„Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher und fiktiver Unterschiede zum Vorteil des Anklägers und zum Nachteil des Opfers, mit der seine Privilegien […] gerechtfertigt werden sollen.“ Memmi, A. (1982): Rassismus. Frankfurt a.M. 1987
In Deutschland gibt es einen Überfluss von wissenschaftlich und moralisch zweifelhaften „Integrationsstudien“, die gemäß der Definition von Albert Memmi (siehe Box rechts) rassistische Elemente aufweisen. Diese Studien lenken von den eigentlichen Problemen wie Ethnozentrismus und Diskriminierung ab und verlagern die Aufmerksamkeit vom „Täter“ auf die „Opfer. Sie etablieren überwiegend die Ungleichheit der „Objekte“ und kommunizieren die Unterlegenheit der „Menschen mit Migrationshintergrund“.
Diskriminierungsstudien im Gegensatz dazu würden die ungleiche Behandlung gleichwertiger „Objekte“ untersuchen. Der Diskriminierungsansatz aber stößt in Deutschland auf sehr viel Wiederstand. Ein Teufelskreis, denn das Fehlen einer adäquaten Auseinandersetzung mit Diskriminierung verstärkt wiederum den rassistischen Effekt der „Integrationsstudien“. Darin wird meist untersucht, wie die Opfer durch ihre angeblich fehlende Sprache und Bildung, das Status-quo der Exklusion herstellen.
Im Gegensatz dazu gibt es keine ausgeprägte Sprache und klare Definitionen von unterschiedlichen Konzepten für Einbeziehung und Teilhabe. Es fehlen Studien über unterschiedliche Facetten von Diskriminierung. Allgemein scheint es in Deutschland sehr viel Konfusion über unterschiedliche Aspekte von Teilhabe und Vielfalt zu geben. Hier einige Beispiele:
- Das Wort Inklusion beispielsweise wird fälschlicherweise limitiert in Bezug auf Menschen mit Behinderung(en) benutzt. Dabei ist Inklusion das Gegenteil von Exklusion und bedeutet Einbeziehung, Einschluss und hat nichts mit Behinderung zu tun. Daher sollte die Inklusion von allen Menschen das Ziel sein. Die Einschränkung auf Menschen mit Behinderung(en) trägt zu den vorhandenen „Missverständnissen“ bei.
- Die Studie über die anonymen Bewerbungsverfahren wurde in Deutschland erstmals Anfang 2012 durchgeführt. Gegeben der „rechtlichen“ Einschränkungen, die diese Studie ausgesetzt war und die allgemeine Einstellung in Deutschland, reflektieren diese Daten nicht einmal das eigentliche Ausmaß der Diskriminierung im Arbeitsmarkt. Diese Studien gehören in Ländern wie USA zum Standardwissen.
- Wir wissen, dass Frauen statistisch gesehen, für dieselbe Arbeit, bei gleicher Qualifikation weniger bezahlt werden als Männer. Nun, dasselbe gilt auch für „Menschen mit Migrationshintergrund“. Statistisch gesehen verdienen „Menschen mit Migrationshintergrund“ bei gleicher Schulbildung und Qualifikation weniger als weiße Deutsche. Es fehlen aber nicht nur Studien und Daten über dieses Phänomen, nein, es wird nicht einmal angesprochen. In den USA gibt es Studien dazu im Überfluss. Das Wissen über dieses Phänomen gehört zum Standardwissen der Inklusionsarbeit.
- Der Diversity Ansatz wird in Deutschland überwiegend von einer auf Gender-Diversity limitierten Perspektive behandelt. Es ist unklar, warum ethnische und racial Diversity kontroverse Themen in Deutschland darstellen. Das Ziel vom Diversity Management ist die Förderung aller benachteiligten „Gruppen“ damit eine Wertschöpfung aus den Differenzen stattfinden kann. Die Grundlage von Diversity ist die Wertschätzung von Differenzen und ist somit eine gute Methode für den Abbau von Ethnozentrismus. Der Ethnozentrismus ist eine wesentliche Barriere zur Integration ist aber kaum Bestandteil der Integrationsdebatte.
Nun kommen wir dazu, was wir in Deutschland im Überfluss haben: Studien über angebliche Aspekte von Integration, die von x-beliebigen Perspektiven erforscht wurden.
Der Integrationsreport des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat beispielsweise die „sprachliche Integration von Migranten“, Türken, Jugoslawen, Italiener, Griechen und Polen untersucht. Laut offiziellen Aussagen, erfolgt Integration aber „zweiseitig“. Hier stellt sich dann die Frage: Wieso werden nur die „nicht Deutschen“ „untersucht“? Wo sind die Studien, die uns darüber aufklären, wie sich die „Deutschen“ in die deutsche Gesellschaft integrieren oder was und wie sie zu der gegenseitigen Integration beitragen?
Laut BAMF bilden „Deutschkenntnisse […] einen zentralen Aspekt und können als ein Maßstab der Integration von Migranten in die Aufnahmegesellschaft betrachtet werden.“ Wie aber kommt das BAMF darauf, Integration stünde im direkten Verhältnis mit Sprachkenntnissen oder „Menschen mit Migrationshintergrund“ könnten so schlecht deutsch sprechen, dass sie sich nicht integriert könnten? Wie viele Menschen in Deutschland sprechen wirklich so schlecht Deutsch, dass man sich mit ihnen überhaupt nicht verständigen kann, wenn man wollte?
