Ehegattennachzug

Spielchen vor dem Bundesverwaltungsgericht – Auswärtiges Amt erteilt Visum ohne Sprachtest

Das Auswärtige Amt erteilt einer kamerunischen Klägerin vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Visum zum Ehegettennachzug ohne Deutschtest. Die Bundesregierung verweist immer noch auf die nun veraltete Rechtsprechung.

Von Mittwoch, 09.11.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 16.11.2011, 5:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die seit August 2007 geltende Sprachanforderung beim Ehegattennachzug wackelt. In einem am Dienstag bekannt gewordenen Beschluss bezweifeln Richter des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) die Vereinbarkeit der Sprachtests im Ausland mit EU-Recht.

Damit wackelt auch der letzte Halt der Bundesregierung, die sich auf ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom März 2010 stützt. Darin hatten die Richter entschieden, dass die EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung verbindliche Sprachtests zulasse und die Anrufung des EuGH nicht erforderlich sei.

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Auswärtiges Amt verhindert Vorlage beim EuGH
Den Sinneswandel begründen die Bundesrichter mit einer Stellungnahme der EU-Kommission vom Mai 2011. Die Brüsseler Juristen hatten der niederländischen „Basis-Eingliederungs-Prüfung“, die ebenfalls Sprachtests im Ausland vorsieht, Unvereinbarkeit mit der EU-Richtlinie attestiert. Und weil dieselbe EU-Richtlinie Deutschland gleichermaßen bindet, wies das Bundesverwaltungsgericht in dem ihr vorliegenden Fall und noch vor der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass auch die deutsche Regelung vom EuGH überprüft werden müsse.

Daraufhin erklärte sich das Auswärtige Amt bereit, den kamerunischen Klägern, eine Mutter und ihre drei minderjährigen Kinder, die Visa ohne die erforderlichen Sprachvoraussetzungen zu erteilen. Damit verhinderte das Auswärtige Amt eine mögliche Niederlage vor dem EuGH.

Info: Laut der seit August 2007 geltenden Regelung bekommen nachziehende Ehegatten nur noch dann eine Aufenthaltserlaubnis, wenn sie sich „zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen“ können. Von dieser Regelung sind vor allem Türken, Russen und Kosovaren betroffen. Für EU-Bürger, Amerikaner und Ausländer vieler weiterer Industriestaaten gilt die Deutschpflicht nicht.

Längst überfällige Korrektur
Für die migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, Sevim Dağdelen, stellt der aktuelle Beschluss des BVerwG eine überfällige Korrektur der zuvor ergangenen Grundsatzentscheidung dar. Die bisherige Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes – und auch der Bundesregierung „war von Beginn an unhaltbar“, so die Linkspolitikerin. Nun müsse die Bundesregierung „die diskriminierende Regelung der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug sofort zurücknehmen. Sie ist nicht nur mit EU-Recht und den Menschenrechten unvereinbar. Sie verstößt überdies gegen das Assoziationsabkommen der EU mit der Türkei und ist auf türkische Staatsangehörige nicht anwendbar – wie jüngst die Gerichte in den Niederlanden entschieden haben.

Auch Memet Kılıç, Sprecher für Migrations- und Integrationspolitik der Grünen, zeigt sich über die späte Einsicht des BVerwG – wenn auch verhalten – erfreut: „Ich finde es schade, dass das BVerwG diese Frage dem EuGH nicht früher zur Klärung vorgelegt hat. Auch das BVerfG hat die bisherigen Beschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Daher liegen mindestens zwei Fälle dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zur Entscheidung vor.“

Hinweis: Weitere Nachrichten und Hintergrundberichte über die Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug gibt es im MiG-Archiv.

Wider besseren Wissens
Kılıç verweist auf auf eine schriftliche Stellungnahme der Bundesregierung von Montag (7. November 2011), die gut eine Woche nach dem aktuellen BVerwG-Beschluss aufgesetzt wurde. Darin erklärt die Bundesregierung, dass sie „keinen Anlass für eine Änderung der gesetzlichen Regelung zum Sprachnachweis beim Ehegattennachzug“ sieht.

