Es ist ja nicht so, dass man mit der Partij voor de Vrijheid keinen Spaß haben kann. Im Gegenteil: Geert Wilders gönnt „Henk und Ingrid“ (Synonym für die „hart arbeitenden Niederländer, die nichts geschenkt bekommen“) inmitten des fürchterlichen „Tsunamis der Islamisierung“ Brot und Spiele. Populisten sind schließlich keine sauertöpfischen Gutmenschen, die einem immer alles mies machen.
Kostprobe gefällig? Bei der Präsentation der Limburger Kandidatenliste für die Wahlen zu den Provinzstaaten 2011 (Provinciale Staten, vergleichbar mit den Landtagswahlen in der BRD) haut Wilders vor der versammelten Presseschar tüchtig auf die Pauke:
„Mit der Partij voor de Vrijheid kein halal, sondern Sauerfleisch! Keine Moschee, sondern Karneval! Keine Predigten von Hassimamen, sondern Büttenredner!“
(tärä-tärä-tärä).
So schafft man es ins NOS-Journaal. Zudem muss man wissen: Das katholisch geprägte Limburg zählt mit Brabant zu den Karnevalshochburgen in den Niederlanden. Die nüchternen Holländer wohnen woanders, irgendwo hinter dem IJsselmeer. Der gebürtige Limburger Wilders kann die Narrenkappe also mit einer gewissen Glaubwürdigkeit aufsetzen. Aber mit der Glaubwürdigkeit ist es mittlerweile, einige Monate nach dem spektakulären Wahlsieg der PVV Limburg, so ziemlich dahin. Doch der Reihe nach …
Im Wahlprogramm verspricht die Spitzenkandidatin Laurence Stassen (39, Europaparlamentarierin, ehemalige TV-Moderatorin und frisurentechnisch auf Augenhöhe mit ihrem Parteivorsitzenden), Limburg „nicht links liegen“ zu lassen.
Das ist ein Wort, bei Wilders ist alles, wo nicht PVV draufsteht, „links“. Aber was heißt das konkret? Das heißt, dass die PVV wie gewohnt den Islam ins Visier nimmt:
„Kein Bau von neuen Moscheen und Schließung von islamischen Schulen“, „Keine Burkas und Kopftücher für Provinzbeamte, Mitglieder des Provinzparlaments und der Provinzregierung“ sowie (jetzt kommen die wirklichen Probleme) „Keine Halalnahrung im Provinzhaus (lieber Limburger Sauerfleisch und Rommedou-Käse).“
(tärä-tärä-tärä)
Wer’s nicht weiß: Halal bedeutet „erlaubt“ oder „zulässig“ (das Gegenteil ist haram). Eine Definition lautet: Als Fachbegriff der Islamologie umfasst halal alle Dinge und Handlungen, die aus islamischer Sicht Islam-konform sind.
Auf das Wahlprogramm der PVV bezogen bedeutet dies: Im Provinzhaus sollen keine „Islam-konformen“ Gerichte mehr serviert werden – also: Schweinebauern Limburgs, frohlocket! Kotelette und Schweinelendchen das ganze Jahr.
Auch zu den anderen Forderungen der Karnevalspartei PVV ist einiges anzumerken. Zwei Beispiele: 1. Die Provinzen können im Prinzip nicht über den Bau von Moscheen entscheiden. Kurzum: Heiße Luft. 2. In Limburg gibt es anno 2011 n. Chr. – sofern ich Geisteswissenschaftler korrekt zählen kann – zwei islamische Grundschulen (El Wahda in Heerlen und El Habib in Maastricht). Das „Problem“ ist demnach überschaubar – es ist davon auszugehen, dass 99 % der Limburger noch nie in ihrem Leben eine islamische Schule gesehen haben (dafür aber zu 100 % eine der zahllosen römisch-katholischen Schulen, was ich als aufrechter Protestant auch schon wieder kritisch sehen sollte …).
