Leos Wochenrückblick

Wulffs Heimspiel in Dresden. Griechenland in drei Fallen.

Viel Wulff und wenig Sarrazin beim Evangelischen Kirchentag in Dresden. Außerdem: Geht Griechenland vor die Hunde?

Von Leo Brux Montag, 06.06.2011, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.06.2011, 1:42 Uhr Lesedauer: 8 Minuten  |  

Viel Wulff und kein Sarrazin beim Evangelischen Kirchentag in Dresden

(Quelle: zwei Artikel des Tagesspiegel)

___STEADY_PAYWALL___

Bundespräsident Christian Wulff war gern gesehener und gehörter Gast beim Evangelischen Kirchentag in Dresden. Der Islam gehöre zu Deutschland – Wulff erklärt, er habe diesen Satz bewusst gesagt,

um den Muslimen, die bei uns leben, ein Zeichen zu geben.

Er habe dazu 200 zustimmende Briefe erhalten – und 4200 ablehnende …
Margot Käßmann unterstützt ihn:

„Menschen muslimischen Glaubens gehören zu Deutschland und damit eben auch der Islam. Was sind das für hämische, menschenverachtende Pamphlete, die sich profilieren auf Kosten anderer? Wie fühlt sich ein türkischer Taxifahrer, dessen Tochter studiert, wenn ihm erklärt wird, er sei ‚Kopftuchmädchenproduzent‘?“

Wulff sieht beide Seiten – die Probleme und die Fortschritte – zusammen:

„Wir kommen voran, nicht schnell genug, aber wir kommen voran“, sagte er am Donnerstag bei einer Diskussionsrunde auf dem Evangelischen Kirchentag in Dresden. „Wir brauchen Offenheit gegenüber Fremden.“ Sie seien eine Bereicherung für die Gesellschaft, wenn sie sich an die Verfassung hielten. „Das Grundgesetz gilt für alle, egal welcher Religion sie angehören.“ Versäumnisse habe es zum Beispiel bei der Sprachförderung oder im Bildungssystem gegeben, auch sei die Arbeitslosigkeit unter jungen Migranten höher.

Auf der anderen Seite habe auch die Türkei ihre Hausaufgaben zu machen:

Die Türkei kritisierte Wulff allerdings wegen der Benachteiligung von Christen. „Es ist unzureichend, wie es mit den Rechten der Christen dort fortkommt.“ Die Türkei müsse die Ausbildung theologischen Nachwuchses ermöglichen. „Wenn wir hier Imame ausbilden, dann muss es eine Selbstverständlichkeit sein, dass dort auch christliche Theologen ausgebildet werden.“ Christliche Kirchen haben in der Türkei keinen Rechtsstatus, die Ausbildung von Priestern ist verboten. Seit Jahrzehnten müssen sie um ihr Eigentum kämpfen.

Der Tagesspiegel resümiert die Podiumsdiskussion:

Die Religion, der Islam, wird nicht mehr für schuldig erklärt, wenn Integration misslingt. Es geht viel mehr um soziale und wirtschaftliche Probleme, um Identität und um das Grundgesetz, an das sich „natürlich alle halten müssen“, wie Wulff sagt. So dürfe es auch nicht sein, „dass Kinder unter ihren erziehungsunfähigen Eltern Schaden nehmen“. Schulschwänzen müsse Konsequenzen haben. Das Publikum hört geduldig zu, applaudiert allen auf dem Podium gleichermaßen. Und am Ende fragt der Moderator: „Könnte es vielleicht sein, dass die Kopftuchmädchen unsere Zukunft sind?“ Weil sie fleißig seien und gewissenhaft. Und immer mehr von ihnen den Mut haben, eigene Wege zu gehen.

Von mir hervorgehoben.

Matthias Drobinskis Resümee in der Süddeutschen Zeitung: Es wurde eigentlich nichts Neues gesagt. Aber:

neu ist, wie das Publikum reagiert: Die Wutbürger und Islamkritiker sind weg oder schweigen. Vor vier Jahren noch fetzten sich in Köln der damalige Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Wolfgang Huber, und muslimische Verbandsvertreter – und das Publikum bejubelte jeden islamkritischen Satz. „Da hat die Sarrazin-Debatte paradoxerweise Gutes bewirkt“, sagt Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland – „gerade die Intellektuellen diskutieren jetzt differenzierter.“

Wenn Verschiedenheit respektiert werde, sagt der Präsident am Schluss, dann könne auch das Gemeinsame wachsen – ein Patriotismus, der auch die Zuwanderer einschließe.

Geht Griechenland vor die Hunde?

Die Berichte und Kommentare beschäftigen sich zum einen mit den Milliardensummen, die Europa bereitstellt, um den Finanzkollaps des Landes zu verhindern, und zweitens mit den zunehmenden Protestaktionen der Bevölkerung gegen den rigorosen Sparkurs der Regierung.

Wird damit klar, dass die Milliardengelder nicht an die Griechen gehen, sondern an die Banken – für den von Griechenland aus nicht mehr bezahlbaren Schuldendienst?
Wird weiter klar, dass – wenn die Dinge so weiter laufen – es zu einer Auswanderungswelle aus Griechenland kommen wird?

Den Finger in die eine Wunde – die Finanzseite der Sache – räumt Egbert Scheunemann, dem die Neue Rheinische Zeitung den Platz ein, die Sachlage ausführlich darzulegen. Drei Absätze seien daraus zitiert:

Was würde bei der unvermeidlichen Umschuldung geschehen?

Was eintreten wird, ist ein nicht systemgefährdender Schuldenschnitt (in dem Sinne, dass keine der betroffenen Banken wirklich in Gefahr kommen wird), eine Laufzeitverlängerung vorhandener Kredite und eine Senkung der Zinsen via Umschuldung hin zu zinsgünstigen Krediten der EZB oder anderer EU-Finanzinstitutionen (oder auch des IWF, der Weltbank etc.) – also das allein Vernünftige …

Es gibt jedoch ein Interesse, das

… eine Umschuldung, die völlig unvermeidlich ist (in Form, um es zu wiederholen, eines moderaten Schuldenschnitts, so moderat, dass keine der betroffenen Banken wirklich ins Trudeln käme, und in Form der Ersetzung der verbleibenden laufenden Kredite durch zinsgünstige Kredite mit langen Laufzeiten, gewährt von der EZB oder dem IWF), so lange wie möglich aufschieben möchte, um den für die europäischen Banken (und damit auch für seine) hochprofitablen derzeitigen Zustand solange wie möglich aufrechtzuerhalten.

Welches Interesse? Wer bekommt die europäischen Milliarden – und verdient dabei?

