2 Zimmer, EBK, Bad, Balkon

„Wir melden uns dann“

„Wir melden uns dann“, heißt es oft nach dem ersten Telefonat mit dem potenziellen künftigen Vermieter. Nur meldet sich niemand, wenn man Hakimi heißt. Ein kleiner Abschnitt aus dem Alltag in Deutschland.

Von Nasirah Raoufi Montag, 12.03.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 15.03.2012, 8:27 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

„Sie hören morgen von uns, dann teilen wir Ihnen alles Weitere mit“, versichert man ihr. Sahar Hakimi schüttelt unglaubwürdig den Kopf und legt das Handy zur Seite. Es ist die sechste Wohnungsanfrage innerhalb von 2 Tagen. Wie ein Déjà-vu – immer die gleichen Fragen, immer die gleiche Skepsis. Das Warten auf den Rückruf hat sie längst aufgegeben. Immer brav weitersuchen.

„Ja, die Wohnung ist noch frei. Sie können gerne vorbeischauen, Frau…?“ „Hakimi. Wie man´s spricht.“ „Alles klar, Frau Aaaakemi. Aufgrund der starken Nachfrage muss ich mal schauen, wann wir die Gemeinschaftsbesichtigung anbieten. Wir melden uns dann.“

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Viel versprechende Inserate schmücken ihren Schreibtisch. Ein Immobiliensuchportal ist als vorübergehende Startseite programmiert. Irgendwann muss es doch klappen … wenigstens eine Einladung zur Besichtigung. „Schönen Guten Tag! Ha…rtmann hier, die Wohnung auf der Florastraße. Ist die noch frei?“

Der erste Besichtigungstermin. Viele Interessenten, tolle Wohnung, Vermieter mit Bierbauch. Im Schlafzimmer steht ein Nachtspeicherofen. So was gibt’s noch? Sie fragt nach: „Sind die Heizkosten denn trotzdem tragbar?“ Ein prüfender Blick vom Gegenüber: „Nun ja, es kommt ja immer drauf an, wie man heizt. Da, wo Sie herkommen sind die ja Kälte nicht gewohnt. Dann wird´s halt auch teuer!“ Fiese Lache und ziemlich besorgniserregendes Raucherhusten folgen auf die unglaublich schlechte Bemerkung des Herrn Thalhorst. Florastraße hin oder her, hier möchte Sahar nicht mal für 2 €/m² leben. Neue Woche, neues Glück.

Im Internet entdeckt sie eine süße 2-Zimmerwohnung inklusive Einbauküche. Schnell anrufen, bevor Luise Schmidt, Paula Müller oder Leon Steeder trotz geringerem Einkommen, schlechterem Benehmen oder weniger Prozent in der Schufa-Auskunft die Wohnung ergattern. „Darf ich mir noch kurz Ihren Namen notieren, um Sie für Donnerstag zu vermerken?“ „Klar! Mein Name ist Hakimi. Ich buchstabiere mal eben: Hilal, Ahmad, Kaveh, Indira, Mohammad, Issa!“ Aktuell Meinung

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  1. aloo masala sagt:

    Normal.

    Mein Name klingt wohl nicht so offensichtlich fremdländisch. Deswegen kam ich als Student immer bis vor die Haustür aber leider selten weiter:

    „Ist das Zimmer noch frei?“
    „Ja ist noch frei.“
    „Wann wäre Ihnen recht, dass ich zur Besichtigung vorbeikomme?
    „Jetzt gleich wäre möglich“
    „Gut, dann komme ich in 20 min“

    Ich klingele, Tür öffnet sich.

    „Guten Tag, ich komme wegen des Zimmers.“
    Kurze Pause. Es arbeitet auf der anderen Seite.
    „Tut mir leid, das Zimmer ist schon vergeben“

    Den Vogel schoss eine ehrenwerte Dame ab:
    Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber die anderen Mieter könnten ja Anstoß daran nehmen. Deswegen vermiete ich nicht an Ausländer und Hunde, also Mieter mit Hunden.

