Medien

Wir haben keine Fragen gestellt!

Die rassistischen Morde in Deutschland zeugen nicht nur von einem kompletten Versagen von Polizei und Verfassungsschutz. Sie sind auch unser Versagen. Jahrelang haben wir Journalisten nicht die richtigen Fragen gestellt.

Von Marjan Parvand Dienstag, 22.11.2011, 7:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 25.11.2011, 5:05 Uhr Lesedauer: 1 Minuten  |  

Jahrelang haben wir uns mit dem zufrieden gegeben, was uns Polizei und Behörden als mögliche Tatmotive genannt haben. Jahrelang haben wir die Begrifflichkeiten der Behörden – „Dönermorde“ oder „Soko Bospurus“ – nicht nur hingenommen sondern uns derselben menschenverachtenden Sprache bedient. Wir haben uns gemein gemacht, und eines der höchsten Güter unseres Berufs aufgegeben: die Unabhängigkeit.

Es ist die Aufgabe des Journalisten zu zweifeln. Es ist die Aufgabe des Journalisten immer wieder seinen eigenen Standpunkt und die seiner Gesprächspartner in Frage zu stellen. Es ist die Aufgabe des Journalisten andere Perspektiven und Blickwinkel zuzulassen. Erst so kann er der Wahrheit ein wenig näherkommen. Was die rassistischen Morde in unserem Land angeht, haben wir nicht nur das alles nicht gemacht, wir haben auch noch unser wichtigstes Werkzeug – die Frage – über Bord geworfen.

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Und weil das so ist, ist es an der Zeit, dass wir Journalisten uns selbst ein paar Fragen stellen: Warum haben wir immer wieder die vagen Aussagen der Behörden bezüglich der Tatmotive hingenommen? Warum haben wir, als Beamte finanzielle Probleme innerhalb der sogenannten „Community“ als Motiv herbeiführten, aber keine konkreten Beweise dafür liefern konnten, das akzeptiert? Warum haben wir nicht nachgehakt, was es mit der angeblichen Familienfehde auf sich habe? Warum stellten wir nicht die Frage danach, was denn mit dem „impulsiven Temperament des familiären Umfelds“ genau gemeint sei?

Ich werde diese Fragen hier nicht beantworten. Ich stelle sie mir selbst und bin entsetzt und traurig über die Antworten, die mir in den Sinn kommen. Aktuell Meinung

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  1. Stefan sagt:

    Das erst jetzt diese Fragen gestellt werden, finde ich sehr bezeichnend.

    Warum sind alle auf einmal so erschüttert? Der schwarze Mann klopft nun an der Tür, erst jetzt droht man ihm mit Ungemach?

    Den schwarzen Mann gab es schon seit mehreren Jahrzehnten. Erst jetzt begreift ihr, was ihr mit Ignoranz erreicht. Diese Wegsehen-Mentalität, weil es einen selbst nicht betrifft und man auch keine blauen Flecken abbekommen möchte, finde ich nicht mehr erträglich.

    Die Summe der Ignoranz in den Köpfen vieler, lässt den schwarzen Mann erst entstehen.

  2. Alexander sagt:

    „Kommission Bosporus“ kommt von den Behörden, und diese Bezeichnung ist auch erst einmal nicht groß zu kritisieren, weder steckt in diesem Begriff Rassismus noch eine gewisse Ermittlungsrichtung, sondern der kleinste gemeinsame Nenner der ersten Opfer: türkische Kleinunternehmer mit Migrationshintergrund. Döner-Morde ist dagegen ein echter Pressebegriff und es wäre mal eine dankbare Rechercheaufgabe, herauszufinden, wer den kreiert (Bild?) hat und dann weiter verwendet hat.

  3. claudia sagt:

    …gute fragen und es ist beruhigen für mich dass es noch immer menschen gibt sich diesen offen stellen….