Griechenland erstickt an den ins Absurde gestiegenen Zinsen, die es inzwischen für neue Kredite zahlen muss, um alte ablösen zu können – auf dem freien Kapitalmarkt inzwischen, wie schon gesagt, bis zu 25 Prozent. Was Griechenland, wie auch schon gesagt, ‚zurück‘ bezahlt, sind zwischenzeitlich fast ausschließlich akkumulierte Zinsen, also etwas, was es zuvor nie bekommen hat. Das griechische Volk blutet, um die Raffgier der Banken zu befriedigen. Das sind die einfachen, aber wahren Tatsachen.

Mit einem rigorosen Sparprogramm allein kommt Griechenland nicht aus der Krise heraus. Denn dieses lässt die Wirtschaft und damit die Steuereinnahmen weiter schrumpfen, wodurch sich die Schulden noch erhöhen.

Zugleich haben die Griechen immer weniger Geld, immer weniger Arbeit. Noch haben viele private Ressourcen. Die werden bald aufgebraucht sein. Hunderttausende hat die nackte Not schon erreicht. Es ist kein Ende der Spirale abwärts zu erkennen. Wie schlimm kann es werden?

In dem Maße, in dem es ums nackte Überleben geht, werden Griechen auswandern. Sie dürfen gemäß Europarecht jederzeit nach Deutschland kommen, um hier zu wohnen und zu arbeiten.

Wann beginnt die Welle?

Nirgendwo habe ich bisher DIESE Frage gelesen.

Griechenland steckt aber nicht nur in der Schuldenfalle, sondern auch in der Schengenfalle.

Die Süddeutsche Zeitung (3.6.2011, Die Seite Drei) hat eine Reportage von Kai Strittmatter darüber, leider nicht frei online zugänglich.

Griechenland ist heute Ziel Nummer eins für Menschenschmuggler, seiner fast unkontrollierbaren Inselwelt wegen.

Noch 2008 zählte die EU die Hälfte aller Festnahmen von illegalen Immigranten in Griechenland. Anfang des Jahres waren es schon 90 Prozent: Neun von zehn Flüchtlingen, die nach Europa wollen, kommen über Griechenland.

Allein 2010 haben wohl 128 000 Illegale die griechische Grenze überquert.

„Und fast alle landen in Athen“, sagt Bürgermeister Giorgios Kaminis.

Flüchlinge werden an den „Schengen-Grenzen“ abgefangen, in den „Schengen-Grenzländern“ kaserniert und „behandelt“ – und der Rest von Europa kann auf Grenzkontrollen verzichten.

Einige Hunderttausend ohne (legale) Arbeit, ohne Perspektive, illegal in der Stadt lebend, massiert in bestimmten Vierteln … das geht nicht gut.

Athen ist zur unsichersten Großstadt Europas geworden. Ein Dschungel, wie ein Einwohner das nennt. Großartiges Wetter, großartige Einwohner, großartiges Essen, eine aufregend lebendige Metropole – aber die Schuldenkrise mit ihrer Folge, der Verarmung eines großen Teils der Bevölkerung, und die Schengenfalle als Dreingabe bringen die Stadt an den Rand des Abgrunds. Sechs von zehn Einwohnern geben an, sie würden gern wegziehen. Sie haben Angst. Der Bürgermeister stellt fest:

„Athen kollabiert.“

Zur Schuldenfalle und zur Schengenfalle kommt eine dritte: die Elitenfalle.

Die gesamte politische Klasse ist diskreditiert. Der Bürgermeister von Athen rechnet bei den nächsten Wahlen mit einem

Weimarer-Republik-Phänomen: Die extreme Linke und die extreme Rechte werden profitieren.

Die Eliten werden versuchen, ihr Schäfchen ins Trockene zu retten und die Krisensuppe von den kleinen Leuten auslöffeln zu lassen. Das Europa der Eliten wird sie dabei unterstützen. Die Bürger aber werden sich weiter radikalisieren – nach links und nach rechts.

Gibt es konstruktive Lösungsansätze?

In keinem Zeitungsartikel und auch online nicht finde ich ein Programm für die Gesamtkrise, ein umfassendes Konzept, eine Vision. Weder Politiker noch Journalisten scheinen ihren Blick auf so etwas zu richten.

Auf dem Syntagma-Platz im Zentrum der Stadt versammeln sich täglich tausende, protestieren gegen die Sparmaßnahmen der Regierung und die Finanzspiele der Banken und der EU – und üben sich in direkter Demokratie – anknüpfend an die antike Tradition. Ob daraus etwas entstehen kann in einer Stadt mit 5 Millionen?

1. Als Weg aus der Schuldenfalle gäbe es die Möglichkeit der Umschuldung samt einem Teilverzicht auf Rückzahlung sowie bezahlbaren Krediten für den Staat. Den Teilverzicht verhindern (vorerst) die Banken, die noch nicht genug Blut aus dem Land herausgesaugt haben. Für die Banken spart die griechische Regierung immer noch nicht genug, verhält sich die Regierung immer noch nicht neoliberal und menschenfeindlich genug.

Eine Umschuldung, die die Schulden Griechenlands hinreichend reduziert und dem Land wieder eine bezahlbare Kreditaufnahme möglich macht – das wäre also das eine.

2. Eine Umstrukturierung des griechischen Staates – eine Entmachtung der bisherigen Eliten, Sicherung von hinreichenden Steuereinnahmen, eine schlanke und effiziente Verwaltung – zusammen mit einem starken Sozialstaat – das wäre das Zweite.

3. Eine Neuorganisation der Schengenverpflichtungen – materielle und organisatorische Hilfe für Griechenland im Umgang mit den Flüchtlingen – das wäre das Dritte.

Ein solches Dreierpaket ist utopisch. Warum? Weil es voraussetzen würde, dass Eliten aus Einsicht und freiwillig im Interesse des Volkes handeln würden.

Drum gebe ich der Frau Recht, die Strittmatter in der SZ zititiert:

„Wer immer behauptet, er könne diese Probleme lösen, der ist ein Lügner.“

Machen wir uns also auf die Katastrophe gefasst. Aktuell Meinung

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Maimuni sagt:

    Hallo Herr Brux.
    Nochmal zu Ihrem Punkt der „gesellschaftlichen Prägung“, die uns alle Ihrer Meinung nach fest im Griff hat. Das ist interessant, es wird von vielen Linken wie ein religiöses Dogma wiederholt. Es führt in letzter Konsequenz dazu, dass der einzelne Mensch zu einem großen Teil nicht für sich selbst verantwortlich ist, „die Gesellschaft hat ihn ja so gemacht“.

