrauen in die Deutsche Politik,Gesellschaft und Gerichtsbarkeit tendiert gegen Null…….

  3. Cengiz K sagt:

    …Der Staatsanwalt müsste sich eigentlich wegen Befangenheit selbst ablehnen….

    Wahrscheinlich wurde der Staatsanwalt auch schon bereits nach dem Windhundverfahren ausgewählt, um Revisionsgründe von vornherein auszuschließen.. Deswegen wird schon allles in Butter sein!

  4. Marie sagt:

    „Eine sehr merkwürdige Einstellung der Behörden, nicht die Tat oder die Motive sind entscheidend, sondern die Herkunft und die Bedeutung der Opfer. “

    Genau so ist es – und diese Einstellung ist nicht merkwürdig, sondern rassistisch und wird von großen Teilen der deutschen Bevölkerung geteilt, die lauthals von den lahmen Türken schreien, die angeblich Sonderrechte beanspruchen und zurück in die Türkei sollen, wenn es ihnen hier nicht passt. Man muss sich ja nur in den Foren dieser Tage umsehen, dann sieht man, was die Mehrzahl der Deutschen über Türken denkt.

    http://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_62793980/brand-in-koeln-tuerkei-wirft-ermittlern-verharmlosung-vor.html

    Da kann man nur noch zutiefst schockiert sein, wenn man das liest: Zum Beispiel das:

    „Jetzt reichts aber. Diese Türken Stinkstiefel stecken ihre Buden in Brand weil sie irgendeinen Hammel mitten im Haus braten oder aber ihre kinder nicht beaufsichtigen, dann kommt irgendeine türkische Knoblauchpresse aus dem Sultanat Istanbul/erdogan und prangert die Deutschen an. Wann hat endlich einmal einer unserer Politiker Eier in den Hosen und verbietet diesen anmaßenden Analphabeten ihren Mund. Werft dieses Pack mit samt ihren deutschen Unterstützer ( Roth, Özdemir +Co ) aus dem Land. Was müssen wir uns von diesem Pack noch alles gefallen lassen. Was sich dieses Kameltreiber erlauben, erlauben sich die meisten Ausländer hier in D nicht, ausser den Araber und Albaner vielleicht , die ebenfalls die Poliitk in der Tasche haben. Irgendwann reichts es einmal.“

    Vor solchen Kommentaren wimmelt es im Internet – die Betreiber dieser Seiten veröffentlichen diese Hasstiraden und löschen auch nach Meldung nicht. Da gehen unzählige Daumen hoch. Der hässliche Deutsche ist in seiner hässlichsten tiefbraunen Ausprägung wieder da, und wenn man Derartiges liest, die breite Zustimmung für solche Hasstiraden zur Kenntnis nimmt, die breite Zustimmung für den Ausschluss türkischer Medien in einem Verfahren mit rassistischen Hintergrund, das angeblich ein Prozess wie jeder andere sei und die lahmarschigen Türken sind selber schuld, weil das eben so ist im Paragrafenreiter-Deutschland der schrecklichen Juristen, dann weiß man, welche Stunde in Deutschland wieder geschlagen hat. Da kann einem nur noch Angst und bange werden.

  5. aloo masala sagt:

    Wer etwas die deutsche Geschichte gelernt hat, wird kaum wagen, eine Verbindung zwischen den künftigen Prozessen gegen die Verbrechen der NSU und den damaligen Nürnberger Prozessen herzustellen.

    In den Nürnberger Prozessen ging es auch nicht um rassistisch motivierte Straftaten, wie der Autor behauptet, sondern im Kern um NS-Kriegsverbrechen aus rein völkerrechtlicher Sicht.

    Da es bei den NSU Verbrechen nicht um völkerrechtliche Fragen geht, ist es die Pflicht der deutschen Gerichte, sich des Falls anzunehmen. Alles andere würde auch gegen das fundamentale Prinzip der Gleichheit vor dem Recht verstoßen.

  6. Harald S. sagt:

    Es ist eine Lüge, wenn behauptet wird, die türkischen Medien wären aus rassistischen Gründen oder aus purer Willkür ausgeschlossen worden.

    Die Wahrheit ist vielmehr, dass die türkischen Medien _exakt_ dieselbe Chance auf eine Platzreservierung im Gericht gehabt hatten wie alle anderen akkreditierten Pressevertreter. Die auffordernden e-mails sind allesamt _exakt_ gleichzeitig herausgegangen. Eine grösseres Maß an Gleichberechtigung kann es doch gar nicht geben.

    Die eigentliche Frage, die sich hier stellt und die sich keiner zu beantworten traut, ist doch:
    _Warum_ haben die türkischen Medien diesen Termin versäumt und verschlafen und somit ihre Chance verpasst? Wer ein so überwältigend grosses Interesse hat an der Teilnahme an diesem Prozess (so wie die türkischen Vertreter es dauernd behaupten), der bereitet sich doch vor. Der informiert sich über die Bedingungen und die Konditionen seiner Teilnahme, der kennt die formal-rechtlichen Grundlagen die in deutschen Gerichten angewendet werden, der verfolgt die Pressemitteilungen des Gerichts, der sitzt in den Startlöchern und wartet auf den Startschuss. Und der ist dann dabei.

    Alles das haben die türkischen Medien offensichtlich verschlafen. Dass sie jetzt aber die Schuld für ihr eigenes Versagen nicht bei sich selbst suchen, sondern die deutsche Gerichtsbarkeit und sogar die deutsche Politik dafür verantwortlich machen wollen, ist einfach nur erbärmlich.