Dennoch schafft es die PVV im März 2011, mit dem oben genannten Programm die christdemokratische Bastion Limburg nach einer gefühlten Ewigkeit zu schleifen (hauptverantwortlich dafür ist jedoch die eklatante Schwäche des CDA, der nur durch eine ordentliche Kampagne eines jugendlich-frischen Spitzenkandidaten ein totales Waterloo verhindern kann).
Als stärkste Partei (10 Sitze im Parlament) ist die Anti-Islam-Partei nach dem denkwürdigen Wahlabend am Zug, mit den anderen Parteien über die Bildung einer PVV-geführten Provinzregierung zu verhandeln. In Frage kommen bloß: CDA (10 Sitze) und VVD (8 Sitze).
Am 4. Mai können Stassen und Co. letztendlich jubeln: PVV, CDA und VVD präsentieren der Öffentlichkeit ihren Koalitionsvertrag. Der sanfte Druck aus Den Haag (Kabinett: VVD, CDA, toleriert von der PVV) zeigt Wirkung. Aber Maastricht geht sogar einen Schritt weiter: In der Provinz gibt es kein Minderheitskabinett, toleriert von Wilders‘ farblosen Vasallen, sondern eine richtige Regierung. Keine Hintertür für die Populisten. Ein historischer Moment für die PVV, Limburg und die Niederlande.
Aber was steht denn überhaupt im Koalitionsvertrag? Sollen die Moslems in Roermond, Venlo oder Maastricht lieber ihre Koffer packen und ins „linke“ Multi-Kulti-Amsterdam fliehen? Oder in die letzten PvdA-Inseln im Norden? Vielleicht sogar in den protestantisch-orthodoxen „Bibelgürtel“, etwa Urk?
Nicht nötig, Fehlalarm! Der stolze PVV-Adler wurde in den Koalitionsverhandlungen von den etablierten Parteivertretern ziemlich gerupft (meines Erachtens ein Fall für die auf Betreiben der PVV landesweit neu eingeführten 500 animal cops).
Was ist passiert? Die Anti-Islam-Standpunkte sind alle im Schredder gelandet. Warum? Auch Populisten möchten mal mit den großen Jungs und Mädels spielen – da können „Henk und Ingrid“ sich ruhig verdattert die Augen reiben: Im Koalitionsvertrag kommt das Wort „Islam“ gar nicht vor. Noch nicht einmal, um irgendwie das Gesicht zu wahren. Plötzlich gleicht der „Tsunami der Islamisierung“ offenbar einem Sturm im Wasserglas.
CDA und VVD haben tatsächlich sämtliche PVV-Forderungen blockiert. Also: Kein Moscheeverbot, kein Kopftuchverbot und weiterhin lecker halal in der Provinzhauskantine! (Darüber hinaus konnte sich die PVV auch nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, die EU-Fahne vom Provinzhaus zu entfernen oder – PVV-Sprech, 1. Runde: EUdSSR-Fahne).
Ist das ein Fiasko für die Glaubwürdigkeit der Wilders-Partei? Goutieren „Henk und Ingrid“ den Etappensieg „Alis und Fatimas“ (im PVV-Sprech, 2. Runde: die bösen Gegenspieler der beiden erstgenannten Tugendhaften, anders ausgedrückt im PVV-Sprech, 3. Runde: Moslemkolonialisten)? Reine Spekulation.
Aber mal im Ernst: Warum soll sich eine selbst ernannte Karnevalspartei eigentlich um so etwas politisch-korrektes wie „Glaubwürdigkeit“ kümmern? Das ist etwas für die verruchte, abgehobene Elite! Und wer hat jemals behauptet, dass es Populisten um Inhalte oder um die Umsetzung von politischen Forderungen geht? Wer wie Wilders mit tärä-tärä in den Wahlkampf startet, zeigt doch gleich, wo’s langgeht. Insofern war die PVV sogar konsequent, auf ihre Art.
Der Spaß kann in die nächste Runde gehen …