    Und ja, auch hier kann ich einen gewissen Hang zum Paternalismus erkennen.
    So begründen reaktionäre Muslime auch die Vormundschaft der Männer über ihre Frauen/Töchter und dass die Frau schuld sei, wenn jmd. sie vergewaltigte. Sie habe ihn ja „dazu getrieben“, weil sie etwa unkeusch gekleidet war. Er konnte ja gar nicht anders, war demnach nicht verantwortlich.

    Das alles ist der Ausfluss eines tribalistischen Denkens und das nennt man Kollektivismus.
    Der Einzelne existiert in solchen Vorstellungen NUR als Teil einer Gemeinschaft, es wird ihm gar nicht zugemessen, wirklich frei und selbstverantwortliche Entscheidungen zu treffen.

    • Leo Brux sagt:

      Maimuni,
      es gehört zu MEINER kulturellen Prägung, voll und ganz die Verantwortung für mich selbst in die Hand zu nehmen. Es ist ein erheblicher Vorteil, wenn man das kann. Ich danke also meinen Eltern und der Kultur, von der ich geprägt wurde, dass ich immer entschlossen anerkenne: Ich selber muss mir die Fehler zuschreiben, die mir passieren, ich selber muss mir die Konsequenzen zuschreiben, die meine Handlungen und Nichthandlungen nach sich ziehen.

      Sehen Sie, es ist die kulturelle Prägung, die mir diese – anspruchsvolle – Freiheit gibt.

      Ich hab mich ja selber nicht so gemacht. Ich bin so gemacht worden, und ab einem Punkt in meinem Leben hab ich festgestellt: Aha, so bin ich also.

      Was die Neigung von Männern angeht, den Frauen an der Vergewaltigung schuld zu geben (das findet sich ja wohl nicht nur bei Muslimen, oder? Es war früher ganz normal so unter „Christen“, zum Beispiel): Wollen Sie mir sowas in die Schuhe schieben?

      Ja, ich existiere nur als Teil einer Gemeinschaft. Ich bin nämlich als Mensch ein soziales Wesen. Ohne Gemeinschaft gäb es mich nicht. Es gäb mich biologisch nicht, es gäb nicht meine Sprache, es gäb nicht meine Kultur. Ich kann mir Kultur nicht vorstellen ohne die Gemeinschaft, die sie hervorbringt. Können Sie das?

  2. Oki sagt:

    Serdar Sie sagten:
    „Ich werd mich nicht vom Koran verabschieden.“
    Das deckt sich mit den Erfahrungen die ich mit überzeugten Muslimen gemacht habe, daher lehnen Sie auch Polygamie nicht ab, weil es eben im Koran steht und da liegt genau das Problem, denn es stehen noch viele andere schlimme Sachen im Koran, die auch nicht abgelehnt werden. Ich frage Sie nochmal und bitte um eine ehrliche Antwort.

    Serdar in Sure 4 Vers 34 sagt Allah: “…Und diejenigen, deren Widersetzlichkeit ihr beführchtet, – ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie…”
    Finden sie es richtig das Allah hier den Männer in letzter Instanz auch erlaubt Frauen zu schlagen, oder würden sie Allah widersprechen und finden das schlagen einer Frau niemals richtig ist?

    Leo Brux
    Pluralismus hat nicht notwendigerweise etwas mit multi-kulti zu tun, wie Sie offenbar glauben. Aber nach Ihrer komischen Definition von Patriotismus und Emanzipation wundere ich mich nicht mehr.
    Sie und in weiten Teilen die Grünen sind der Inbegriff für Multi-kulti Doktrin, lesen sie nochmal Ihre eigenen Worte und die Zitate grüner Spitzenpolitiker, dann wissen sie was diese Doktrin ausmacht. Sie hat auch ganz stark eine machtpolitische Dimension, denn gerade unter Migranten werden die Grünen stark gewählt. Man schafft sich durch Multi-kulti quasi seine eigene Wählerschaft und sichert damit seine Machtbasis. Kein wunder also über die Einstellung, je mehr Migranten desto besser.

    „Wenn Sie das glauben, dann heißt das: Sie wollen Deutschland auf EINE Kultur reduzieren? Auf welche denn?“
    Dieser Satz zeigt mir das Sie offensichtlich nicht glauben das es eine deutsche Kultur überhaupt gibt. Ein Schlag ins Gesicht für das was diese deutsche Kultur großartiges hevorgebracht hat über Jahrtausende.

    Ein kleiner Hinweis noch von mir, was Sie und Ihre grünen Parteifreunde so alles öffentlich geäußert haben, wäre genug um in der Türkei wegen Beleidigung des Türkentum ins Gefängnis gesteckt zu werden.
    Na glauben sie immernoch das die türkische Kultur mindestens genauso gut, wenn nicht besser als die Deutsche ist?

    • Leo Brux sagt:

      Oki,
      der kleine Hinweis auf das perverse türkische Gesetz, das Beleidigung des Türkentums strafbar macht, lässt tief blicken. Irgendwie hätten Sie sowas auch gern.
      Nur, es gibt ja wohl kein TürkenTUM, oder? Ich wüsste jedenfalls nicht, worin das bestehen soll. Es gibt nur irre Phantasien von einem TürkenTUM, das diejenigen unter den Türken hochhalten, die Ihnen, Oki, ähnlich sind.

      Da Sie aber nun sowas wie ein DeutschTUM vertreten und eine DEUTSCHE Kultur in einem sozusagen essentialistischen Sinne, würde ich doch gern wissen, worin die besteht. Und wieso Sie annehmen, dass ich ihr vielleicht fern stehen würde. Ich bin es, der leidenschaftlich gern die deutschen Klassiker liest, bei Goethe, Schiller, Kleist, Thomas Mann, Musil, Brecht, Beethoven, Mozart, Kant, Schopenhauer, Wittgenstein zu Hause bin. Sie auch? Großartige Leistungen von Menschen deutscher Kultur. Alle international bzw. global geprägt. Da ist nichts engstirnig Deutsches, nichts völkisch Deutsches drin in diesen Leistungen.

