Beschneidungsurteil

Kulturalisierung des Strafrechts

Angeblich geht es um das Eindämmen religiös motivierter Gewalt gegen Kinder, doch in Wirklichkeit steckt mehr hinter dem Urteil - Zum Beschneidungsurteil des Kölner Landgerichts.

Von Freitag, 06.07.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 27.04.2015, 16:49 Uhr Lesedauer: 11 Minuten  |  

Vielen hängt das Thema schon zum Halse raus, obwohl das umstrittene Beschneidungsurteil des Kölner Landgerichts vom 07. Mai 2012 erst kürzlich bekannt wurde. Verständlich vor dem Hintergrund der Flut von überwiegend emotionsgeladenen Kommentaren, die uns dieser Tage heimgesucht hat. Wie weggespült scheint dabei die juristische Nüchternheit, mit der man ein strafrechtliches Urteil eigentlich bewerten sollte. Umso gespannter war ich auf die Urteilsgründe. Zunächst dachte ich der Drucker sei defekt, als er mir lediglich sieben Seiten Urteilsgründe ausdruckte, obwohl ausreichend Papier zur Verfügung stand. Als ich aber die Kostenentscheidung sowie die Unterschrift des Vorsitzenden Richters der ersten kleinen Strafkammer des Kölner Landgerichts auf der letzten Seite sah, wusste ich, am Drucker lag es nicht.

Erstaunt nahm ich zur Kenntnis, dass der Strafkammer sieben Seiten ausreichten, um ein historisch beispielloses Urteil mit unvorhersehbaren und vielleicht verheerenden Folgen zu begründen. Entweder mir lag ein juristisch geniales, weil gut begründetes und doch pointiertes strafrechtliches Urteil vor, neigen Richter doch ohnehin zu zeitökonomischen Ausführungen – nicht zuletzt wegen der starken Überlastung der Gerichte – oder aber die Strafkammer war sich der Tragweite ihrer möglicherweise unzureichend begründeten Entscheidung nicht bewusst. Ich höre nämlich schon wie Hobbychirurgen ihre Schweizer Messer schärfen und sich über einen lukrativen Nebenverdienst freuen. Die Knabenbeschneidung – ein Jahrtausende alter und zugleich moderner Brauch – wird das Urteil jedenfalls nicht verhindern können, auch und vor allem in der Bundesrepublik nicht. Vielleicht wollte man auch einfach nur Geschichte schreiben. Letzteres ist definitiv – vorsatzunabhängig – gelungen. Ein aufmerksamer Blick in die kurze Urteilsbegründung wirkte ernüchternd: Richterliche Genialität, ein Urteil gleichsam wasserdicht und knapp zu begründen, konnte hier ausgeschlossen werden. Knapp ja, wasserdicht keineswegs.

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Kulturalisierung des Strafrechts
Gleich zu Beginn bahnen sich darin sogar anbiedernd kulturalistische Risse an. Denn scheinbar anders als der Staatsanwaltschaft war es der zuständigen Strafkammer besonders wichtig zu ergänzen und festzustellen, dass die Familie des Kindes dem islamischen Glauben angehöre und die Beschneidung aus religiösen Motiven erfolgt sei. Dieser Aspekt ist alles andere als zu beanstanden, sofern die Strafkammer den religiösen Antrieb der Eltern nicht als einzige sorgerechtliche Dispositionskomponente in der Kindeswohl-Abwägung berücksichtigt hätte, wie hier aber – und das viel zu kurz kommend – geschehen. Eine derart reduktionistische Sicht fördert die als Folgeproblem der religiösen Pluralisierung vermehrt zu beobachtende Kulturalisierung des Strafrechts, in der „durch die strafrechtliche Blume“ die eine oder andere Kulturkampfdebatte ausgetragen wird.

