Neonazi-Ermittlungen

Fehlt der Wille zur schonungslosen Aufklärung?

Deutschland wartet auf die Aufklärung des größten Sicherheitsskandals der Nachkriegsgeschichte. Unterdessen werfen die bisherigen Ermittlungsbemühungen mehr Fragen auf, als sie beantworten. Fehlt der Wille zur Aufklärung?

Die bisherigen Ermittlungsbemühungen zur Aufklärung der Neonazi-Terroristen werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten. Und die Liste der offenen Fragen wird täglich länger. Neuen Erkenntnissen zufolge soll auch eine Serie von Brandstiftungen im saarländischen Völklingen mit hauptsächlich türkischen Opfern auf das Konto der rechtsextremen Terrorgruppe aus Zwickau gehen.

Wieso haben die Sicherheitsbehörden bei allen Taten rassistische Hintergründe zunächst kategorisch ausgeschlossen? Welche Verwicklungen und Verbindungen gibt es zwischen den Terroristen und den Sicherheitsbehörden? Wieso wurden die Täter bisher nicht gefasst, obwohl es eine Reihe von Möglichkeiten gab? Wurden sie gedeckt? Und wenn ja, von wem?

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Befangene Gremien
Das sind die Fragen, auf deren Beantwortung ganz Deutschland wartet. Unterdessen sind Regierungspolitiker damit beschäftigt, die Chancen eines neuen NPD-Verbots auszuloten, ohne die umstrittenen V-Männer abzuziehen oder berufen Personen in Gremien, die möglicherweise befangen sind.

So die von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) einberufene Dreierkommission. Ursprünglich sollten dort Ulrich Kersten (ehemaliger Präsident des Bundeskriminalamtes), Hansjörg Geiger (früherer Präsident von Bundesverfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst) und Wolfgang Zeitlmann (früherer CSU-Innenexperte) sitzen. Da kam Kritik sogar vom Vorsitzenden der Polizei-Gewerkschaft, Bernhard Witthaut. Er bezeichnete die Zusammensetzung als „unglücklich“, da Personen berufen worden seien, die „in wesentlichen Zeitabschnitten des Aufbaus und Wirkens der Terrorgruppe selbst Verantwortung getragen haben“.

Gremium mit CDU- und SPD-Leuten
Nun soll ein Bund-Länder-Gremium den größten Sicherheitsskandal der Nachkriegsgeschichte näher untersuchen. Zur Begründung verwies Hans-Peter Uhl von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf die föderale Struktur der Sicherheitsbehörden in Deutschland. Man müsse „bei Beibehaltung der bestehenden Strukturen bessere Kommunikationsmechanismen entwickeln“. Und diese sollten von einer gemeinsamen Bund-Länder-Kommission erarbeitet werden. SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann unterstützt diese Lösung: „Ich sehe für ein solches Gremium gute Chancen.“

Für Petra Pau (Die Linke) ist damit aber „die Aufklärung beendet, ehe sie beginnen kann“. „Ein handverlesener 12er-Rat, vornehmlich aus CDU- und SPD-Leuten, soll klären, warum vornehmlich Unions- und SPD-geführte Behörden versagt haben – im Bund und in den Ländern. So kommt kein Licht ins Dunkel“, so die Linkspolitikerin. Diese Kritik kommt nicht von ungefähr. Denn auch die von Friedrich ursprünglich berufene Dreierkommission soll in die neue Bund-Länder-Kommission integriert werden.

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    Wieso es keinen Untersuchungsausschuss gibt, wollen die Grünen wissen. Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele: „Wir kommen an einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht vorbei.“ Die von SPD und Union favorisierte Bund-Länder-Kommission behindere und verzögere unnötig die Aufklärung durch den Bundestag. „Dabei hätte ein Untersuchungsausschuss und auch das bestehende Kontrollgremium alle Befugnisse, Zeugen zu laden, Akten auch aus den Bundesländern beizuziehen oder einen Sonderermittler einzusetzen“, so Ströbele.

    Staat muss richtige Antworten geben wollen
    Memet Kılıçs (Die Grünen) Kritik richtet sich an die Präsidenten des Bundeskriminalamtes und des Bundesverfassungsschutzes, die am 2. Dezember 2011 in einer Pressekonferenz das Volk um Mithilfe gebeten haben. „Das Volk jedoch bittet in erster Linie diese Behörden bei der Aufklärung der Fälle um Mithilfe“, so Kılıç. Das Hauptaugenmerk solle vielmehr auf die „Verwicklungen zwischen Verfassungsschutz und Rechtsradikalen anderer Behörden gelegt werden“. Diese Verbindungen könnten nicht allein vom Volk aufgeklärt werden. Daher müsse der Staat die vielen Fragen selber beantworten.

    „Die bereits bekannt gewordenen Fakten haben ausgereicht, das Vertrauen der Immigranten in den Rechtsstaat in seinen Grundfesten zu erschüttern. Viele sind überrascht, wie vorturteilsbeladen und einseitig die Sicherheitsbehörden in der Vergangenheit ermittelt haben. Damit der Staat das Vertrauen aller Bürgerinnen und Bürger wieder gewinnen kann, müssen diese Vorfälle schonungslos aufgeklärt werden. Dafür brauchen wir nicht nur gute Fragen, sondern auch den Willen, richtige Antworten zu geben“, so der Grünen-Politiker abschließend. (bk)