      Werden Grüne besonders von MiGrus gewählt?
      Also, rechnen wir mal. Es gibt ca. 10 Millionen MiGrus mit deutschem Pass. Rechnen wir 3 Millionen weg, weil sie zu jung sind, um wählen zu dürfen, bleiben 7 Millionen. Davon ist ein erheblicher Teil aus dem Osten, Spätaussiedler und so. Die wählen überwiegend rechts. Ein weiterer Teil wählt SPD – Deutschtürken zum Beispiel machen das häufig, obwohl sie konservativ sind, wegen der ausländerfeindlichen Töne aus der Union. Es bleibt leider nur ein kleiner Rest für die Grünen übrig. Grade die Grünen sind den MiGrus am fremdesten – weil sie am modernsten sind. Das Eintreten für Homosexuelle, die kulturelle Unbeschwertheit bezüglich dessen, was sexuell erlaubt ist, der Kosmopolitismus, die ökologische Orientierung — alles das ist den Einwanderern ja doch her fremd. Ich schätze also mal, dass die Grünen im MiGru-Bereich eher wenig punkten können.

      Was eine Multi-Kulti-Doktrin Ihrer Meinung nach ist, haben Sie mir auch noch nicht erklärt.
      Also bitte, machen Sie doch mal Ihre Hausaufgaben. Was ist Multikulti als Doktrin? Was ist DeutschTUM?

  3. Oki sagt:

    Na Herr Brux, Sie sind doch nicht etwa auf einem Auge blind wenn es um Ihre kulturrelativistische Beurteilung von anderen Kulturen geht.
    Ich denke Sie sind sehr wohlwollend wenn es um schlechte und teilweise schreckliche Auswüchse anderer Kulturen geht, aber gleichzeitig glauben sie das 4te Reich stünde vor der Tür wenn Menschen in Deutschland, mit und ohne Migrationshintergrund, Islam oder Moslems kritisieren.

    Herr Brux was tun Sie oder die Grünen eigentlich gegen türkischen Nationalismus in Deutschland, Stichwort graue Wölfe? Was tun Grüne eigentlch um die Situation von Frauen in islamschen Familien zu verbessern? Gibt es eigentlich grüne Kampagnen die über die Probleme von Verwandtschaftsehen speziell bei Muslimen aufklären? Oder wie geht man mit Muslimen um die Scharia höher stellen als das GG?

    Das Nichts tun der Grünen in solchen Fragen ist für mich auch Ausdruck einer Multi-kulti Doktrin. Denn all das ist ja kulturelle Bereicherung, da darf man sich doch nicht einmischen oder gar Veränderung fordern, den das wäre ja rassistisch.
    Was Deutschtum ist kann ich Ihnen nicht sagen, dieses Wort habe ich nie benutzt. Sie sind schon ein komischer Kauz. Wenn einer multikulti für nicht hilfreich erachtet schließen sie sofort daraus das diese Person dann quasi ein Nazi sein muss, die Kanzlerin eigentlich auch? Wenn aber einer wie Serdar Polygamie nicht ablehnt, würden sie im Leben nicht rückschließen das er andere Aspkte der Scharia auch nicht ablehnt.

    Naja vielleicht irr ich mich auch und Serdar widerspricht Allah doch beim Thema Frauen schlagen. Ich hoffe es zumindest. Schaun wir mal, vielleicht antwortet er ja noch.

    • Leo Brux sagt:

      Oki,
      was tun SIE – außer zu keifen?

      ICH arbeite seit Jahrzehnten praktisch in der InitiativGruppe als Lehrkraft und auch in anderen Funktionen – WIR tun praktisch was. Wir haben zum Beispiel ein Frauenprojekt, das auf die speziellen Probleme von Frauen aus muslimischen Familien zugeschnittene Angebote macht – und die Rolle und die Möglichkeiten der Frauen stärkt – und schon tausenden von Frauen geholfen hat. Wir haben eine Fülle weiterer Angebote. Und was glauben Sie, was manchmal abgeht in unseren Integrationskursen, wenn wir über Emanzipationsfragen und dergleichen sprechen? Was glauben Sie denn, dass die Lehrkräfte oder auch ich persönlich da für eine Kultur vertreten? Etwa in der Frage der Gleichberechtigung der Frauen, in der Frage der körperlichen Gewalt, in der Frage der Homosexualität, in der Frage, ob man Eltern und Autoritäten kritisieren darf, in der Frage, ob es Kleidervorschriften geben kann, in der Frage der sexuellen Freizügigkeit. Wo steht da wohl jemand, der ein engagierter Alt68er ist?

      SPD, Grüne, FDP und CSU sorgen durch die Bewilligung von Etatmitteln dafür, dass wir unsere Integrationsarbeit machen können. Da können Sie keiner dieser Parteien vorwerfen, sie würde nichts tun – dank ihnen haben wir die materiellen Voraussetzungen, um etwas tun zu können. Die Stadträte, EU-, Landtags- und Bundestagsabgeordneten können ja nicht selber diese konkrete Arbeit mit den Migranten machen. Ihre Aufgabe ist es, diese Arbeit möglich zu machen.

      Was ich schon gerne wissen würde, Oki, wäre, was Sie für so unbedingt Deutsch halten – außer unserer Sprache und unserer Geschichte?

  4. Tupac sagt:

    Freiheit darf man nicht von Kultur abhängig machen, denn sonst ist es keine Freiheit, weil sie fremdbestimmt ist !!! Freiheit ist meiner Meinung nach etwas universelles im Sinne der Kant`schen Imperative, sie gelten überall und sind daher kulturunabhängig.

    • Leo Brux sagt:

      Tupac,
      Freiheit gibt es immer nur innerhalb einer Kultur und durch diese Kultur und als ein Teil der Kultur. Freiheit selber ist ein Kulturphänomen.

      Vom Kant’schen kategorischen Imperativ scheinen Sie nur Gerüchte gehört zu haben. Der sagt nämlich nur ganz abstrakt: Handle so, dass die Maxime deines Willens stets zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.

      Das, so sagt Kant, ist die universale Logik der Ethik – für alle Kulturen und Gesellschaften gültig.

      Und worin bestehen Ihrer Meinung nach die „Kant’schen Imperative“?

      Jedenfalls können wir uns jetzt darüber streiten, wie diese universale Logik auf die Ethik der Antike anzuwenden wäre. Zum Beispiel. Da war es 1000 Jahre lang (unter Griechen und Römern) unumstritten, dass der pater familias nach der Geburt seines Kindes darüber entscheiden durfte, ob es leben sollte oder nicht. Oft hat der Vater entschieden, es solle nicht leben. – Mord, nach unserer Ethik, nicht wahr?
      Aber nun versetzen Sie sich in diese 1000 Jahre antiker Geschichte! Da hätten die Ethiker gesagt: Es ist ethisch, dass der Vater diese Entscheidung frei treffen darf, und es wäre unmoralisch, ihm diese Entscheidung vorzuenthalten. Und hatten wir beide ihnen Kants kategorischen Imperativ vorgesetzt, hätten sie gesagt: Genau! Das Vaterrecht über das Leben des Kindes ist ein universal gültiges Gesetz! Gültig für alle zivilisierten Menschen!

