Gemeinsamer Kandidat

Joachim Gauck soll der neue Bundespräsident werden

Der frühere Präsidentschaftskandidat der SPD, Joachim Gauck, soll neuer Bundespräsident werden. Das gaben die Spitzen der Union, SPD, Grüne und FDP gestern Abend bekannt. Nur für die Linkspartei ist er unwählbar. Gauck hatte Sarrazin „Mut“ bescheinigt. Verdient er trotzdem eine Chance?

Bundespräsident Christian Wulff wurde zurückgetreten – von der vierten Gewalt. Ob seine Rede vom 3. Oktober 2010 ausschlaggebend war, in der er dem Islam bescheinigte, auch zu Deutschland zu gehören, wird niemals aufgeklärt werden. Fakt ist aber, dass die Medien ihn nach dieser Aussage nicht mehr wie gewohnt im rechten Licht abdruckten, sondern fortan nur noch Fragen stellten. Dieser Nachgeschmack wird bleiben.

Bleiben wird auch Wulffs Weihnachtsansprache, die er zum Großteil den Hinterbliebenen der Neonazi Opfer widmete. Er wird Millionen Menschen in Erinnerung bleiben, als ein großer Staatsmann, der sich für Vielfalt und Pluralität einsetzte – Ganz im Sinne der Verfassung, und als jemand, der sich allen Menschen in diesem Land verpflichtet fühlte.

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Joachim Gauck
Nun soll der frühere Präsidentschaftskandidat der SPD, Joachim Gauck, das Amt übernehmen. Die FDP hatte sich am Sonntagabend auf ihn geeinigt und die Union widerwillig zugestimmt. In einer spontan einberufenen Pressekonferenz präsentierten die Parteichefs aller Bundestagsfraktionen dann Joachim Gauck als den neuen gemeinsamen Bundespräsidenten.

Nur die Linkspartei war nicht vertreten. Für sie ist Gauck unwählbar. Die Begründung lieferte die migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei Sevim Dağdelen bereits am Freitag: „Jemand, der wie Gauck dem Rechtspopulisten Sarrazin bezüglich seiner rassistischen und diskriminierenden Aussagen zu Migrantinnen und Migranten ‚Mut‘ bescheinigt, disqualifiziert sich.“ Gauck stehe für eine Politik, „die keine Berührungsängste zu rechtspopulistischen Inhalten“ habe.

Fakt ist
Ende 2010 hatte Gauck Thilo Sarrazin, attestiert, „Mut bewiesen“ zu haben. „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik“, hatte Gauck gesagt. Die politische Klasse könne aus dem Erfolg von Sarrazins Buch lernen, dass „ihre Sprache der politischen Korrektheit bei den Menschen das Gefühl weckt, dass die wirklichen Probleme verschleiert werden sollen“.

Die Frage, ob Gauck Sarrazin auch dann Mut bescheinigt hätte, wenn er im Juni 2010 die Präsidentschaftswahl gegen Christian Wulff gewonnen hätte, wird nur er beantworten können. Und diese Chance sollte man ihm geben. Denn Fakt ist, dass viele, die heute Wulff hinterhertrauern, sich ursprünglich für den SPD- und Grünen-Kandiaten Gauck starkgemacht haben.