    Besonders unappetitlich wird es aber, wenn formaljuristisch einwandfreie Vorgehensweisen der deutschen Gerichte in ihr Gegenteil verdreht werden. Da wird hier also ein Gegensatz konstruiert zwischen „bürokratischen Regeln und Paragrafen bei der Ausführung des Prozesses“ einerseits und andererseits solchen Pseudo-Argumenten wie „höchstmögliche Sensibilität“ und „wichtigste Verhandlung in der deutschen Nachkriegsgeschichte“. Sogar die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse werden noch bemüht.

    Was soll das? Soll das eine jetzt das andere ausschliessen, sollen deutsche rechtsstaatliche „Regeln und Paragrafen“ vielleicht einer besonderen türkischen „Sensibilität“ untergeordnet werden? Wer so argumentiert, der setzt sich dem Verdacht aus, dass es ihm nicht um einen Prozess auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit geht, sondern vielmehr um einen politischen Schauprozess. In dem die türkischen Vertreter irgendwie höher stehen und über Deutschland insgesamt zu Gericht sitzen und urteilen, und sei es auch nur als Pressevertreter und Botschafter mit Sonderrechten.

    Es besteht die Gefahr, dass die deutsche Politik sich dem fügt und in die Unabhängigkeit des Gerichtes eingreift. Sollte das geschehen, dürfte man wohl den ganzen Prozess als gescheitert betrachten.

  7. Marie sagt:

    Wer etwas aus der deutschen Geschichte gelernt hat, wird nicht behaupten, in Nürnberg sei es nicht um rassistisch motivierte Straftaten gegangen. Zwar war die Dimension eine andere, aber wer etwas aus der deutschen Geschichte gelernt hat, beteiligt sich nicht an der Relativierung und Verharmlosung rassistischer Gewalt und setzt rassistische Mordserien, in die der deutsche Verfassungsschutz und deutsche Strafverfolgungsbehörden verstrickt und verwickelt sind, mit anderen Mordfällen gleich. Wer etwas aus der deutschen Geschichte gelernt hat, für den müssen beim Umgang der genannten Behörden mit dieser Mordserie, bei der Verwicklung der Behörden, bei der jahrelangen Kriminalisierung der Opfer und bei der Aktenschredderei, angeordnet u.a. vom deutschen Innenminister, und vielem anderen mehr, sämtliche Alarmglocken ganz laut läuten. Und wer etwas aus der deutschen Geschichte gelernt hat, bei dem klingeln vor dem ungeheuerlichen Gesamthintergrund bei den Abschottungsbestrebungen der deutschen Justiz gegenüber dem gesamten Ausland die Alarmglocken noch viel lauter.

    Wer nichts aus der deutschen Geschichte gelernt hat, behauptet, eine rassistische Mordserie unter Verstrickung deutscher Behörden sei nix Besonderes, ein Verfahren, wie jedes andere, man könne absolutes Vertrauen in die deutschen Behörden und die deutsche Gerichtsbarkeit haben, weil die selbstverständlich über jeden Verdacht erhaben sind (die sind ja schließlich deutsch) und die Türken seien kollektiv lahmarschig, müssten halt mal rechtzeitig aufstehen (so wie die Deutschen) und würden Sonderrechte einfordern. Wer nichts aus der deutschen Geschichte gelernt hat, merkt auch nicht, dass die pauschale Zuschreibung bestimmter Charaktereigenschaften in Verbindung mit der Herkunft, wie beispielsweise lahm etc., rassistische Ressentiments bedient und wer nichts aus der deutschen Geschichte gelernt hat, sucht die Fehler immer bei den anderen. Den Nichtdeutschen.

  8. aloo masala sagt:

    @Marie

    Sie gehen von einer Unterstellung des Autors aus, erklären sie für wahr und schlussfolgern dann, dass Rassismus vorliegen würde. Was aber ist, wenn die Unterstellung des Autors falsch ist? Denn zwischen dem formal korrekten aber ethisch und moralisch unvertretbaren Akkreditierungsverfahren auf der einen Seite und der Behauptung des Autors, dass die Herkunft der Opfer entscheidend sei, klafft eine argumentative Lücke. Können Sie bitte die Lücke schließen?

  9. aloo masala sagt:

    @Marie

    Wer die Nürnberger Prozesse auf eine Stufe mit einem Prozess gegen Mitgliedern einer terroristischen Vereinigung vergleicht, hat nicht nur nichts aus der Geschichte gelernt, sondern bagatellisiert auch die Verbrechen der Nazis.

    Ich denke, Sie sollten mal sich nicht so weit mit Ihren Unterstellungen aus dem Fenster hängen. So wie Sie über die Deutschen reden, so reden die ausländerfeindlichen Deutschen auch über mich. Ich sehe zwischen Ihnen und den ausländerfeindlichen Deutschen überhaupt keinen Unterschied, außer dass sie in der gegenüberliegenden Ecke sitzen.

  10. Rolf Kessler sagt:

    @Marie,

    „Wer nichts aus der deutschen Geschichte gelernt hat, merkt auch nicht, dass die pauschale Zuschreibung bestimmter Charaktereigenschaften in Verbindung mit der Herkunft, wie beispielsweise lahm etc., rassistische Ressentiments bedient“

    dann gehe ich davon aus, dass Sie nichts aus der deutschen Geschichte ebensowenig gelernt haben. Oder wie erklärt sich der User Marie solche Äußerungen?

    „typisch deutschen Untertanengeist/Strammstehgeist geprägt“

    ?