      Sie sind dran, Tupac!

  5. Maimuni sagt:

    Das will ich nochmal eben beantworten, wenn ich darf. Gesellschaft und Gemeinschaft sind zwei verschiedene Dinge.
    Erstere, bspw. die Bürgergesellschaft, ist das Erbe der bürgerlichen Revolutionen seit 1789, geprägt von freien Individuen, mündigen Staatsbürgern, jeder ist großteils für sich selbst verantwortlich.

    Letztere, im Sinne bspw. von „Volksgemeinschaft“ (iSv. Faschismus), „internationale Arbeiterschaft“ (iSv. Stalinismus) oder auch „islamische Ummah“ (iSv. politischem Islam), sind paternalistisch strukturierte Gemeinwesen. Hier gibt es keine „Bürger“, sondern Genossen, Kameraden, Geschwister u.ä. Allen ist, bei aller ideologischer Verschiedenheit, die Unfreiheit und das Stammesdenken gemein.

    Ich will damit nur sagen, dass wir den den bevormundenden, politisch-sozialen Islam viel besser „verstehen“ würden, wenn wir uns diese Bild vom selbstverantwortungslosen Menschen, das er vermittelt, vor Augen führen.
    Das ist ja auch der Sinn hinter der Verschleierung. Es wird, in Iran und Saudi-Arabien u.v.m. dem Mann höchstrichterlich die Verantwortung für sexuelle Gewalt abgesprochen.

    Ok, das wollte ich einfach mal loswerden, ich als Frau fürchte mich vor dem islamistischen Totatalitarismus. im Gegensatz zu Ihnen ? Demnächst was zu Hellas.

    • Leo Brux sagt:

      Maimuni,
      es dauert doch nur zwei oder drei Generationen, bis sich die kleine Minderheit derer, die aus ihrer Heimat kollektivistisches Selbstverständnis mitbringt, eingedeutscht und damit komplett individualisiert ist. Haben diejenigen, die so denken, wie Sie es fürchten, denn zahlenmäßig und machtmäßig eine Position, SIE zu gefährden?

      Ich finde, andersherum, es sehr viel interessanter, den Schaden mitzubedenken, den die Entsozialisierung, die extreme Individualisierung, die Abkoppelung des Individuums von der Gesellschaft nach sich gezogen hat. Der Mensch ist ein soziales Wesen, habe ich geschrieben. Der Zustand des extremen Individualismus und Egoismus, wie wir ihn heute haben, ist ungesund.

      Ich zitiere mich selbst dazu:

      Ja, ich existiere nur als Teil einer Gemeinschaft. Ich bin nämlich als Mensch ein soziales Wesen. Ohne Gemeinschaft gäb es mich nicht. Es gäb mich biologisch nicht, es gäb nicht meine Sprache, es gäb nicht meine Kultur. Ich kann mir Kultur nicht vorstellen ohne die Gemeinschaft, die sie hervorbringt. Können Sie das?

      Statt mich zu fürchten vor den paar wenigen machtlosen „Kollektivisten“ fürchte ich mich eher vor der Verantwortungslosigkeit der selbstherrlichen Individualisten, die keine Gesellschaft mehr kennen wollen und keine Bindungen und keine Verpflichtungen; die nur noch sich selbst anerkennen, sich quasi als kleine Götter sehen.

  6. Karoline sagt:

    Ok, dann mal Griechenland. Als ich das erstemals 1980 durch Griechenland reiste, fiel mir vor allem auf das jeder Landwirt der 5 Olivenbäume und ein par Schafe und Ziegen hatte ( hatten allerdings viel mehr beim Subventionsamt der EWG angegeben) einen relativ neuen Pickup fuhr. Damals war ich noch Hippie und Kommunist und dachte nicht weiter drüber nach.Alles so schön hier und auch noch freundliche Griechen
    Später erfuhr ich das die griechische Landwirtschaft mit Milliarden aus der EWG subventioniert wurde. Das die griechischen Landwirte sich von den Subventionen lieber teure Autos gekauft und nicht in ihren Betrieb gesteckt haben, z.B. um Bewässerungsanlagen zu bauen ist ja wohl deren selber Schuld. Dann hatte die EU irgendwann mal kontrolliert ob die angegebene Zahlen von wegen Hektar, Vieh usw. stimmen und den Betrug aufgedeckt. Dann haben die griechischen Landwirte den Viehbestand von Schafen und Ziegen drastisch erhöht, bei gleichgebliebender landwirtschaftlicher Nutzfläche, um weiterhin Subventionen zu kassieren. Nun schauen Sie sich mal große Teile Südgriechenlands und den Inseln an. Da wächst kein Gras mehr. Schafe und Ziegen fressen alles, mit den Wurzeln, wenn nicht genügend Nahrung vorhanden. Das war nur ein kleines Beipiel, mit Gemüse sieht es genauso aus, weil nichts in Bewässerungsanlagen investiert wurde.Gibt es hierzulande griechische Tomaten, Zuchini oder sonst was aus Griechenland im Angebot? Nein das was die anbauen essen die alles selber. Gut neuerdings Olivenöl und Schafskäse. Jede Woche fahren tausende Tanklastzüge beladen mit Milch und Öl nach Griechenland, wozu das denn? Die Griechen leben schon weit über 30 Jahre über ihre Verhältnisse und EWG/EU haben mitgespielt.
    Ich mag die Griechen, ehrlich. Aber wenn ich mir bei einer Bank Geld leihe und kann es nicht zurückzahlen ist doch nicht die Bank schuld. Und die griechische Regierung wusste genau das ihre Kredite Schulden sind und niemals zurückgezaht werden können.
    Das fing alles damals an bei den Wahlen 1982 als der Sozialist Papandreo die Macht übernommen hatte. Das war ein Wahlkampf. Jeder seiner Anhänger hatte sein Auto als Wahlplakat umfunktioniert und sind in Konvois durch die Straßen gefahren und aus den Megafonen lautstark Pasok, Pasok Pasok. Von Oppositionsparteien hab ich gar nichts mitbekommen. Und das Sozialisten egal in welchem Land den Karren ständig an die Wand fahren ist ja bekannt, wird allerdings nicht von jedem begriffen. Papandreo mit seiner Pasok hatte den Leuten den Himmel auf Erden versprochen finanziert mit Auslandkrediten, heraus kamen Schulden.Griechenland ist ein 11 Millionenvolk, sehr schwer diese Schulden jemals zu begleichen.

