Ein Jahr NSU

Friedrich verteidigt Verfassungsschutz immer noch

Ein Jahr ist seit dem Auffliegen der rechtsextremen NSU vergangen; ein Jahr mit unzähligen Skandalen rund um die Sicherheitsbehörden. Bundesinnenminister Friedrich hält an den Behörden trotzdem fest während Tausende Menschen für die Abschaffung demonstrieren.

Gestern vor einem Jahr ist zufällig aufgeflogen, dass neun bis dato unaufgeklärte Morde auf das Konto des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gehen. Seit dem versprechen Politiker und Sicherheitsdienste vollständige, schonungslose und restlose Aufklärung der Morde. Seit dem vergeht aber kaum ein Tag, an dem nicht auch neue Verwicklungen und Verstrickungen der Sicherheitsdienste mit dem Rechtsextremismus bekannt werden.

Die Liste der offenen Fragen ist im Laufe der vergangenen zwölf Monate stetig länger geworden. Parallel dazu sank die Hoffnung, dass die rassistisch motivierten Morde an neun Gewerbetreibenden mit Migrationshintergrund je restlos aufgeklärt werden. Hauptursächlich dafür sind die mittlerweile unzähligen „Pannen“ in den Sicherheitsdiensten, die im Zuge der Ermittlungen bekannt wurden.

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Friedrich weist Kritik zurück
So kann sich SPD-Obfrau im NSU-Ausschuss, Eva Högl, dem Eindruck nicht mehr entziehen, dass die Behörden etwas vertuschen wollten. „Anders kann ich mir diese Häufung von Pannen nicht erklären“, sagte sie der Berliner Zeitung. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte den Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Er sei es den Opfern des NSU und dem Land „bis heute schuldig geblieben, grundlegende Konsequenzen zu ziehen“.

Davon ist der Bundesinnenminister aber immer noch weit entfernt. Er wies Kritik an den Sicherheitsbehörden zurück. „Bei aller – zum Teil auch berechtigten – Kritik an der Rolle der Sicherheitsbehörden möchte ich doch anmahnen, die Bewertung von Polizei und Verfassungsschutz mit Augenmaß vorzunehmen“, erklärte Friedrich am Wochenende in Berlin. Zugleich kündigte er an, die Aufarbeitung weiter voranzutreiben.

V-Leute Kern des Übels
Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen plädierte indessen für ein zentrales V-Leute-Register: „Ein zentrales Wissen ist unabdingbar, um die jeweiligen V-Leute des Bundes und der Landesbehörden für Verfassungsschutz wirksam steuern zu können“, sagte er der WamS. Einen Verzicht auf V-Leute schloss er jedoch aus.

Und genau die sind aus Sicht von Linke-Politikerin Petra Pau Kern des Übels: „V-Leute sind keine netten Informanten, sondern vom Staat gekaufte Spitzel und bezahlte Täter. Die Vernunft gebietet: nicht registrieren, sondern abschalten“, so Pau am Wochenende.

Verfassungsschutz half Nazis
Gestützt wird Paus Kritik von einem Spiegel Bericht. Danach hat der Verfassungsschutz in den neunziger Jahren überzeugte Neonazis systematisch vor Strafverfolgung bewahrt. Das zeige eine als geheim eingestufte Analyse des Bundeskriminalamts (BKA) vom Februar 1997. Bereits zuvor wurde bekannt, dass es Verflechtungen zwischen Rechtsextremen und dem Verfassungsschutz gibt.

Insofern könne Maaßen es nachvollziehen, dass „das Vertrauen vieler Bürger – insbesondere der Opferfamilien – in die deutsche Sicherheitsarchitektur und ihre Behörden stark beschädigt ist“. Laut WamS möchte er dieses Vertrauen wiedergewinnen. Erreichen wolle er das mit einer aktiveren Öffentlichkeitsarbeit und mehr Transparenz. Ob und inwieweit sich Geheimdienst mit Transparenz vereinbaren lässt, ließ er offen.

Tausdende auf der Straße
Kritik an den Ermittlern kam am Wochenende vor allem von Angehörigen der Opfer und zahlreichen Verbänden und Initiativen. Mehrere Tausend Menschen kamen in mehreren deutschen Städten zusammen, um gegen die schleppende Aufklärungsarbeit zu demonstrieren und der Opfer zu gedenken. In Berlin forderten Demonstranten unter anderem die Auflösung des Verfassungsschutzes. Auf den Plakaten stand „Das Problem heißt Rassismus“. In Hamburg erinnerten bereits am Samstag 1.000 Menschen an die zehn Mordopfer des NSU. (bk)