Anstoß der Beschneidungsdiskussion
Die strafrechtliche Beschneidungsdiskussion mit angestoßen hat der an der Universität Passau lehrende Juraprofessor Holm Putzke, auf dessen Rechtsansicht zur strafrechtlichen Bewertung der Knabenbeschneidung die Strafkammer in ihrer Entscheidung u.a. verweist, der das Urteil mit den Worten kommentierte: „Es wird nachdem die reflexhafte Empörung abgeklungen ist, hoffentlich eine Diskussion darüber in Gang setzen, wie viel religiös motivierte Gewalt gegen Kinder eine Gesellschaft zu tolerieren bereit ist.“ Eine Kulturkampfrhetorik, die kelek´sche Züge aufweist. Denn wer in einer Gesellschaft, in der glaubensgeprägte Lebensbereiche zurücktreten, religiös motivierte Gewalt und Kinder ohne Weiteres in einem Atemzug nennt, spricht in erster Linie Emotionen und nicht die Ratio an. Welche säkularisierte Gesellschaft kann – vor allem religiös motivierte – Gewalt gegen Kinder tolerieren? Bewusst wird ausgeblendet, dass (und zwar auch aus religiöser Sicht) lediglich die lege artis durchgeführte Knabenbeschneidung zur Debatte steht und diese nicht bloß religiös motiviert sein muss, sondern aus multiplen Motiven gerade vermehrt auch von Nichtmuslimen und Nichtjuden praktiziert wird.

Die Urteilsgründe im Einzelnen
Auch das Urteil scheint von dieser generell religionskritischen Grundhaltung beseelt zu sein.

Der fachgerecht handelnde Arzt wurde für die Beschneidung im konkreten Fall zwar freigesprochen, weil er einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlag und damit schuldlos agierte (§ 17 Satz 1 Strafgesetzbuch). Er nahm fälschlicher-, aber (bis zur Urteilsverkündung) nachvollziehbarerweise an, sein Handeln sei gestattet. Die Tat sei jedoch nicht durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt, zumal ihr Sorgerecht gemäß § 1627 Satz 1 BGB lediglich Erziehungsmaßnahmen decke, die dem Wohl des Kindes dienten, wozu die Beschneidung gerade nicht gehöre. Insoweit verweist die Strafkammer lediglich auf die – wie sie betont – „wohl herrschende Auffassung in der Literatur“. Die Anlehnung an die vermeintlich herrschende Auffassung in der Literatur wirkt dabei so, als sei eine umfassende Begründung dafür, warum die Beschneidung dem Kindeswohl nicht entspreche und wie weit dabei der sorgerechtliche Ermessensspielraum der Eltern reiche, obsolet. Nicht religiöse Aspekte der (nicht zwingend medizinisch indizierten) Beschneidung, die für das körperliche Kindeswohl streiten könnten, werden gänzlich ausgespart. Vielmehr scheint der Strafkammer bloß die Religiosität ein Dorn im Auge zu sein. Denn nach ihrer Ansicht folge ihr Urteil dabei möglicherweise bereits aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1 WRV, wonach die staatsbürgerlichen Rechte durch die Ausübung der Religionsfreiheit nicht beschränkt werden. Damit wird dem Leser zugleich die „richtige Brille“ aufgesetzt durch die man die genannten Artikel lesen und verstehen sollte, und zwar in dem Sinne, dass die – in diesem Fall muslimische – Religionsausübung in (etwaigen) Kollisionsfällen im Zweifel stets das Nachsehen hat.

Diese reduktionistisch-religionskritische Stoßrichtung behält die Strafkammer in ihren weiteren Ausführungen bei, wenn sie ausführt, dass jedenfalls Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG selbst den Grundrechten der Eltern eine verfassungsimmanente Grenze ziehe. Vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei die in der Beschneidung zur religiösen Erziehung liegende Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des Jungen jedenfalls unangemessen. Dies folge bereits aus der Wertung des § 1631 Abs. 2 Satz 1 BGB. Zudem werde der Körper des Kindes durch die Beschneidung dauerhaft und irreparabel verändert. Diese Veränderung laufe dem Interesse des Kindes, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können, zuwider. Umgekehrt werde das Erziehungsrecht der Eltern nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie gehalten seien abzuwarten, ob sich der Knabe später, wenn er mündig sei, selbst für die Beschneidung als sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zum Islam entscheide. Aktuell Meinung

