Migrantenkinder

Schon kleine Veränderungen können große Potentiale wecken

In Deutschland bleiben viele Potentiale ungenutzt. Wenn es um die Bildungschancen von Migrantenkindern geht, werden bislang viele Chancen verschenkt. Dabei könnten teilweise bereits kleinere Veränderungen große Wirkung entfalten.

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In Deutschland bleiben viele Potentiale ungenutzt. Das zeigt der neue Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund etwa, so fand ein Forscherteam heraus, ist es oft „nur“ ein wenig Aufmerksamkeit oder das Engagement eines Lehrers, Nachbarn oder anderen Erwachsenen, was zu einer neuen Bildungsperspektive verhilft.

„Manchmal hilft auch ein Wechsel in ein anderes soziales Milieu, um andere Umgangsformen oder Horizonte kennenzulernen. Dadurch gewinnen die Jugendlichen einen komplett neuen Blick auf das Leben“, berichtet DIW-Migrationsexpertin Ingrid Tucci.

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Zweite Chance wichtig
Gemeinsam mit drei anderen Forschern hat sie die Bildungs- und Erwerbsbiographien junger Migrantennachkommen in Frankreich und Deutschland untersucht und qualitative Interviews mit rund 175 jungen Erwachsenen geführt, die in sogenannten Brennpunktvierteln leben. „Oft sind es Lehrer oder Bekannte oder Besuche anderer, stärker durchmischter sozialer Milieus, die den Jugendlichen eine Neuorientierung ermöglichen.“

Download: Der DIW Wochenbericht mit einer ausführlichen Studienanalyse kann kostenlos unter www.diw.de heruntergeladen werden.

Neben möglichen Mentoren und sozialer Neuorientierung ist es den Forschern zufolge vor allem die Aussicht auf eine „zweite Chance“, die die Jugendlichen motiviert und ihre Karrierechancen steigert. „Hier ist die Lage in Deutschland viel besser als in Frankreich“, fasst Tucci das Ergebnis der Studie zusammen.

Übergangsprobleme
„Der deutsch-französische Vergleich zeigt, dass hierzulande zwar viel mehr Migrantenkinder zunächst einen wenig prestigeträchtigen Bildungsweg einschlagen, aber über eine zweite Chance später einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.“ So erreichen in Frankreich immerhin rund 20 Prozent der Kinder mit maghrebinischen oder subsaharischen Wurzeln über die allgemeine Hochschulreife auf dem direkten Wege die Universitäten.

In Deutschland hingegen landet jeder zweite Jugendliche mit türkischen Wurzeln auf der Hauptschule und kämpft anschließend mit Übergangsproblemen. „Anders als in Frankreich, wo die Migrantennachkommen häufig auch nach einem längeren Bildungsverlauf in anhaltend prekären Beschäftigungsverhältnissen landen, gelingt jedoch immerhin 15 Prozent der in Deutschland lebenden Jugendlichen türkischer Herkunft der Aufstieg in das höhere Arbeitsmarktsegment.“ (sb)