Studie

Medien verstärken „Islamisierung der Integrationsdebatte“

Medien zeichnen ein zu negatives Bild von Muslimen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Sachverständigenrates für Integration und Migration. Danach herrscht zwischen dem negativem Medienbild und positiver Alltagserfahrung eine große Kluft.

Obwohl die in Deutschland geborene zweite Generation muslimischer Zuwanderer erheblich besser integriert ist als die erste Generation, verengen sich politische und mediale Debatten zunehmend auf die vermeintlich gescheiterte Integration der rund vier Millionen Muslime in Deutschland. Zuwanderer aus islamisch geprägten Staaten werden seit einigen Jahren auf ihr „Muslimsein“ und damit auf ihre (z.T. auch nur angenommene) religiöse Zugehörigkeit reduziert. Die Medien wirken bei der „Islamisierung der Integrationsdebatte“ als Verstärker.

Das ist das Ergebnis einer Studie des Forschungsbereichs beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Darin wurde untersucht, ob Zuwanderer und Mehrheitsbevölkerung die mediale Darstellung von Muslimen unterschiedlich bewerten und ob die negative Darstellung Rückwirkungen auf das Zusammenleben im Alltag insbesondere von Muslimen und Mehrheitsbevölkerung hat. Damit liegt erstmals eine Umfrage zur Mediendarstellung von Muslimen vor, bei der auch Muslime selbst nach ihrer Wahrnehmung gefragt wurden.

___STEADY_PAYWALL___

Viel zu negativ
Für die Analyse wurde das SVR-Integrationsbarometer 2012 ausgewertet, für das über 9.200 Personen mit und ohne Migrationshintergrund befragt wurden. „Die Übereinstimmung zwischen Zuwanderern und Mehrheitsgesellschaft ist erstaunlich groß: 70,8 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund und 73,9 Prozent der Zuwanderer finden, dass die Darstellung von Muslimen in den Medien eher oder viel zu negativ ist. Die befragten muslimischen Zuwanderer waren sogar zu 82,1 Prozent dieser Ansicht“, sagte Dr. Gunilla Fincke, Direktorin des SVR-Forschungsbereichs.

Dabei kommt keineswegs nur die Betroffenheit der „Eigengruppe“ zum Ausdruck. „Auch die Befragten mit afrikanischem oder osteuropäischem Migrationshintergrund sind der Ansicht, dass das Medienbild der Muslime von allen Zuwanderergruppen am negativsten ist“, ergänzte Fincke.

Große Kluft zwischen Medienbild und Alltag
Die Berichterstattung über die jeweils eigene Herkunftsgruppe empfinden die Befragten als weitaus weniger negativ. Menschen muslimischer Religionszugehörigkeit finden jedoch das Medienbild besonders stark zu negativ. Bisher schlägt sich diese Unzufriedenheit mit dem Medienbild nicht in einem eingetrübten Zusammenleben nieder. „Es gibt eine große Kluft zwischen dem als sehr negativ wahrgenommenen Medienbild von muslimischen Zuwanderern und der positiven Alltagserfahrung in der Einwanderungsgesellschaft“, erklärte Prof. Dr. Bernhard Lorentz, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stiftung Mercator.

 Wird geladen ...

Auch die befragten Muslime unter den Zuwanderern schätzen das Zusammenleben durchweg positiv ein: Sechs von zehn Befragten (58,1 Prozent) erleben das Zusammenleben von Zuwanderern und Mehrheitsbevölkerung als ungestört; nur drei von zehn (29,3 Prozent) sehen Probleme im Zusammenleben.

Ausgewogene Berichterstattung notwendig
„Außerdem zeigt das Integrationsbarometer zwischen 2009 und 2012 einen positiven Trend: sowohl bei der muslimischen Zuwandererbevölkerung als auch bei der Mehrheitsbevölkerung steigt der Anteil der Befragten, die das Zusammenleben als weitgehend ungestört empfindet. Die Stimmungseintrübung im Zuge der ‚Sarrazin-Debatte‘ war nur vorübergehend“, ergänzte Fincke.

Zwar hätten jüngere Untersuchungen zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und zur religiösen Toleranz gegenüber Muslimen ein relativ hohes Maß an muslimfeindlichen Einstellungen festgestellt. Diese Einstellungen hätten sich bislang aber nicht im alltäglichen Zusammenleben niedergeschlagen. „Allerdings kann ein anhaltend negatives Medienbild Vorurteile verstärken. Umso wichtiger ist eine ausgewogene Medienberichterstattung, die auf Stereotype verzichtet“, sagte Lorentz.

Negativ konnotierte Berichterstattung überwiegt
Laut SVR Forschungsbereich belegen Medienanalysen, dass in der Berichterstattung über Muslime und den Islam in den letzten Jahren eine negativ konnotierte Berichterstattung deutlich überwog. Dabei sei nicht die Darstellung negativer Sachverhalte an sich problematisch, wohl aber die Häufung der Negativberichterstattung und die zu wenigen Berichte über das Gelingen von Integration und den Alltag in der Einwanderungsgesellschaft.

Download: Der Policy Brief des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration und Mercator Stiftung kann hier heruntergeladen werden.

Es mangele beispielsweise bis heute an einer Berichterstattung, die die Leistungen von Zuwanderern für das Gemeinwesen wertschätzt. „Für diese Schieflage möchten wir die Medienmacher sensibilisieren“, so Fincke. „Die Medien sollten ihrer Verpflichtung zur ausgewogenen Berichterstattung stärker gerecht werden.“

Migrantenanteil in die Redaktionen erhöhen
Der SVR-Forschungsbereich empfiehlt zum einen, den Anteil der Journalisten mit Migrationshintergrund in den Redaktionen zu erhöhen. Derzeit haben nach unterschiedlichen Schätzungen nur 1,5 bis drei Prozent der Redakteure in deutschen Medienunternehmen einen Migrationshintergrund. Damit sind sie in Anbetracht eines Zuwandereranteils von 19,5 Prozent deutlich unterrepräsentiert. „Allerdings ist nicht jeder per se wegen seines Migrationshintergrunds kompetent in Integrationsthemen, daher sollte generell die interkulturelle Kompetenz in den Redaktionen gestärkt werden“, so die Einschätzung des SVR.

Medien stünden unter dem Druck, durch starke Schlagzeilen den Verkauf zu erhöhen. Trotzdem müsse auf vorschnelles Framing von Ereignissen verzichtet werden. „Wo reale Probleme bestehen, müssen diese angesprochen werden. Jugendkriminalität ist aber kein ‚muslimisches Problem‘, nur weil ein Teil der Jugendlichen, über die berichtet wird, einen Migrationshintergrund eines muslimisch geprägten Landes haben“, so die Kritik. Fincke und Lorentz sprechen sich dafür aus, muslimische Zuwanderer in den Medien mit einer größeren Selbstverständlichkeit z.B. auch als Elternsprecher, Umweltschützer oder Fußballtrainer vorkommen zu lassen. (bk)