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  1. Mel sagt:

    „… in der „durch die strafrechtliche Blume“ die eine oder andere Kulturkampfdebatte ausgetragen wird.“

    Eine zentrale Stelle, wie ich finde. Danke Herr Ademi, für Ihre sachliche Diskussion des Urteils. Ich denke, Sie haben mit obiger Aussahe den Kern der Sache getroffen. Als Nichtreligiöse beobachte ich das streufeuerartige Schauspiel mit ordentlichem Argwohn und gesunder Distanz.
    Ich habe das Gefühl, dass hier eine bereits seit längerem als Sünden- und Prellbock gebrauchte gesellschaftliche Gruppe weiter ins Abseits geruckt wird, indem sie künstlich Kriminalisiert wird. Als solches steht dieses Ereignis nicht alleine da, auch weitere Bestrebungen weisen deutlich in diese Richtung (siehe Radikalisierungskatalog von Herrn Schünemann).

    Gleichzeitig fallt mir folgendes auf:
    Während Vertreter islamischer Gemeinden und auch Einzelpersonen nicht müde werden hier die Ähnlichkeit zwischen Islam und Judentum zu betonen – ähnlich, wie Sie selbst – Stelle ich von andere Seite klare Abgrenzungstendenzen fest. Zumindest in der medialen Spielegung. Der Eondruck verhärtet sich, dass hier kulturell und strafrechtlich mit zweierlei Maß gemessen wird und vermehrt werden soll.

    Zusätzlich werde ich das Gefühl nicht los, dass es auch hier wieder nicht zufällig ist, in welchem auch zeitlichen Kontext dir Debatte losgetreten wurde. Im Grunde kommt die islamische Gemeine nicht dazu in Ruhe Luft zu holen, weil eine Scheindebatte nach der anderen auf ihrem Rucken ausgetragen wird. Halb so schlimm wär das Ganze ja, ja wenn es sich nicht um Menschen handeln würde.

    Hier wird bewusst die Fremdmachung und -werdung forciert, statt Gemeinsamkeiten hervorzuheben. Welche zahlreicher sind, als die tatsächlichen Unterschiede. Und was auch eher dem gesellschaftlichen Gemeinwohl dienlich wäre.

    Welche Folgen es haben kann eine (religiöse) Gruppe als „Schädling im System“ zu diffamieren, hat die deutsche Geschichte ja bereits unter Beweis gestellt.

  2. Beschneidung bleibt verfassungs- und menschenrechtswidrig!

    Ich finde es absurd und schädlich für das Ansehen des Islam und Judentums, ein eigenes Gesetz für die Erlaubnis der Beschneidung von Jungen bekommen zu wollen.

    Von Seiten der Juden wurde gegen das Kölner Urteil nach Beratung von verschiedenen Juristen keine Revision eingelegt! Somit ist jenes Urteil schon längst rechtskräftig, wonach jene Beschneidung nach dem Grundgesetz und den Menschenrechten eine strafbare, da absichtlich herbeigeführte Körperverletzung, also eine Misshandlung, darstellt. Und zwar nicht nur in ganz Deutschland: Da Kinder eben Menschen (und keine Objekte) sind, stehen sie auch weltweit unter dem Schutz der Menschenrechte, welchen allen(!) Menschen auf dieser Erde gleichermaßen körperliche und seelische Unversehrtheit garantieren!
    Es gibt keine „Rechtsunsicherheit“ mehr, wie manche Muslime und Juden seltsamerweise noch immer meinen.

    Diese Beschneidung stellt nicht nur eine nicht mehr rückgängig zu machende körperliche Veränderung dar, sondern ist – wie jede Operation – mit Risiken verbunden (wie der Fall in Köln zeigt, wo der Junge nach der Operation in die Notaufnahme gebracht werden musste).
    Außerdem können bei ihr zum Teil langwirksame körperliche und/oder seelische Schmerzen (Traumata) auftreten (besonders dann, wenn die Operation – wie die jüdische Lehre grausam fordert – ohne Betäubungsmittel durchgeführt wird, was verständlicherweise sogar als „Folter“ erlebt werden kann). Zusätzlich können danach lebenslang etliche Nachteile entstehen, wie man im Internet übers „Googeln“ erfahren kann.