  4. keine Fragen sagt:

    Das wäre einem beim Lesen von Forenkommentaren schon früher klargeworden.
    Aufgekochter Agentur“journalismus“ wird unreflektiert copy-pasted. Weil man sonst Ärger kriegt.
    Das Forum weiss kollektiv meist mehr als der Reporter. Keiner nutzt es.
    Wieso fragt niemand die DAX30-Firmen wie lange sie bei halber Auftragslage die nächste Rezession durchstehen ? Dann bräuchte der Staat keine ganzen Branchen mehr durchfüttern und durchsubventionieren weil alle ihre Boni und Gewinne endlich mal für schlechte Zeiten sparen müssen.
    So würde fragender Journalismus wirken. Getarnt als Wirtschafts-Journalismus.
    Aktuell heute kommt die EU-Privatverschuldung in den Hype. Das zigtausende Subsubunternehmer keine Altersersparnisse haben, könnten schlaue Reporter dann auch mal hinterfragen. Man kann alle seine Leser und Abonnenten kostenlos per Web befragen. Billiger gehts doch gar nicht.
    Aber für Kontrolle kommt man nicht gut an. Wer nicht abgeholt werden will, hält den Mund und hofft auf einen Bratwurst-Freibier-Journalisten-Festangestellten-Job wie Horst Schlämmer.

  5. Iven sagt:

    Ich finde Journalisten, die im Nachhinein besonders selbstkritisch und erschüttert sind genauso schlimm wie die „Dönermorde“-schreibenden Bildreporter.

    Macht’s halt beim nächsten Mal besser. Aber aus der „selbstkritischen“ Analyse und der daraus eventuell resultierenden „Schuld“ wiederum einen Artikel/Blogeintrag/Kommentar zu machen ist für mich einfach nur der nächste Akt im Journalismus-Theater.

  6. Mark sagt:

    Die Aussage, dass Journalisten mehr fragen stellen sollen und sich nicht in einem solchen Maße auf die Behörden berufen sollen birgt aber die Gefahr haltloser Spekulationen. Meiner Meinung nach sollten Journalisten häufig vorsichtiger sein, bevor sie Theorien aufstellen. Wenn die Polizei nur vage Aussagen macht oder eine Hypothese bezüglich von Tatmotiven aufstellt, so ist muss immer damit gerechnet werden, dass die Behörden das Tatmotiv oder andere Informationen nicht haben, oder nicht preisgeben dürfen. Es enttäuscht mich immer wieder zu sehen wie Journalisten in diesem Zusammenhang immer gleich von Fakten sprechen.

    @keine Fragen:
    das Problem mit Foren ist meistens, dass sich zu viele unqualifizierte Meinungen, Spekulationen und Vermutungen dort befinden, ganz zu schweigen von den beleidigenden Kmmentaren.

  7. cmi sagt:

    Sehr interessant finde ich dabei, wie manche Medien voller Hähme über die trotteligen Behörden berichte(te)n, die da nicht eher darauf gekommen sind, dass es möglicherweise ausländerfeindliche Motive gab. Als hätte man selbst jahrelang diese Verbindung vermutet und darüber berichtet.

    Ich weiß leider nicht mehr, welche Zeitung(en) das war(en), wurde aber in der Presseschau des DLF zitiert.

  8. Sinan A. sagt:

    Die Fragen wurden nicht gestellt, weil sie umgehend kräftigen Gegenwind hervor rufen. Solche Fragen verbittet sich der Deutsche. Da ist er sehr rabiat. Was fremdenfeindlich ist und was nicht, entscheidet er selber. Ansichten von Migranten hält er für befangen, überzogen, übersensibel, einseitig, unseriös, letztlich für wertlos. Migranten agieren daher vorsichtig und zurückhaltend und von kerndeutschen Redakteuren kann man in dieser Richting sowieso nicht viel erwarten.

  9. Madub sagt:

    Das schlimmst ist, da muss ich dem Vorredner zustimmen, wenn sich jemand jetzt auf den Markt stellt, und fordert Fragen zu stellen, weil man ja bisher alles so kritiklos übernommen hat.

    Und er tut das dann auf der Basis wieder genauso kritiklos übernommener Wahrheiten, denen keinen vernünftiger Mensch vom Auge bis zum Brillenglas trauen würde.

    So eine Heuchelei ist wirklich schwer erträglich.

  10. Bert sagt:

    Stellt sich die Frage “cui bono?”.

    Wer profitiert von dem Ganzen?

    Die Rechten ganz sicher nicht.

    Vorschläge ?