    Ich hatte schon oft Geld an gute Bekanten verliehen, zinslos. Bis auf einen Fall hatte ich auch alles Geld wieder zurückbekommen. Dem hab ich dann weil er wirklich arm dran war seine Schulden erlassen, aber auch zu ihm gesagt, leih dir nie wieder Geld. Und so sollte Europa auch mit Griechenland umgehen.

    Beim Thema Banken sind wir einer Meinung, Leo. Das sind für mich auch nur Blutsauger. Wenn es jemand schafft die Welt kaputtzumachen, dann die, oder die die denen hörig sind.

    Zur Schengenfalle.

    „90 Prozent: Neun von zehn Flüchtlingen, die nach Europa wollen, kommen über Griechenland.“
    Das ist nicht Wahr. Diese Flüchtlinge kommen meist über die Türkei, denn Griechenland ist schon Europa.

    „„Und fast alle landen in Athen“, sagt Bürgermeister Giorgios Kaminis.“ ( Wie kommen Sie darauf das Athen eine Fünfmillionenstadt ist, Leo)
    ja ersmal, dann geht es weiter nach Patras, denn Piräus ist kein internationaler Hafen. Patras ist überfüllt mit Flüchtlingen die dort schon jeden Park und Strand belagert haben und die griechische Polizei kümmert sich nur sporadisch (also einen Scheiß) um diese Leute. Ständig klettern die über die Zäune um in die Hafenanlge zu kommen und sich dann unter den nächsten LKW klemmen für auf die Fähre mit Ziel Ankona oder Bari. Das sind illegale Einwanderer die hier in z.B. in Deutschland gleich verwohlstandigt (verwöhnt) weden,Leo. Wenn ich nach Spanien auswandere, dort pleite bin hab ich dort keinen Anspruch auf irgendwelche sozialen Leistungen, außer ich habe dort eine bestimmte Zeit offiziell gearbeitet. Und für nen Rückflug kann ich bei der deutschen Botschaft betteln,den ich später noch zurückzahlen muss,oder halt zu Fuß. Ist das Gerechtigkeit?

    Fortsetzung folgt

    • Leo Brux sagt:

      Karoline (bzw. Gerd),
      der erste Beitrag von Ihnen, der mir – mit einigen Abstrichen natürlich – gefallen hat.

      Einige Abstriche:

      1. Athen: Der Ballungsraum hat nach Angaben von Wikipedia im Jahre 2004 über 4 Millionen Einwohner. Heute sind es deutlich mehr. Die Zahl 5 Millionen stammt von Strittmatter. Der lebt zeitweise in Athen und sollte es wissen.

      Die Türkei ist unbestreitbar auch Europa. Sie war es geschichtlich auch immer. Das Osmanische Reich war ein überwiegend europäisches Reich mit großen asiatischen Teilen.

      2. Wenn wir in Deutschland uns an die Menschenrechte halten und staatlicherseits zur Wahrung der Menschenwürde (GG Art. 1) verpflichtet sind – auch illegalen Einwanderern gegenüber – dann gehört das für mich zu den Standards, auf die ich stolz bin und die ich verteidigen werde gegen diejenigen, die Deutschland wieder barbarisch machen wollen.

      3. Natürlich ist die Bank mit schuld, wenn ich mir bei ihr Geld leihe und die Bank nicht zuverlässig prüft, ob ich es zurückzahlen kann. Die Bank neigt dazu, böse Spielchen zu treiben mit leichtsinnigen Kreditnehmern … Sie kann sich bereichern, indem sie Kredite an Personen gibt, die nicht zurückzahlen können – man kann sich dann billig deren Eigentum aneignen. Das ist in puncto Griechenland passiert. In vielen Ländern auch gegenüber Hypothekenschuldnern. Ist Ihnen auch schon mal aufgefallen, wie aggressiv Banken in manchen Ländern darum werben, dass man bei ihnen einen Kredit aufnimmt? Und wie leicht das geht! – In Deutschland ist DAS nicht so schlimm – da schützt man die Kunden schon etwas besser vor den Kredithaien.

      4. Pasok: Wie viel Zeit haben seit 1980 die Konservativen regiert? Und wie haben die sich verhalten? Genauso. Es hat nichts mit links oder rechts zu tun, in diesem Falle. Leider. Beide haben sich gegenseitig überboten.

      Wir sind uns insoweit einig: Die Griechen haben verantwortungslos gewirtschaftet – und zwar oben wie (zum Teil auch) unten; im Großen wie im Kleinen. Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Wir könnten sagen: Selber schuld! Lassen wir es da! Soll es verrecken! Das Problem ist: Wir brauchen das saubere Brunnenwasser, und eine Leiche darin verseucht es … Wir MÜSSEN das Kind da rausholen, und die Frage, ob und in welchem Maße das Kind schuld hat, ist zweitrangig.

      Wir können uns kein kaputt gehendes Griechenland leisten.
      Geht Griechenland vor die Hunde, kommen die Griechen alle zu uns … Und die, die in Griechenland bleiben, geraten außer Rand und Band und werden auf diese Weise teuer für uns.

  7. Tupac sagt:

    Das von Ihnen genannte Gesetz ist ja auch so etwas wie eine Formel, an der man die Moral und Feiheit einer Handlung „messen“ kann.Natürlich kann man diese Formel nicht auf alles anwenden aber auf allgemeine Themen wie Meinungsfreiheit, Raub etc.

    Zu Ihrem Besipiel:

    Wenn man den Kindsmörder nun damals fragte, wie er das gefunden haben würde, wenn sein Vater mit ihm dasselbe gemacht hätte, dann wäre es doch einleuchtend unvernünftig, wenn er das guthieße. Damit würde dies für die allgemeine Gesetzgebung nicht reichen.

    Würde er es dennoch gutheißen, dann würde er unfrei („kulturkonformistisch frei“) handeln, da sein Handeln durch die Kultur fremdbestimmt ist.

    Nun könnte man einwenden, dass der hier benutzte Begriff von Freiheit auch nur ein Produkt der Kultur „Aufklärung“ sei: Dann würde ich antworten es ist wie mit den Gesetzen der Natur, man muss sie erst entdecken, obwohl man ihnen schon immer ausgesetzt war, nun kann man die Gesetze der Moral nicht mit denen der Natur gleichsetzen, da man sich gegen sie und damit gegen die Freiheit entscheiden kann, aber man kann es schon als Richtlinie (Individuen nehmen, auch wenn der reine Freiheitsbegriff utopisch erscheint.