    Darum sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass eine medizinisch nicht notwendige Operation erst nach einer umfangreichen Aufklärung – speziell über die Risiken und Nachteile – gemacht werden darf und mit der eigenen Unterschrift gebilligt werden muss (idealerweise sollte die betreffende Person also volljährig sein). Jüdische und muslimische Männer möchten ja sicher schließlich auch nicht, dass bei ihnen eine problematische Operation ohne ihr Einverständnis durchgeführt wird!

    Religiöse Traditionen sind nicht dafür da, ständig weitergegeben und unkritisch durchgeführt zu werden, sondern sollten stets offen gegenüber neueren Erkenntnissen sein, um dann gegebenenfalls geändert zu werden – gemäß dem Bibelwort: „Prüfet alles und (nur) das Gute behaltet!“

    Schließlich: Heutzutage ist es für eine gelungene Integration von religiösen Menschen in die sehr multiweltanschauliche Gesellschaft unbedingt notwendig, die Menschenrechte stets wichtiger als irgendwelche religiöse Regeln anzuerkennen!

  3. Zensus sagt:

    Man könnte sicher ellenlang auf die hier verbreiteten Religionsthesen antworten, allein schon die Behauptung, vielen hänge die Beschneidungsdebatte zum Hals herraus. Ich bestreite das aus Sicht einer freien Gesellschaft. Es handelt sich schlicht und einfach um einen kalten Krieg der Kulturen. Wenn die islamische Seite denn dem Trugschluß aufgesessen war, unsere jahrhundertelang gewachsene Gesellschaft würde sich, quasi per Handstreich, islamoreligiös gefärbte Handlungsweisen unterschieben lassen, muß sie nun einsehen, daß das Pendel auch entgegengesetzt ausschlagen kann. Damit muß sie sich arrangieren, ob sie will oder nicht
    Schließlich sind wir hier in Deutschland.

  4. BiKer sagt:

    @ moysich

    ihnen scheint nicht klar zu sein, dass es im koelner fall weder ein jude noch die juedische gemeinde haette revision einlegen koennen. denn sie waren nicht beteiligt. insofern hat auch niemand abstand davon genommen nach einer vermeintlichen pruefung oder dergleichen. gegen das urteil des lg haette selbst der betroffene arzt keine revision anlegen koennen weil er freigesprochen wurde. sie schreiben und suggerieren etwas, das so schlicht nicht stimmt. aber an alle: macht euch keine sorgen! die beschneidung ist und bleibt legal. hier hat nur ein lg entschieden. die staatsanwaltschaft berlin kann es ganz anders beurteilen und eine beschneidung nicht einmal vors gericht bringen. und zum abschluss: hier sind interessen der juden betroffen. schon deshalb wird der gesetzgeber aktiv werden. ;)

  5. Eroberer sagt:

    Dem Autor sei gedankt, da er die Thematik nüchtern und mit dem notwendigen juristischen Feingefühl kommentiert .

