Daniela Kolbes Zwischenruf

30 Jahre Residenzpflicht – ein absurdes Relikt aus den 1980er Jahren

Im Juli 1982 führte die damalige sozial-liberale Koalition unter Bundeskanzler Helmut Schmidt die so genannte Residenzpflicht ein. Ein Beschleunigen des langwierigen Asylverfahrens sollte damit ermöglicht werden. Heute protestieren Asylbewerber in Kreuzberg und vor dem Brandenburger Tor für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Dazu zählt ihre Forderung nach der Abschaffung der Residenzpflicht, die ich voll und ganz unterstütze.

Wer die aktuelle Stunde im Bundestag am 07. November 2012 verfolgte wird sich in unguter Weise an die asylpolitischen Gefechte der 1980er und 1990er erinnert fühlen. Die scharfe Wortwahl und die Argumente der CDU/CSU sind leider die gleichen geblieben. Nichts dazu gelernt, muss man resümieren! Denn schon damals, im Jahr 1982, ging der Union das Asylverfahrensgesetz nicht weit genug. Es reiche nicht aus, um den „Massenzustrom von Asylanten“ zu regeln. Es reiche nicht aus, um Asylmissbrauch vorzubeugen. Schließlich laufe das deutsche Asylrecht Gefahr Asylmissbrauch zu provozieren, so die Politiker von CDU/CSU.

Die Menschenwürde darf migrationspolitisch nicht relativiert werden
In seinem Urteil (18.7.2012) zum Asylbewerberleistungsgesetz hat das Bundesverfassungsgericht diesem letzten, bei den Konservativen beliebten, Scheinargument den Wind aus den Segeln genommen. Danach darf das deutsche Asylrecht nicht mit Hinweis auf angebliche „Pull-Faktoren“ verschärft werden. Dennoch. Die schwarz-gelbe Regierung hält am Märchen vom angeblichen deutschen Asyl-Paradies fest. Die Realität für Asylbewerber und Geduldete sieht aber alles andere als märchenhaft aus: Sie müssen in Sammelunterkünften wohnen, sie werden zum Teil mit Essenpaketen versorgt, erhalten Gutscheine für ihre Versorgung, sie haben die Pflicht sich in ihrem Regierungsbezirk aufzuhalten und sie dürfen im ersten Jahr keiner Erwerbsarbeit nachgehen.

___STEADY_PAYWALL___

Ihr Leidensdruck ist groß. So groß, dass eine Gruppe von Asylbewerbern nach Berlin marschiert ist. Nun harren sie aus in der nasskalten Witterung, sie wollen gehört werden. Sie wollen die politische Veränderung ihrer Lebensbedingungen. Ein Teil von ihnen ist dafür in den Hungerstreik getreten. Gleich am 2. Tag ihres Protest habe ich mit ihnen am Brandenburger Tor gesprochen. Ich unterstütze ihren politischen Protest und teile manche ihrer Forderungen, wie die Abschaffung der Residenzpflicht. Sie ist ein absurdes Relikt aus den 1980er Jahren.

Es gibt keine Menschenwürde erster und zweiter Klasse
Das Urteil des Verfassungsgerichts – um nochmal darauf zurück zu kommen – ist ein rechtspolitischer Meilenstein. In der aktuellen Stunde am 7. November 2012 allerdings zeigten die Bundesregierung und ihre Koalitionspolitiker allerdings, dass sie das Urteil nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen. Der Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel von der Unionfraktion befeuerte die Diskussion, in dem er behauptete man dürfe keine Signale senden, dass es Sinn mache, nach Deutschland zu kommen. Genau solche Politik hat das Bundesverfassungsgericht eine klar Absage erteilt. Auch der Staatssekretär Ole Schröder liegt daneben, wenn er immer noch behauptet man brauche die Residenzpflicht, um ein zügiges Asylverfahren sicher zu stellen. Die Zeichen stehen also denkbar schlecht für die politischen Forderungen der Protestierenden.

An diesem Donnerstag hat die Staatsministerin für Flüchtlinge Prof. Böhmer zu einem Gespräch mit Mitgliedern des Innenausschusses und vier Vertretern der Asylbewerber eingeladen. Bleibt für die Protestierenden zu hoffen, dass Frau Böhmer ihren Worten als Regierungsmitglied auch Taten folgen lassen wird.