    • Leo Brux sagt:

      Tupac,
      selbstverständlich hätte der Vater damals die Überzeugung gehabt, dass sein eigener Vater auch das Recht gehabt hätte, bei Geburt des Sohnes das Leben zu verneinen. Er wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass es anders sein sollte.
      Diese Überzeugung wäre keineswegs fremdbestimmt gewesen – JEDE Entscheidung eines Menschen ist kulturbestimmt. Seine Sicht des Lebens ist ebenso kulturbestimmt wie meine und Ihre. Es gibt keine Sicht des Lebens, die nicht aus der Kultur einer Gesellschaft heraus entstehen würde. Auch Ihre Vorstellung von einer Freiheit jenseits der Kultur ist ein Kulturphänomen.

      Kann man sich frei gegen die Gesetze der Natur und gegen die Gesetze der Freiheit entscheiden?
      Im Falle der Gesetze der Natur führt dies zu körperlichen Schäden bzw. zum Tod. Aber mancher nimmt das in Kauf. Beispiel Bulimie.
      Im Falle der Moral ist die Sache etwas komplizierter, da unsere Gesellschaften heute pluralistisch sind, das heißt multikulturell. Es stoßen also verschiedene Kulturen in einem Menschen aufeinander, und die Frage stellt sich, gemäß welcher kulturellen Forderung handle ich.
      In mir ist, als ich ein Jugendlicher war, die Kultur meiner Eltern auf die damalige Jugendkultur geprallt. Aber auch schon die Kultur meines Vaters war von der meiner Mutter recht verschieden – auch da haben sich schon moralische Differenzen ergeben, und es war nicht leicht für mich, eine Balance zu finden.

      Freiheit bedeutet, sich mit sich selbst in Übereinstimmung zu finden. Dann hat man das Gefühl, dass man genau das tut, was man tun will. Unfreiheit ist ein Zustand der Verwirrung. Gegensätzliche Forderungen treten an mich heran, und ich habe das Gefühl, egal, was ich mache, es hat einen Haken.

      Wer sich „gegen die Freiheit“ entscheidet, tut dies, weil er es so will. Er kann das aber nur, weil es eine seiner kulturell zur Verfügung gestellten Möglichkeiten ist. Jedes Denken, jeder Wille, jede Entscheidung bleibt innerhalb des Sets von Kulturen, die unseren individuellen Geist hervorbringen.

      Einen kulturfreien Geist, einen kulturfreien Willen kann es nicht geben. Ebenso wenig wie einen körperfreien. Ohne Körper und ohne Kultur löst sich der Geist eines Menschen auf. Ist er nichts. Das kann man ausprobieren: mit einer Kugel in den Kopf ist die körperliche Abhängigkeit geklärt, mit dem Hospitalismus-Phänomen bzw. dem Psammetich-Experiment die psychisch-kulturelle. Es gibt keine Seele jenseits von Körper und Kultur.

  8. Kritiker sagt:

    Die Türkei ist unbestreitbar auch Europa. Sie war es geschichtlich auch immer. Das Osmanische Reich war ein überwiegend europäisches Reich mit großen asiatischen Teilen.

    Also Herr Brux. Was das Osmanische Reich angeht und „seine“ europäischen Landanteile angeht. Die Osmanen hatten genauso wenig das Recht irgendwelche Eroberungskriege zu führen egal in welche Himmelsrichtung genau so wenig wie die Deutschen. Ich finde Ihre Geschichtsverharmlosung bezüglich Osmanisches Reich einen Schlag ins Gesicht eines jeden Volkes das unter der vierhundertjährigen Besatzung durch die Türken gelitten hat und dadurch kulturell und wirtschaftlich zurückgeworfen wurde, was bei manchen ehemals osmanischen Gebieten noch heute zu spüren ist. Es sollte Ihnen also schon klar sein das die Türkei nicht über Kleinasien hinausreicht. Alles andere ist arrogant und anmassend. Oder würden Sie einem Deutschen zuerkennen das den Deutschen von Stalingrad bis zur Atlantikküste und Teilen Nordafrikas alles territorial zugesprochen gehört weil sie es einmal „erobert“ hatten? Nein? Dann lassen Sie das bitte auch im Falle der Osmanen bzw. Türken. Das Osmanische Reich war genauso wie die Sowjetunion nur vordergründig ein multikultureller Staat. In Wahrheit waren beide Staaten ausschließlich der Hegemonie der Russen bzw. Türken untergeordnet. Oder was glauben Sie denn wieso die Russen nach dem Fall der Sowjetunion bei bestimmten ehemaligen Republiken auch unter Einsatz von Gewalt nicht loslassen wollten und im Falle des Osmanischen Reiches nach Verlust aller ausländischen Besatzungszonen solche ethnischen Säuberungen im Kernland stattgefunden haben? Im osmanischen Reich war die Amtssprache türkisch und die Hauptstadt des Osmanischen Reiches lag nur historisch bedingt Teilweise auf dem europäischen Festland. Der größte Teil der Türkei also mindest. 95 % liegt in Kleinasien und pflegt auch entsprechend in den größten Teilen des Landes eine nichteuropäische Kultur. Es gibt also KEINEN GRUND UND BEWEIS sich einfach hin zu stellen und zu behaupten die Türkei, ich betone DIE TÜRKEI ist Teil Europas. Und die Türken für sich sind auch kein europäisches Volk, was man alleine an der Sprache erkennt. Es gibt KEINE nähere Sprachenverwandtschaft wie bei den romanischen und germanischen Sprachen. Und selbst die Griechen haben nie einen Hehl daraus gemacht das ihnen Kleinasien ausser an den Küsten immer fremd geblieben ist. Aber Ihre Einstellung Herr Brux verkehrt die Dinge noch und erklärt gewaltsam eroberte Gebiete sogar lange nach Rückgabe an die rechtmässigen Eigentümer noch zu türkischem Gebiet. Herr Brux Sie haben offensichtlich zu viel Kontakt zu Türken. Weil Sie denken wie ein Türke, zumindest wie einer der den Balkan auch noch Heute defakto für türkisches Gebiet hält. In einem anderen Beitrag haben Sie mich gefragt, ob die Türkei Gebietsansprüche an Nachbarn etc. stellt. Noch tut Sie das nicht öffentlich. Aber in einem Großteil türkischer Köpfe wurde dies nie aufgegeben bzw. entstehen diese Ansprüche wieder neu. Oder was glauben Sie denn wie die Nazis angefangen haben. Jeder Ausführung geht oft langjährige Planung voraus! Also vorsicht mit dahingesagten Meinungen. Die Realität könnte Sie schon bald eines besseren belehren.