    Die „Debatte“ um die Muslime und den Islam wird zweifelsohne weitergehen…

  6. Michael sagt:

    Liebe Mitleser,
    ich habe heute im Tagesspiegel vom 3.6. von der Seite Migazin gehört und es hat mich interessiert, was hier für Informationen zu finden sind.
    Ich leite ein Gymnasium und eine Fachoberschule und es ist mir sehr an dem Thema Integration gelegen und ich glaube, dass wir an unserer Schule auch gut mit dem Thema zurecht kommen. Zunächst muss man sich über den Anderen informieren, um ihn zu verstehen. Danach solle man die vielen Gemeinsamkeiten (z.B. zwischen den Religionen) erkennen und herausstellen. Vorsichtig sollte man dann Unterschiede erkennen und gemeinsam überlegen, wie man damnit umgeht, ohne sich gegenseitig zu verletzen. Häufig kann man Unteschiede neben einander stehen lassen und als kulturelle Bereicherung annehmen ohne sich gegen einander zu stellen. Vielfalt ist meist Bereicherung, man muss nur ein Stück von seiner (eingefahrenen) Position abgehen.
    Ich finde es grundsätzlich toll, dass hier alle Meinungen geschrieben werden, würde aber doch für etwas mehr Zurückhaltung werben wollen, schließlich geht es wohl darum, Intergration zu verstehen und zu fördern.
    Als ich von dem Beschneidungsurteil gehört habe war ich doch etwas schockiert. Einen Jahrtausende alten Brauch, der meines Wissens kaum größeren Schaden hervorruft und einen wesentlichen Bestandteil zweier großer Religionen darstellt, einfach auf eine rechtliche Ebene herunterzubrechen zeigt mit erneut: Recht hat nichts mit Gerechtigkeit (oder Kultur) zu tun sondern mit unreflektierter Rechthaberei von Menschen, die keinen Glauben haben.
    Diese Beschneidung ist wohl kaum mit der bestialischen Beschneidung von Frauen in Afrika vergleichbar.
    Ansonsten finde ich reine Schönheitsoperationen viel unmoralischer und würde viel eher hier ein Verbot wünschen, denn diese OPs sind eher entwürdigend, soll doch durch sie ein Prototyp dargestellt und gleichsam die Anderen entwürdigt werden, eben genau das, was letztlich auch bei Fremdenfeindlichkeit vorliegt.

  7. alphaomega sagt:

    @BiKer
    “ aber an alle: macht euch keine sorgen! die beschneidung ist und bleibt legal.“

    Eher andersrum: Die Beschneidung war noch nie legal und ist auch jetzt noch nicht legal.
    Und da sie ja zu den Leuten hier im Forum gehören, die behaupten sie wären Rechtsanwalt: Warum steht, denn das Grundrecht des Kindes auf Unversehrtheit selbst im GG über der Religionsfreiheit? Warum soll eine aus religiösen Gründen herbeigeführte Verletzung weniger schlimm sein, als die gleiche Verletzung ohne religiöse Gründe? Vor allem Sie, als angeblicher Rechtsanwalt müssten doch wissen, dass die meisten Argumente die für eine Beschneidung sprechen, vor Gericht niemals eine Begründung sein könnten, nicht abwarten zu können , bis das Kind mündig ist. Das wissen alle Muslime und Juden und dass man sich jetzt hier so aufregt, liegt allein daran, dass man rein gar nichts dagegen tun kann, weil die Argumentation, anders als hier im Artikel dargestellt, sehr vernünftig ist und ich kann nicht verstehen, wie man als religiöser Mensch komplett veraltete Traditionen noch aufrecht erhalten kann.

    Ich glaube, was viele Menschen hier in Deutschland erschreckt hat, ist das Unvermögen Gläubiger Menschen (vor allem bei Juden und Muslimen) ihre eigene Religion kritisch zu betrachten und dass man als Gläubiger immer gleich davon ausgeht, dass die eigenen religiösen Gesetze unumwerflich sind, aber alle Anderen um einen herum sich anzupassen haben. Wenn man nicht mal religiöse Bräuche abschaffen kann, die ganz offensichtlich nicht zum Wohle des Kindes beitragen, sondern ganz im Gegenteil, diesen sogar eine wichtige(!!!) und nicht rückgängig machbare Entscheidung vorwegnimmt.

    Es ist nicht nur außerhalb jeder normalen Logik und der Vernunft, sondern auch noch Gesetzeswidrig, einem Kind die Vorhaut ohne sein einvernehmen abzuschnippeln. Das ist nichts anderes, als eine Beschneidung Typ I bei einer Frau (also nur die Schamlippen) und das wurde auch verboten und dafür gab es auch ganz gute Begründungen aus den religiösen Reihen, das beizubehalten und es auch heute noch beizubehalten. Gut dass wir die Frauen jetzt vor religiöser Willkür gerettet haben, aber jetzt müssen die kleinen Jungen auch gerettet werden.

