Frau Staatsministerin Böhmer leitete ihre Präsentation mit den Worten ein „Migranten sind Menschen wie du und ich, die volle Teilhabe wollen.“ Stimmt. Weiter ging es: „Der Bericht zeigt einen positiven Trend, weist aber auch auf Lücken hin.“ Stimmt auch. „Die soziale Herkunft ist ein entscheidender Faktor.“ Stimmt leider auch!
Worüber Frau Böhmer nicht spricht: Die strukturelle Schlechterstellung in der Bildung war schon vor dem Indikatorenbericht empirisch belegt. Die Bedeutung der sozialen Herkunft ist ebenfalls hinlänglich bekannt. Für den Arbeitsmarkt werden in dem Bericht nur sehr grobe Daten und daher nichts Neues präsentiert. Kein Wort über die dramatisch gesunkenen Einbürgerungszahlen, oder über die mangelnden Fortschritte bei der interkulturellen Öffnung der Verwaltung. Statt regelmäßig die Mär von Integrationsverweigerern herbeizureden, sollte die schwarz-gelbe Bundesregierung endlich den Blick für die Ursachen der strukturellen Unterrepräsentanz und Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Einwanderungsgesellschaft in den Blick nehmen. Deutschlands Integrationsfähigkeit ist verbesserungsbedürftig und sollte selbstkritischer betrachtet werden. Wir sollten auch neue Wege zur Gleichstellung von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund beschreiten, die den Bedürfnissen der Menschen begegnen und ihre Potenziale befördert.
Stichwort Einbürgerung
Die Staatsbürgerschaft ist ein wichtiger Baustein für die volle politische und sozio-ökonomische Teilhabe in Deutschland. Mit der Staatsbürgerschaft ist das volle aktive und passive Wahlrecht verknüpft und ein vergleichsweise leichterer Zugang zum Arbeitsmarkt. Es ist wichtig, dass aktiv für die Einbürgerung geworben und bestehende Hindernisse abgebaut werden. Seit 2005 ist die Einbürgerungsquote um 20 % gesunken. Dieser Trend muss umgekehrt werden. Dazu gehört auch die überfällige Abschaffung der rückwärtsgewandten Optionspflicht. Kinder die in Deutschland geboren werden und Kinder deren Eltern hier dauerhaft leben, sollten automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Wie die Bundesregierung den Abwärtstrend umkehren möchte, bleibt auch nach der Sitzung des Innenausschusses unklar.
Stichwort interkulturelle Öffnung der Verwaltung
In dem Bericht heißt es richtigerweise, dass die interkulturelle Öffnung der Verwaltung und der sozialen Dienste Motor der Integration ist. Der öffentliche Dienst verkörpert als staatliche Institution in besonderer Weise das Gesicht unserer Gesellschaft. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass der Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund insgesamt konstant bei 9 % liegt. Differenziert nach Nettoeinkommen liegt der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund mit weniger als 1100€ bei 15,7%; mit mehr als 2000€ bei 6,3 %. Die Mehrheit ist also in einfachen Tätigkeiten beschäftigt ist. Die SPD-Bundestagsfraktion hält anonymisierte Bewerbungsverfahren und verbindliche Zielvereinbarungen für geeignet, um den Anteil von Mitbürgern mit Migrationsbiographie auf allen Ebenen des öffentlichen Dienstes zügig und verbindlich zu erhöhen. Ein Konzept der Bundesregierung hierzu? Fehlanzeige.
Diese beiden Teilhabebereiche aus dem 260-seitigen Indikatorenbericht legen beispielhaft den Finger in die Wunde: Der Bundesregierung mangelt es an Integrationsfähigkeit. Die schwarz-gelbe Schaufensterpolitik mit unzähligen Integrations- oder Islamgipfeln, Integrations-Aktionsplänen und Integrationsprogrammen können eben nicht über die mangelnde Handlungsfähigkeit der Bundesregierung hinweg täuschen.