Jetzt geht’s um die Wurst

Gericht stellt religiöse Beschneidung von Jungen unter Strafe

Das Landgericht Köln hat die religiöse Beschneidung von Jungen für Ärzte unter Strafe gestellt. Der Zentralrat der Juden kritisiert das Urteil scharf. Die Leidtragenden dürften die Kinder sein. Ärzte gibt es auch im Ausland, die Beschneidungen vornehmen.

„Diese Rechtsprechung ist ein unerhörter und unsensibler Akt.“ Mit diesen Worten kritisierte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, ein Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012 verworfen (Az. 151 Ns 169/11). Das Gericht hatte die Beschneidung von Jungen aus rein religiösen Gründen unter Strafe gestellt.

Zur Begründung führte die Kammer aus, dass die Beschneidung eine Körperverletzung darstelle und dieser Eingriff nicht durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt sei, weil sie nicht dem Wohl des Kindes entspreche. Denn im Rahmen einer vorzunehmenden Abwägung überwiege das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit vorliegend die Grundrechte der Eltern. Ihre Religionsfreiheit und ihr Erziehungsrecht würden nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie abwarten, ob sich das Kind später selbst für eine Beschneidung entscheidet.

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Weitreichende Folgen
Im Ergebnis wurde der angeklagte Arzt, der den Eingriff vorgenommen hatte, zwar freigesprochen und das vorinstanzliche Urteil bestätigt – doch mit einem wesentlichen Unterschied: Der Arzt werde freigesprochen weil er sich in einem „unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden“ habe. Er habe angenommen, dass sein Handeln rechtmäßig gewesen sei. Dieser Irrtum sei für ihn unvermeidbar gewesen, da die zugrunde liegenden Rechtsfragen in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet würden.

Eine höchst umstrittene Entscheidung also, die auch hätte anders ausfallen können. Dennoch könnte dieser Richterspruch weitreichende Folgen haben: Von nun an kann sich kein Arzt mehr darauf berufen, er hätte die Strafbarkeit nicht gewusst. In der Praxis dürften Juden wie Muslime, die Beschneidungen ebenfalls aus religiösen Gründen vornehmen lassen, künftig Schwierigkeiten haben, einen Arzt zu finden, der sich bereit erklärt, die Beschneidung vorzunehmen.

Kindeswohl?
Trotzdem ist es unwahrscheinlich, dass Juden wie Muslime von heute auf morgen von dieser religiösen Pflicht absehen. „Die Beschneidung von neugeborenen Jungen ist fester Bestandteil der jüdischen Religion und wird seit Jahrtausenden weltweit praktiziert. In jedem Land der Welt wird dieses religiöse Recht respektiert“, so Graumann. Ähnliches gilt für Muslime.

Findet sich also kein Arzt in Deutschland, der die Beschneidung durchführt, dürften sich Ärzte im Ausland Ausland finden, die diesen aus jüdischer und muslimischer Sicht feierlichen Akt gerne vornehmen. Dabei hatte das Gericht mit dem Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit argumentiert. Nun dürften die Jungen für die Beschneidung künftig auch noch eine Reise ins Ausland auf sich nehmen. Dabei wäre die ärztliche Versorgung in Deutschland am ehesten gewährleistet. Auch im vorliegenden Fall stellte das Landgericht fest, dass die Beschneidung fachlich einwandfrei durchgeführt worden war.

Wichtiger Stellenwert
Mit dem Kindeswohl hatte übrigens auch die Vorinstanz argumentiert: Der Eingriff sei aufgrund der wirksamen Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern gerechtfertigt gewesen. Die Entscheidung habe sich an dem Wohl des Kindes ausgerichtet, da die Beschneidung als traditionelle Handlungsweise der Dokumentation der kulturellen und religiösen Zugehörigkeit diene, womit auch einer Stigmatisierung des Kindes entgegengewirkt werde. Ferner dürfe nicht verkannt werden, dass die Beschneidung auch im amerikanischen und angelsächsischen Raum aus hygienischen Gründen einen wichtigen Stellenwert einnehme. (es)