    Eine andere Dame aus der christlich-abendländlichen Leitkultur teilte mir mit, dass sie nicht mehr an Ausländer vermieten würde, weil sie ins Waschbecken pinkeln würden. Kurze Pause, bevor ich zugab, dass ich mich auch noch nie im Klo gewaschen habe.

  2. MoBo sagt:

    In Brandenburg zu meinem Vater: „Dann mal einen schönen Aufenthalt in Deutschland…“ Da hatte mein Papa schon 35 Jahre in der BRD gelebt, also ganze 15 Jahre länger als die Ossis…

  3. Pepe sagt:

    „Mein Name klingt wohl nicht so offensichtlich fremdländisch. Deswegen kam ich als Student immer bis vor die Haustür aber leider selten weiter“

    Merken Sie den Widerspruch zwischen beiden Sätzen?

    Es wird häufig über die mangelhafte oder gar unvorhandene Bereitschaft von muslimischen Migranten zur Integration oder „Leistung“ lamentiert. Es wird aber nie von diesen Hürden (die tatsächlich existieren) gesprochen, denn sie wären der Allgemeingesellschaft zu unangenehm. Erst wenn dieser tägliche Rassismus oder auf Basis der Kultur stattfindende Ausgrenzung thematisiert und anschließend bekämpft wird, kann man Integration erwarten. Wer bekennt sich schon zu einer Kultur und Volk, das einen diskriminiert und als ein Stück Dreck behandelt? Da sind Länder wie die USA oder Canada weit entwickelter und weniger primitiv.

  4. Sugus sagt:

    @ MoBo
    Die DDR war auch Deutschland. Und die BRD ist nicht gleichbedeutend mit Deutschland. Ist das so schwer zu verstehen?

  5. YILMAZ sagt:

    Deswegen miete ich auch nur noch bei Landsleuten und Glaubensbrüdern an.

  6. Sinan A. sagt:

    Ich wollte schon spontan anbieten, wenn hier was frei wird (sogar noch besser als Florastraße und bezahlbar) melde ich mich beim Migazin. Aber hier ist wohl von Düsseldorf die Rede.

    Auf jeden Fall,
    schöner Artikel, gute Arbeit!

  7. aloo masala sagt:

    Ein pikanter Aspekt an der ganzen Sache ist, dass vermutlich die gleichen Leute, die nicht an Ausländer ihre Wohnungen vermieten auch lauthals mit aufgeblasenen Backen sich über Ghetto-Bildungen und damit einhergehenden Parallelgesellschaften echauffieren.

  8. MoBo sagt:

    @ Sugus Sie machen auch jeden Witz kaputt…
    … und vergessen dabei, dass einem Menschen der seit 35 Jahren in Deutschland lebt sowas wie „Willkommen in Deutschland“ zu sagen eine ganz schöne Frechheit ist. So in etwa wie „Sie können aber gut deutsch“

  9. ichwarsnicht sagt:

    „vergessen dabei, dass einem Menschen der seit 35 Jahren in Deutschland lebt sowas wie “Willkommen in Deutschland” zu sagen eine ganz schöne Frechheit ist. So in etwa wie “Sie können aber gut deutsch”“.

    Da sieht man es wieder. Keine „Willkommenskultur“ = nicht gut. „Willkommenskultur“ = auch nicht gut.

    Wie man es macht, macht man es falsch. :-D

  10. Sugus sagt:

    @ MoBo
    Ich kenne persönlich Ausländer, die jahrzehntelang hier sind und Deutsch radebrechen, als ob sie vor 14 Tagen hergekommen wären. „Sie können gut Deutsch“ ist also als das wahrzunehmen, was es ist: einfach nur ein Lob.
    […]
    Daß ein (West-)Deutscher es als frech empfindet, wenn Ausländer gegenüber (Ost-)Deutschen sagen „Wir waren zuerst hier“ kommt Ihnen nicht in den Sinn?