    Ausserdem: Dies ist bereits der 4. Artikel bei Migazin der sich mit dem Thema Beschneidung beschäftigt und erstaunlicherweise (ironie) sind alle der gleichen Meinung. Nein, es gibt keinen einzigen kritischen Artikel über die Beschneidung bei Migazin und das obwohl es auch unter den Juden und den Muslimen genügend Beschneidungsgegner gibt oder Männer die sich um ihre Männlichkeit betrogen fühlen. Nicht einmal der Grünen Politiker Ali Bas war halbwegs im stande sich für die Rechte des Kindes einzusetzen. Es gab nur Argumente auf folgendem Niveau:

    „Eine Beschneidung ist so irreversibel, wie Ohrlöcher stechen lassen und deshalb müsste es auch verboten werden, Kindern Ohrlöcher stechen zu lassen.“

    1. Vielleicht ist es ihnen nicht bewusst, aber ein Ohrloch kann schnell wieder zuwachsen (manchmal auch zu schnell). Und auch wenn es zu einem Substanzverlust bei Ohrstechen kommt, so kann der Körper dies immer wiederherstellen, aber eine Vorhaut bleibt, für immer weg.
    2. Ja, man sollte es auch verbieten, denn es ist genauso unnötig wie eine Beschneidung. Und wenn irgendjemand mal gegen die Eltern von den betroffenen Kindern klagen würde, dann wäre dies auch verboten.

  8. alphaomega sagt:

    Was der Autor noch verschweigt:
    aus dem Tagesspiegel:
    „Daneben hat Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, die in Artikel 24 dazu verpflichtet, dass alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen. Wenn die Kritiker nun eine unzumutbare Einschränkung der Religionsfreiheit monieren, dann geht schon die Begrifflichkeit fehl, denn es handelt sich um die Einschränkung einer durch die Tradition begründeten Ausübung ihrer Religion zulasten ihrer Kinder. Die Eltern entscheiden sich unter Berufung auf ihre Religion für eine irreversible Körperverletzung ihres Kindes, das nicht in der Lage ist, eigenverantwortlich und selbstbestimmt darüber zu entscheiden, ob es in diese gravierende lebenslange Einschränkung wegen der Religionszugehörigkeit seiner Eltern einwilligt.“

  9. BiKer sagt:

    @ alphaomega

    wieso ihre kommentare an der sache vorbeigehen wird auch hoffentlich ihnen klar sein, wenn sie die urteilsbegruendung lesen. da steht u.a.: „Die Frage der Rechtmäßigkeit von Knabenbeschneidungen aufgrund Einwilligung der Eltern wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Es liegen, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, Gerichtsentscheidungen vor, die, wenn auch ohne nähere Erörterung der wesentlichen Fragen, inzident von der Zulässigkeit fachgerechter, von einem Arzt ausgeführter Beschneidungen ausgehen, ferner Literaturstimmen, die sicher nicht unvertretbar die Frage anders als die Kammer beantworten.“

    es gibt also auch meinungen vor, die beschneidungen nicht fuer strafbar halten und sogar g e r i c h t s e n t s c h e i d u n g e n. na was sagen sie dazu? baff, wa? so eindeutig wie sie uns das krampfhaft zu vermitteln versuchen scheint es
    also ncht zu sein.

    zur kinderrechtskonvention: dort steht, dass alle gesundheitsschaedlichen eingriffe verboten sind. impfungen bspw. nicht, obwohl sie starkes fieber verursachen koennen weil sie auch vorbeugend schuetzen fuer einen krankheitsfall, der nicht einmal eintreten muss. bei der beschneidung ist der fall aehnlich gelagert. hinzu kommt ein grundrecht, dass – auch wenn ihnen das nicht passt – doch gewicht hat.