In dem vom parlamentarischen Staatssekretär, Ole Schröder (CDU), unterzeichneten Dokument (liegt dem MiGAZIN vor) verweist die Bundesregierung immer noch auf die jetzt zur Makulatur gewordenen Grundsatzentscheidung des BVerwG vom März 2010. Dabei, so Kılıç, müsste der aktuelle BVerwG-Beschluss vom 28. Oktober 2011 „der Bundesregierung bekannt sein“.
Leitartikel Recht

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  1. Zensus sagt:

    Zitat ZON:
    „Mehr als 3.000 Frauen werden jährlich in Deutschland zwangsverheiratet. Viele von ihnen sind jünger als 17 Jahre und stammen aus religiösen Migrantenfamilien.“
    Herr Senol, vielleicht haben deutsche Gesetze doch manchmal Sinn, obwohl, mit Islam hat das natürlich nichts zu tun.

  2. WAHRHEIT sagt:

    Es gleicht schon dem RASSISMUS wenn nur bestimmte Volksgruppen den Sprachkurs machen müssen und andere nicht.Ich würde es verstehen wenn es nur EU-Bürger währen die kein Sprachkurs ablegen müssen aber dem ist es nicht so…….tjaaaa.

  3. Rudi sagt:

    Was wir in Deutschland brauchen ist ein Ausländerrecht nach Saudiarabischen Vorbild. Wer als Ausländer arbeitslos wird, muss das Land binnen x Tage verlassen, sonst droht Gefängnis.

  4. Kris sagt:

    Es mag wohl Fälle geben, bei denen diese Regelung Sinn macht, aber was ist mit den hunderten von Fällen, bei denen jungen Familien einfach nur die Chance auf ein normales Leben genommen wird??? Wieso können Menschen aus Brasilien, Japan…ohne Sprachtest einreisen?? Nur weil diese Länder eine wirtschaftliche Verbindung zu Deutschland haben?? Heißt dass dann die Menschen aus anderen Ländern haben kein Recht zusammen zu sein, bloß weil sie aus dem falschen Land kommen??? Na vielen Dank auch, dass ihr das für uns entscheidet….die Problematik dieser Regelung versteht man glaube ich nur, wenn man selbst betroffen ist….

  5. D. Heinmann sagt:

    Der Sprachtest im Herkunftsland als Voraussetzung für den Erhalt des Visums zum Ehegattennachzug ist leider eine absolute Notwendigkeit geworden, sonst werden wir die massenhafte zuwanderung zu uns nie stoppen können. Sehr schade ist, dass der Sprachtest erst 2007 eingeführt worden ist. Wir Deutschen wollen die meisten zu uns kommenden Ausländer mehrheitlich nicht, weil wir über Jahre feststellen mussten: Die meisten Ausländer sind leider nicht an unserer Kultur und Sprache interessiert, sondern wollen nur von unserem Lebenssatndard profitieren. Durch diese dauerhafte Zuwanderung wird unsere Kultur schrittweise zerstört. Alleine aus Dankbarkeit und Respekt für die Sprache und Kultur des Aufnahmelandes (also z.B. Deutschlands), ist es ja wohl eine Selbstverständlichkeit, dass diese Themen erlernt werden. Die MIgranten müssen halt unsere Forderungen erfüllen. Es hat sie ja keienr hierhin gebeten!!
    Wir geben in Deutschland so viele Möglichkeiten zur Integration, sie werden sogar von der öffentlichen Hand bezahlt! Ich finde, dass jeder, der den Sprachtest als „Zumutung“ ansieht, kein Respekt vor Deutschland hat, uns nicht hier leben sollte. Wenn ich als Deutscher in ein anderes Nicht-EU-Land ziehen möchte, muss ich auch die Sprache lernen und mich dort soweit integrieren, wie dies gefiordert wird. Das ist ganz normal.