    • Leo Brux sagt:

      Kritiker,
      ich glaube, Sie bringen die historischen Epochen ein wenig durcheinander.
      Die Regeln, die heute gelten, waren nicht die Regeln, die früher gegolten haben. Andernfalls müssten wir alle Menschen von früher als Verbrecher bezeichnen. Die Standards ändern sich in der Geschichte, was einst mal normal war, ist heute unnormal, was einst moralisch unbedenklich war, ist heute moralisch bedenklich (umgekehrt natürlich auch!). Cäsar und die Römer hatten kein moralisches Problem damit, Gallien zu erobern … Oder denken Sie an Karl den Großen un ddie Sachsen. An den Deutschritterorden bei den Balten. Krieg und Eroberung waren früher in den Köpfen der Menschen kein Verbrechen. Das hat sich erst im 20. Jahrhundert geändert. Bis ins 18. Jahrhundert hinein war zum Beispiel auch Sklaverei noch kein Verbrechen, und auf die Idee, dass Frauen gleichberechtigt mit Männern sein könnten und sollten, ist man auch erst so um 1800 gekommen, und das auch nur in den Köpfen von ein paar wenigen Engländern und Franzosen.

      Die Ethik der Gegenwart lässt sich nicht übertragen auf die Vergangenheit.

      Natürlich waren die Osmanen Europäer. Auch biologisch, sozusagen. Erstens stammt die anatolische Bevölkerung aus dem byzantinischen Reich – war also griechisch-europäisch, die erobernden Türken waren da – biologisch und kulturell gesehen – nur eine winzige Minderheit, auch wenn sie ihre Sprache durchsetzen konnten. Zweitens haben die osmanischen Herrscher gern europäisch geheiratet. Drittens haben sie sich selber als Europäer gesehen. Schwarzmeergriechen und Armenier waren ebenfalls Völker, die wir zu den Europäern zählen. Die Kurden sprechen immerhin eine indoeuropäische Sprache … Kleinasien ist alles in allem ein Raum, in dem Europa sich sozusagen mit Asien verbindet. Eine Brücke.

      Was die Türkei heute betrifft, so ist sie im Westen durch und durch europäisch. Schauen Sie sich Ankara oder Istanbul oder Antalya oder Izmir an. Türkisch ist eine europäische Sprache, genauso wie Finnisch oder Ungarisch, auch wenn diese drei Sprachen keine indogermanischen sind.

      Im übrigen – phantasieren Sie ruhig weiter über türkische Gebietsansprüche. Andere phantasieren davon, dass Aliens sich unter uns breit machen. Mit solchen Spinnereien muss man halt leben.

  9. Tupac sagt:

    Das ist klar, dass jemand wie in Ihrem Beispiel, der sich gegen das Naturgesetz entscheidet stirbt, das habe ich aber nicht gemeint, sondern es das Gesetz der moralischen Kausalität entspricht nicht dem des Naturgesetzes. Man kann beim letzteren die Kausalität direkt anzweifeln und sagen warum soll Moral Freiheit bedeuten?

    Wenn wir aber Moral als Freiheit annehmen, dann kann die Formel mit kulturellen Inhalten gefüllt werden, die Formel selbst ist keine kulturelle Eigenart. Hier ein schwieriges Beispiel: Wenn eine Frau aus religiösen Gründen jemandem verweigert, die Hand zu geben und umgekehrt eine andere Frau aus Gründen der kulturellen Benimmregeln jedem die Hand gibt, dann darf die Beantwortung der Frage nach der Freiheit nicht von der Kultur abhängen. Es mus entschieden werden, ob es sich um eine moralische Situation handelt, wenn ja dann dienen beide Verhaltensmuster nicht der allgemeinen Gesetzgebung, als sind beide unfrei. Und wer ist frei? Ich glaube – und das ist meine Meinung- dass der der jenige dann frei ist, der die eigene „Unfreiheit“ und die des anderen erkennt und entsprechend handelt. Nun können Sie wieder vorhalten, dass das Erkennen der Unfreiheit auch von der Kultur, in die man geboren wurde abhängt, nun ja dann würde ich sagen: Willkommen in der schönen neuen Welt, wo der Mensch keine Eigenverantwortung mehr hat. Und ist das realistisch, dass wir nur in Zirkelschlüssen leben? Nee daran glaube ich nicht!

  10. Tupac sagt:

    Mit dagegen entscheiden, meinte ich gegen die Kausalität des moralischen Gesetzes. Nicht jeder muss ja Moral und Freiheit gleichsetzen!

    Angenommen Freiheit bedeutet Moral, dann ist die oben genannte Formel keine kulturelle Eigenart, sondern sie kann höchstens mit kulturellen Inhalten gefüllt werden. Ein Besipiel:Wenn eine Frau aus religösen Gründen anderen die Hand nicht gibt und eine andere aus kulturellen Gründen des Benehmens jdem die Hand gibt, dann sind beide Verhaltensweisen nicht geeignet für die allgemeine Gesetzgebung. Beide wären also unfrei. Aber was ist dann frei? Meine Meinung: Derjenige der die „Unfreiheit“ anderer erkennt und entsprechend handelt. Nun können Sie mir vorhalten, das Erkennen der Unfreiheit ist kulturell abhängig. Dann würde ich sagen: Willkommen in der schönen neuen Welt, wo Eigenverantwortung nicht mehr zählt. Ein Welt voller Zirkelschlüsse…

    • Leo Brux sagt:

      Tupac,
      der Römer, der sein Kind dem Tod weiht, entscheidet darüber so frei und moralisch wie wir beide, die dies – in unserer Welt – für keine hinnehmbare Entscheidung halten. Wir leben in verschiedenen Welten. Also ist auch die Ethik verschieden. Man braucht nur hinzuschauen, dann sieht man, dass es so ist. Wir können die Römer nicht auf UNSERE Ethik verpflichten. Und die uns nicht auf ihre. Der Universalismus in der Ethik bezieht sich nicht auf die ethischen Inhalte. Für seine Welt hat der Römer recht, der sich an die Normen hält, die in seiner Welt gelten.

      Und wir handeln – mal mehr, mal weniger – nach den manchmal unklaren, widersprüchlichen Normen, die in unserer pluralistischen, multikulturellen Gesellschaft gelten.

      Sklaverei war in der Welt der Römer und der Griechen eine moralisch legitime Angelegenheit. In unserer ist es das nicht. Die Moral hat sich geändert. Wir leben in unserer Welt, also gemäß unserer Normen. Wir haben den alten Römern und Griechen nicht vorzuschreiben, welche Normen für sie gelten. Ich möchte mir auch nicht von Menschen des 3. Jahrtausends Unmoral oder Mangel an Eigenverantwortung vorhalten lassen, wenn die nach einer anderen Moral handeln sollten als wir hier und heute.