Neues Fachkräftekonzept

Lockerungen für ausländische Fachkräfte und Studenten

Ein neues Konzept der Bundesregierung soll die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland erleichtern. Vorgesehen ist auch eine Lockerung Nebenverdienstbeschränkungen für ausländische Studierende. Das Kabinett berät heute.

Ein neues Konzept der Bundesregierung soll Unternehmen die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland erleichtern. Ermöglicht werden soll das durch die Aussetzung der Vorrangprüfung. Danach müssen Firmen nachweisen, dass für die zu besetzende Stelle kein geeigneter Bewerber innerhalb der Europäischen Union (EU) zu finden ist. Diese Nachweispflicht soll nun der Vergangenheit angehören, allerdings nur für Ärzte und Ingeniere.

Denn der Arbeitsmarkt für Maschinen- und Fahrzeugbauingenieure, Elektroingenieure und Ärzte sei „leer gefegt“, sagte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). „Wir werden deshalb die Vorrangprüfung aussetzen.“ Dies sei Teil des Fachkräftekonzepts, das heute vom Kabinett beschlossen werde.

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Nur ein erster Schritt
„Deutschland braucht als weltoffenes Land qualifizierte Zuwanderer“, heißt es darin. Zwar habe die Nutzung inländischer Potenziale – durch Aus- und Weiterbildung von Jungen, Älteren und Frauen – weiterhin Vorrang. Wegen des demografischen Wandels werde das aber nicht reichen. Daher müsse man „deshalb auch verstärkt auf qualifizierte Zuwanderung setzen“.

Die Aussetzung der Vorrangprüfung stelle nur einen ersten Schritt dar. Im Gespräch ist eine generelle Lockerung, wie sie von der FDP gefordert wird. Konkret geht es um eine Senkung der Verdienstgrenze von 66.000 auf 40.000 Euro. In Koalitionskreisen wird erwartet, dass dies ein Thema der Koalitionsklausur vor der Sommerpause sein wird. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) und von der Leyen fordern zudem ein Punktesystem, um den Zuzug von Fachkräften am Bedarf ausrichten zu können. Dagegen stemmen sich bisher vor allem CSU und Innenpolitiker der CDU. Dennoch geht aus dem Konzept hervor, dass weitere Maßnahmen geplant sind.

Streichung der Nebenverdienstbeschränkung für ausländische Studierende
So sieht das Konzept auch eine Lockerung der bestehenden Nebenverdienstbeschränkungen für ausländische Studierende und Hochschulabsolventen vor. Bislang berechtigt die Aufenthaltserlaubnis für ausländische Studenten und Absolventen im Orientierungsjahr zu einer Beschäftigung von maximal 90 Tagen im Jahr. Für viele der rund 250.000 jungen Menschen, die nach Deutschland kommen, stellt das eine hohe Hürde bei der Finanzierung ihres Studiums dar. Daher suchen und finden viele von ihnen nach Abschluss des Studiums in einem Drittland eine Anstellung.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Kretschmer, erklärt: „Wer bei uns einen Abschluss macht, verdient auch eine faire Chance auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Wer sich für Deutschland als Studienort entscheidet, deutsch lernt und zudem noch eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte hochwertige Ausbildung erhalten hat, ist beim Fachkräftethema unser erster Ansprechpartner.“

Minimalkonsens
Wie ein Sprecher der CDU/CSU Fraktion dem MiGAZIN mitteilte, ist das ein Minimalkonsens, auf den sich Union und FDP einigen konnten. Zu einer Verlängerung der Frist für die Orientierungsphase von einem Jahr oder zu einer Lockerung Qualifikationsbindung konnte man sich nicht durchringen. So wird die Aufenthaltserlaubnis eins Hochschulabsolventen auch künftig nicht verlängert, wenn er innerhalb eines Jahres nach seinem Hochschulabschluss keine Arbeitsstelle nachweist, die seiner Studienqualifikation entspricht.

Nach dem Kabinettsbeschluss wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Teile ihres Kabinetts mit Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern zusammenkommen. Dort soll die Sicherung des Fachkräftenachwuchses auf der Tagesordnung stehen. Denn das Fachkräftekonzept setzt auch auf höhere Bildungsanstrengungen für Jüngere, um etwa die Zahl der Schulabbrecher zu halbieren.

Abschlüsse anerkennen
Da sieht auch der stellvertretende bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Swen Schulz, Nachholbedarf: „Wer die Fachkräftebasis von morgen verbessern will, muss heute im eigenen Land für mehr Chancengleichheit im Bildungssystem und mehr Aufstiegsmöglichkeiten durch Bildung sorgen. Es gilt, alle Potenziale in unserer Gesellschaft optimal auszunutzen. Hierzu gehören auch die bereits bei uns lebenden qualifizierten Migranten, deren im Ausland erworbenen Abschlüsse nicht anerkannt werden.“

Doch hier springe die Bundesregierung zu kurz. Denn die meisten Menschen mit ausländischen Qualifikationen bräuchten eine Fortbildung, weil keine Vollanerkennung erfolgen könne, sie zu lange aus dem Beruf raus seien oder ein spezieller Sprachkurs für das Berufsdeutsch nötig sei. „Aber dazu sagt die Bundesregierung nichts. Es gibt keine Qualifizierungsangebote und keine Finanzierung“, so Schulz. Statt dessen kürze Schwarz-Gelb massiv bei der Arbeitsagentur und bei den JobCentern.

Hier setzt auch die Kritik der Grünen an. Die Bundesarbeitsministerin „rasiere“ den Etat für die aktive Arbeitsmarktpolitik. „Stattdessen stiftet die Regierung mit noch mehr Ausnahmeregelungen neue Verwirrung“, Brigitte Pothmer, Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik.

Migranten sind kein Arbeitsmarktpuffer
Die Kritik der migrationspolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Sevim Dağdelen, wird deutlicher. Migranten seien „kein ökonomisch nützlicher Arbeitsmarktpuffer, sondern Menschen, denen gleiche soziale und politische Rechte zustehen“, erklärt Dağdelen und fährt fort: „Es ist zynisch, dass die Bundesregierung einerseits einen vermeintlichen Fachkräftemangel beklagt und Fachkräfte im Ausland anwerben will, andererseits aber qualifizierte Migranten in Deutschland weiter ins Abseits drängt. Das ist weder sozial noch integrativ.“

Dass mit dem anstehenden Anerkennungsgesetz das Problem der etwa 2,9 Millionen Migranten, die einen ausländischen Abschluss haben, nicht gelöst wird, wisse die Bundesregierung ganz genau. „Denn auch weiterhin wird es keine bundeseinheitliche und transparente Struktur und klare institutionelle Zuständigkeitsregelungen geben“, so die Linkspolitikerin. (bk)