  10. Optimist sagt:

    Ich kann mich an meine Beschneidung noch recht gut erinnern, weil ich damals etwa 7 Jahre alt war (relativ spät). Ich wurde ohne Betäubung beschnitten. Ich musste zwar bitterlich weinen, aber nicht aus Schmerz, sondern wegen dem Bewusstsein, daß mir gleich etwas abgeschnitten werden sollte. Den Schnitt selber hab ich nicht gespürt. Ich hatte sogar drauf gewartet, daß es gleich los geht, obwohl ich schon längst beschnitten war. Daran kann ich mich eben deswegen so genau erinnern, weil ich noch dachte: „Wie, das wars schon? Hab ja gar nichts gespürt.“. Den ersten Tag hatte ich im Bett verbracht, aber bereits am zweiten Tag konnte ich schon wieder (zunächst noch vorsichtig) herum gehen. Nach wenigen Tagen war alles vorbei. Meine Erinnerungen an diese Zeit sind nicht traumatisch, sondern fast durchweg positiv, weil durch das rituelle Beschneidungsfest fast alle meine Freunde und Familie gekommen waren, um mich zu beglückwünschen und mir Mut und Stolz zuzusprechen. Daneben gabs ja dann noch Geld und ne Menge anderer Geschenke. All diese Erfahrungen sollen also jemandem durch so ein hirnrissiges Urteil verwehrt werden. Vielleicht sollte der eine oder andere Gegner einer Beschneidung sich mal mit jemandem unterhalten, der sich an seine Beschneidung erinnern kann. Ich kenne niemanden, der ein Trauma davon getragen hätte, im Gegenteil. DIe positiven Auswirkungen einer Beschneidung muss man an dieser Stelle wohl kaum heraus heben, fragt mal einen Chirurgen. Unzählige Betroffene erzählen, daß die Eichel sogar empfindlicher wird, daß Man(n) länger kann, daß es in hygienischer Sicht einfacher und sauberer ist, daß die Beschneidung sogar Geschlechtskrankheiten (oder durch Geschlechtsverkehr übertragbare Krankheiten) vorbeugen kann (-15% HIV-Ansteckungsgefahr),. uswundsofort.

    Der Umgang mit diesem Thema spricht Bände. Selbstverständlich geht es hierbei um einen Kulturkampf. Da lamentieren manche Kommentatoren, man sei ja hier schließlich in Deutschland. Aber, wo wird denn ein muslimisches Kind aus der Gesellschaft in irgendeiner Weise heraus geholt, wenn der Junge beschnitten ist? Man läuft doch nich nackig rum und in den Umkleideräumen versuchen die Türken ohnehin meistens, sich schamhaft zu bedecken. Also wo tangiert ein beschnittener Mann die Ordnung der Gesellschaft in irgendeiner Form? Richtig, nämlich gar nicht. DIe Muslime versuchen nicht, den Deutschen ihren Stempel aufzudrucken, sondern umgekehrt. Wir versuchen ja schließlich nicht, irgendeinen Christen oder sonstwas zu einer Beschneidung zu bewegen. DIe Bevormundung ist gegen die Muslime gerichtet und nicht umgekehrt. Dies ist lediglich ein weiterer Schritt, unsere Religion zu diffamieren, indem man ihr zur Frauenfeindlichkeit jetzt auch noch Kindesfeindlichkeit mit anhängen will. Es wird von oben herab eine Thesenkette argumentiert, wovon die Urteilsbegründer nicht den Hauch eines Schimmers zu haben scheinen. Ich glaube eher, mancher Richter versteht sich als moderner Inquisitor im kampf gegen die Übernahme des Islam in Deutschland. DIe „Heiden“ sollen auf den rechten Weg der Tugend gebracht werden, weil sie selber barbarisch sind.

    Letztlich bedeutet das wieder mal folgendes: Hier sind wir und dort seid ihr. Bei uns ist alles gut, ihr (eure Kultur, eure Religion, einfach alles) seid schlecht. Macht es wie wir, seid wie wir, gebt euch auf und assimiliert euch einfach vollständig. Dadurch seid ihr dann zwar immer noch nicht wie wir, aber wir haben einen Kritikpunkt weniger, was allerdings nichts bedeutet.

    Nichts wird sich ändern, einzig die Kriminalisierung einer ganzen Religionsanhängerschaft wird vorangetrieben.