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Mögliche Integrationsverläufe – ein Vergleich

Wie wird die Integration bzw. Chancenangleichung für Personen (mit türkischem Migrationshintergrund) in der Zukunft verlaufen? Ein Blick auf eine in den USA kontrovers geführte Diskussion könnte die Antwort liefern.

In den USA gibt es derzeit eine kontroverse Diskussion zwischen zwei Lagern von renommierten Migrationsforschern, bei der es um mögliche Intergrationsverläufe für verschiedene Gruppen von Personen mit Migrationshintergrund geht.

Während die einen –Alba et al. – davon ausgehen, dass es allmählich zu einer wechselseitigen Anpassung zwischen den verschiedenen Gruppen in allen gesellschaftlichen Bereichen kommen und die ethnische Zugehörigkeit am Ende keine Rolle mehr spielen wird, gehen die anderen –Portes et al. – von einer ethnischen Segmentierung aus, bei der sich verschiedene Gruppen von Personen mit Migrationshintergrund an unterschiedliche „hierarchisch definierte“ Segmente der us-amerikanischen Gesellschaft anpassen.

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Beispielsweise werden soziostrukturell untere Segmente der Gesellschaft überdurchschnittlich oft von Personen mit mexikanischem Migrationshintergrund besetzt. Begleitet wird diese Segmentierung von Ethnisierungsprozessen, welche die Segmentierung zusätzlich verstärken – z.B. ethnische Stereotypisierungen wie Personen mit mexikanischem Migrationshintergrund sind arbeitslos und faul und Personen mit chinesischem Migrationshintergrund sind ehrgeizig und schlau.

Beide Seiten können ihre Sichtweisen anhand von eigenen empirischen Daten unterstreichen. Zwar beobachten beide Lager soziale Aufstiege zwischen der zugewanderten ersten Generation und in der Aufnahmegesellschaft geborenen zweiten Generation, die sie auf die migrationsbedingten erhöhte Aufstiegsorientierung der Elterngeneration zurückführen, dennoch aber können Portes et al. zeigen, dass dieser Aufstieg hauptsächlich zwischen erster und zweiter Generation stattfindet und danach eine Stagnation und unter Umständen eine Abwärtsmobilität eintritt.

Dies führen sie bei Personen mit mexikanischem Migrationshintergrund darauf zurück, dass es dieser Gruppe im Unterschied zu der Gruppe der Personen mit chinesischem Migrationshintergrund nicht gelang, eine stabile aufwärtsorientierte Community zu etablieren, die Zugang zu bildungs- und arbeitsmarktrelevanten Ressourcen bietet, so dass eine Anpassung an untere Segmente der us-amerikanischen Gesellschaft erfolgt. Die Etablierung einer aufwärtsorientierten Community gelang ihnen vor allem deshalb nicht, weil sie deutlich schlechtere soziostrukturelle Ausgangsbedingungen im Vergleich zu Personen mit chinesischem Migrationshintergrund hatten.

Wie sieht es in Deutschland aus?
Bezogen auf die Arbeitsmigration der 60er Jahre bieten nur Personen mit türkischem Migrationshintergrund eine ausreichend große Zahl, um Intergrationsverläufe differenziert genug beschreiben zu können, wobei es zur dritten Generation keine belastbaren Zahlen, aufgrund der jungen Zuwanderungsgeschichte der Bundesrepublik gibt. Betrachtet man nun die Bildungssituation dieser Gruppe, die aus deutlich ungünstigeren soziostrukturellen Bedingungen starten als andere Gruppen, so zeigen Studien auch hier eine Bildungsanstieg der einheimischem Personen mit türkischem Migrationshintergund – also der hier geborenen Personen – im Vergleich zu ihrer zugewanderten Elterngeneration.

Bei einem Geburtskohortenvergleich kann auch beobachtet werden, dass die Bildungsbeteiligung der einheimischen Frauen mit türkischem Migrationshintergund über die Geburtskohorten hinweg im oberen Bildungssegment deutlich ansteigt (Abi bzw. Fachhochschulreife für Geburtskohorten: 1969-74: 18%; 1975-80: 23%; 1981-86: 33%) , während sie bei Männern stagniert (1969-74: 24%; 1975-80: 24%; 1981-1986: 24%). Und im Vergleich zu Einheimischen ohne Migrationshintergrund bleiben die Unterschiede groß (Frauen: 48% und Männer: 42% der Geburtskohorte 1981-86).

Damit ergibt sich für Personen mit türkischem Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren wurden ein gemischtes Bild. Der Anstieg der Mädchen könnte mehrere Gründe haben: Zum einen werden – so zeigen Studien – Frauen elterlichen Bildungserwartungen eher gerecht als Jungen und zum anderen spielt möglicherweise eine allgemein höhere „Schulkonformität“ bei Mädchen (z.B. bildungsrelevante Hobbies wie Lesen) eine Rolle. Möglich ist auch, dass Mädchen vorhandenes soziales Kapital stärker nutzen als Jungen z.B. Hausaufgabenhilfen.

Die Erfahrungen aus den USA jedenfalls und die Schlussfolgerungen daraus zeigen die Wichtigkeit von sozialen Netzwerken innerhalb der „ethnischen“ Gemeinde, da sie den Zugang zu bildungsrelevanten Ressourcen ermöglichen und zudem Personen neben dem sozialen Abstieg auch vor Fremdzuschreibungs – und Diskriminierungserfahrungen schützen können. Daher kommen Förderprogrammen, die solche Netzwerke stärken – und auch die Eltern miteinbeziehen – eine große Bedeutung zu (z.B. FörMig, Stadtteilmütter etc.).

Auch das Verhalten der Bildungsaufsteiger ist dabei zentral (z.B. Wahl der Schulen nach „ethnischen“ Kriterien und Stereotypen aufgrund von statuserhaltenden Motiven). Neben diesen Faktoren könnte auch der Bildungserfolg der einheimischen Frauen mit türkischem Migrationshintergrund das Heiratsverhalten dieser Gruppe beeinflussen. Folgt man der Homogamie-These , könnte die Hypothese lauten: Da Frauen mit türkischem Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren wurden, Schwierigkeiten haben, auf dem „Heiratsmarkt“ statusähnliche Partner zu finden, werden sie eher interethnisch heiraten oder ihre Partner im Ausland suchen. Und umgekehrt bedeutet dies für die Männer, dass auch sie nach Alternativen suchen werden, was interethnische Partnerschaften, Partnersuche im Ausland aber auch erhöhte Bildungsmotivation –um ihre Chancen auf dem „Heiratsmarkt“ verbessern zu können – bedeuten kann.

All diese Faktoren werden die Bildungsbeteiligung von Personen (mit türkischem Migrationshintergrund) der nachfolgenden Geburtskohorten und Generationen beeinflussen und zeigen, ob soziostrukturelle und migrationsbedingte Nachteile überwunden werden.