  6. Georg Pfister sagt:

    zum Thema Zwangsheirat.
    3000 Frauen 2008 in Deutschland trotz Sprachtestregelung, müssen Sie wohl dazu sagen. Mr. Zensus. Erklären Sie mir bitte eines. Von welchem Sinn sprechen Sie denn? Warum müssen denn Männer auch den Sprachtest machen, oder Kubaner beispielsweise. Zwangsehen???????
    Wie Sie sehen, kennen Sie die eigentlichen Probleme nicht, die durch diesen Sprachtest entstehen. Kennen Sie auch die Zahl der Ehen die dadurch nicht gelebt werden können, mal von den Kosten abgesehen die Goethe-Institut-Kurse und Tests verursachen.
    Der Sprachtest verhindert weder Zwangsehen, noch hilft er der Integration.
    jedes Kind weiss, dass man eine Sprache im Ursprungsland am besten lernt. Sie fahren ja auch nicht nach Südafrika um Spanisch zu lernen.
    vielmehr ist der Test dazu geeignet sog. bildungsferne Schichten von der Migration nach Deutschland abzuhalten, und den darbenden Goethe- Instituten eine Einnahmequelle zu sichern. Das ist der eigentliche Sinn.
    Einfach irgentwelchen C-Politikern nachplappern ist auch eine eigene Meinung!!!, aber die kennen wir alle schon.

  7. GG sagt:

    @Zensus & @Rudi
    Die Daten über die Zwangsverheiratungen, die Sie erwähnen, stammen aus dem Jahr 2008. Den Sprachtest zur Erlangung des Visums für den Ehegattennachzug benötigt man bereits seit 2007.
    Also wohl eher ein Indiz, daß das Gesetz versagt hat.

    Folgende Aussage über Zwangsverheiratungen in Deutschland stammt aus einer jüngsten Studie von Terre des Femmes:
    „Auffallend ist, dass die Betroffenen vermeintlich gut integriert sind. 32% sind in Deutschland geboren und 44% besitzen einen deutschen Pass.“

    Was wir daher in Deutschland brauchen sind nicht unsinnige Gesetze, die Ehepartner das Zusammenleben über Monate versagen, sondern in erster Linie Zivilcourage, Hilfsbereitschaft und Mut uns von Schubladendenken zu lösen.

    Im übrigen bin ich deutscher, mit deutschem Pass, deutschen Eltern, deutschen Großeltern… und seit Monaten, dank des erwähnten Sprachtests, von meiner Frau zwangsgetrennt, und daher auch in Steuerklasse I zwangsrekrutiert und stinksauer, da ich als deutscher in Deutschland weniger Rechte habe als jeder nichtdeutsche EU-Bürger oder Amerikaner oder Japaner, etc.

    Während mir als deutschem potentiell Zwangsverheiratung unterstellt wird, dürfen Personen aus Staaten mit denen Deutschland wirtschaftlich verbandelt ist ihr Eheleben genießen und für diesen Personenkreis ist es dann vollkommen wurscht ob die/der Frau/Mann Deutschkenntnisse hat oder nicht. Auch ist es für diesen Personenkreis völlig wurscht ob die Ehe durch Zwang oder Liebe zustande kam.

    Die absurde und diskriminierende Sprachtestregelung für den Ehegattennachzug gehört abgeschafft und zwar so schnell wie möglich.

    Jedem, der hier etwas gegenteiliges behauptet empfehle ich folgendes Szenario:
    Schickt eure Frau/Mann/Freundin/Freund für zwei bis drei Jahre nach Übersee (das ist ein Zeitraum, den die deutsche Regierung noch als angemessen erachtet) Die Frau/… muß eine fremde Sprache lernen, sonst darf sie nicht zurück. Natürlich bezahlt ihr den Kurs aus der eigenen Tasche. Und natürlich hat das Auswirkungen auf eure Steuerklasse. Ich wäre dann an einer Rückmeldung interessiert, wie es den Partnern so ergeht.

  8. GG sagt:

    @D. Heinmann
    aus Statistisches Bundesamt und ZON
    „2009 wanderten 606.000 Menschen mit ausländischem Pass nach Deutschland ein und 579.000 ohne deutsche Staatsangehörigkeit aus. Das entspricht einem Überhang von etwa 27.000 Zuwanderungen. In den letzten Jahren ist die Einwanderung in Deutschland zurückgegangen.“

    Von welchen Massen sprechen Sie?