Was ist denn Integration überhaupt, wie misst man sie und wer entscheidet wie integriert jemand ist? Etwa der deutsche Staat?
Die ethnozentrische Perspektive in vielen Integrationsstudien ist ein Hinweis dafür, dass wir in Deutschland eine Assimilationspolitik betreiben. Die Behauptung, dass Menschen mit Migrationshintergrund schlecht Deutsch sprechen, ist ein Schlüsselaspekt unserer Propaganda. Damit können wir die fehlende Repräsentation von „Menschen mit Migrationshintergrund“ in öffentliche Verwaltung, in der Politik, in vielen Funktionen des öffentlichen Lebens und im Arbeitsmarkt rechtfertigen.
Nehmen wir einen Fall, wo es stimmt, dass jemand nicht gut deutsch spricht. Daraus automatisch zu folgern, er sei nicht integriert, ist rassistisch. Könnte sich der deutschstämmige Andreas kaum ausdrücken, würde niemand auf die Idee kommen, ihn als nicht integriert einzustufen. Denn Andreas ist kein Objekt der Integrationsstudien, wie es die Emine ist. Diese Studien unterliegen der ethnozentrischen Annahme, alle Deutschen könnten gut Deutsch sprechen. Folglich hinterfragt man nur die Deutschkenntnisse der „nicht Deutschen“.
Was ist es aber, wenn Emine nur English spricht, weil sie für eine internationale Firma arbeitet und damit sehr gut in Deutschland zurechtkommt? Sie trifft sich mit FreundInnen, ist im Sportverein, besucht Konzerte, ist erfolgreich und zahlt ihre Steuern. Aber „offiziell“, wäre Emine nicht integriert – im Gegensatz zu Andreas, der möglicherweise ständig betrunken ist, keine Freunde hat und an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnimmt.
Jeder Mensch hat das Recht, im gesetzlich-moralischen Rahmen sein Leben selbst zu bestimmen. Und viele Elemente der Integrationsdebatte wie wir sie in Deutschland führen verletzen das Selbstbestimmungsrecht unserer Mitbürger.
Auch dazu ein konkretes Beispiel: In einer BAMF-Studie wird die Wohnungsausstattung der „Menschen mit Migrationshintergrund“ untersucht; ein willkürlicher Ansatz, der die Privatsphäre verletzt und dessen Verbindung zu Integration sehr fragwürdig ist. Auch die Schader Stiftung scheint die Wohnsituation der „Türken“ interessant zu finden.
Diese Art von Informationserwerb, wie sie in der Schader Studie ausgeführt wird, ist moralisch und wissenschaftlich sehr bedenklich. Wenn es um Wohnungsdiskriminierung geht, gibt es Tester-Methoden, die z.B. in den USA effektiv eingesetzt werden. Wohnungsdiskriminierung ist, anders als Diskriminierung am Arbeitsmarkt, ziemlich einfach zu detektieren.
Unterschiede in Wohnverhältnissen können unter anderem durch Diskriminierung am Arbeitsmarkt bedingt sein. Dafür sollten wir den deutschen Arbeitsmarkt untersuchen und reformieren, anstatt ethnische Details der Menschen, die keine eigene Toilette in ihren Wohnungen haben oder keine Möglichkeit haben, in ihren Wohnungen zu duschen, zu untersuchen.
Nebenbei sei hier die Frage erlaubt: Wieso darf in einem hochregulierten Land wie Deutschland, wo sogar der Familiennachzug von der Größe des Wohnraumes abhängt, es überhaupt Wohnungen ohne Dusche/Bad geben? In einer zivilisierten Gesellschaft gehört die körperliche Hygiene zum Grundbedürfnis. In manchen „Kulturkreisen“ wird täglich geduscht – in den USA beispielsweise. Gegeben dieses Faktes, scheint es in Deutschland ein dringenderes Problem zu geben, als die Nicht-Assimilation von „Türken“.
Die eingeschränkte Perspektive und das Fehlen einer adäquaten wissenschaftlichen Aufklärung in der „Integrationsdebatte“ in Deutschland sind höchst alarmierend. In diesem Zusammenhang ließen sich viele weitere Probleme ansprechen, die aber den hier gegebenen Rahmen sprengen würden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine überwiegende Mehrheit der Integrationsstudien negative Messages über „nicht Deutsche“ verbreiten und wenig mit der Realität oder der Verbesserung des Status-quo zu tun haben. Sie kommunizieren lediglich die Unterlegenheit der „nicht Deutschen“ und werten damit die Dominante Kultur auf. Solche rassistische Ansätze haben in der Wissenschaft nichts zu suchen.
Ein Schlüsselaspekt für Integration ist die Integration unserer Mitbürger am Arbeitsmarkt. Durch faire Chancen auf dem Arbeitsmarkt können sich Menschen besser verwirklichen und werden sich automatisch „integrieren“. Durch Anti-Diskriminierungs- und Diversity-Aufklärung kann man in diesem Gebiet sehr viel erreichen. Dann kommt auch niemand auf die dumme Idee, sich mit den Abort- und Duschbedingungen der „nicht Deutschen“ als vermeintliche Integrationsindikatoren zu beschäftigen.