  9. Bierbaron sagt:

    Ein Blick über den Tellerrand würde den meisten Migazin-Journalisten zu Gute kommen. Schauen sie sich einfach mal klassische Einwanderungsländer wie Kanada oder Australien an, deren gesamte Nationalgeschichte auf Einwanderung beruht (das heißt: man kann ihnen eine gewisse Erfahrung mit der Thematik unterstellen). Diese Länder lassen NIEMANDEN rein, der nicht die Landessprache spricht. Nur in dem Land wo das Geld an den Bäumen wächst soll das anders sein? Nur weil die EU-Kommission mal wieder auf die Mehrheitsverhältnisse und Interessen eines Mitgliedslandes pfeift?

    Und zur „Ungleichbehandlung“: Wie jeder andere souveräne Staat auch ist Deutschland befugt bilaterale Verträge zu schließen. Wenn man sich nun die türkische bzw. türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland anschaut, weiß man ganz genau, warum eine weitere Zuwanderung nach Deutschland erschwert wird. Das nennt man mitunter auch politisches Interesse….

    @ GG
    […]vielmehr ist der Test dazu geeignet sog. bildungsferne Schichten von der Migration nach Deutschland abzuhalten[…]

    Ein Einwanderungsland lässt halt nicht jeden rein (vgl. USA, Kanada, Australien). Und eines können auch sie nicht verleugnen: Bildungsferne, ausländischstämmige Schichten haben wir in Deutschland bereits – stand heute – viel zu viele.

    Mit freundlichen Grüßen
    Ein Migrationshintergründler, der die Türkenlobby mal wieder nicht versteht….

  10. GG sagt:

    @Bierbaron
    Meine Frau ist englischsprachig und durchaus nicht bildungsfern.
    Sie wäre also in den von Ihnen bezeichneten klassischen Einwanderungsländern, die Sie nennen, eine willkommene Bereicherung. Nur verdiene ich nun mal meine Brötchen in diesem kleinen „gallischen Dorf“ namens Deutschland, das sich als nahezu einziges Land der Welt vehement an Sprachkenntnisse als Voraussetzung für die Antragstellung eines VISUMS zum Ehegattennachzug klammert.

    Hilfe, Hilfe, wir werden jedes Jahr von 0,0003% Ausländern überrannt von denen ein paar Prozent zu ihrem Leidwesen nicht die Bildung seinesgleichen Herrn Bierbarons genießen durften und höre und staune möglicherweise nicht einmal Bier trinken, pfui. Das überfordert uns gebildete Deutsche in der Tat

    Um beim Thema zu bleiben, es geht nicht darum ob jemand zu uns „reinkommt“ oder nicht. Es geht darum wie lange eine Regierung diesen Prozess verzögert. Wie lange doppelte Haushaltsführung und steuerliche Benachteiligung zugemutet werden. Wie sehr eine familiäre Planung verunmöglicht wird.

    Nun zu dem Unsinn, den Sie im Zusammenhang mit den „klassischen Einwanderungsländern“ verzapften. So machen’s die Länder mit Erfahrung. Siehe und staune!

    In Kanada:
    Ehegattennachzug im Rahmen „Family – Spouse Sponsorship“
    Für ein etwaiges Interview sind alle Sprachen der Welt (von Afrikaans bis Vietnamese) zulässig. Angabe ob Übersetzer nötig, ja/nein.

    USA:
    VISA for a spouse, K-3 VISA
    This visa category is intended to shorten the physical separation between the foreign-citizen and U.S. citizen spouses… keinerlei Landessprache ist erforderlich, alles mit Übersetzer möglich!

    Australien:
    Sponsorship for a partner to migrate to Australia, Form 40SP
    Keine Englischkenntnisse für VISA-Antrag erforderlich.
    Erst nach erfolgter Einreise:
    „…You are also required to provide financial and other
    support, such as childcare, that will enable your partner to
    attend appropriate English classes…“