Inländerdiskriminierung

Sprachnachweis bei Ehegattennachzug aus dem Ausland

Der Dickicht des Paragraphenjungels im Aufenthaltsrecht – hier veranschaulicht anhand des Sprachnachweises beim Ehegattennachzug aus dem Ausland. Nicht nur Verwirrung pur, sondern auch kaum nachvollziehbar, was Gesetzgeber und Gerichte durchwinken.

In der heutigen globalisierten Welt sind nicht nur Handels- und Wirtschaftsbeziehungen international, sondern auch zwischenmenschliche Partnerschaften. Das von der Verfassung geschützte Eheleben im Bundesgebiet wird aber durch das Erfordernis eines Nachweises über die deutschen Sprachkenntnisse erschwert. Nach einer Eheschließung stellt sich den Paaren immer wieder die gleiche Frage: Muss der ausländische Ehepartner vor Einreise nach Deutschland stets seine deutschen Sprachkenntnisse nachweisen?

§ 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG: „Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn … der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann …“ Aber Achtung dies gilt auch für Ehegatten Deutscher siehe § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG: „§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 … ist … entsprechend anzuwenden.“

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Fiktives Beispiel
Zu dieser Frage folgender fiktiver Sachverhalt, welcher in der Praxis nicht selten vorkommt: Samuel aus Ghana heiratet Barbara aus Deutschland. Um im Heimatland der Barbara einreisen und leben zu können, muss Samuel vor Einreise nachweisen, dass er der deutschen Sprache mächtig ist. So will es das Gesetz. Der Nachzugswillige soll sich auf einfacher Art in deutscher Sprache verständigen können.

Der Gesetzgeber beabsichtigte damit, dem nachziehenden Ehegatten die Integration im Bundesgebiet zu erleichtern und Opfern von Zwangsverheiratung ein eigenständiges Sozialleben zu ermöglichen. Vernünftig und plausibel, könnte man meinen.

Von diesem Grundsatz gibt es aber Ausnahmen, die es in sich haben. Denn das Gesetz verlangt nicht immer einen Sprachnachweis.

Abwandlung des Beispiels
Um das zu veranschaulichen, wandeln wir das Beispiel von Barbara und Samuel wie folgt ab: Wäre Barbara Spanierin, wohnhaft in Deutschland und erwerbstätig, müsste Samuel keinen Sprachnachweis über seine Deutschkenntnisse vorlegen. Barbara ist in diesem Fall Unionsbürgerin, die von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch macht. Und Samuel profitiert davon, dass die Regelung über die Sprachkenntnisse für den Nachzug zu einem Unionsbürger nicht gilt.

§ 30 Abs. 1 S. 3 AufenthG: „… nicht vorhandene Sprachkenntnisse sind unbeachtlich, wenn

  1. der Ausländer einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 1 oder Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
  2. der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
  3. bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Abs. 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte oder
  4. der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf.“

Inländerdiskriminierung par excellence! Deutsche Staatsangehörige werden gegenüber EU-Ausländer schlechtergestellt. Bundesverwaltungsgericht hält diese Ungleichbehandlung für gerechtfertigt und sieht darin sogar die Vereinbarkeit mit europäischem Recht.

Dabei werden Ehegatten Deutscher nicht nur im Verhältnis zu Unionsbürgern schlechter behandelt, sondern auch im Verhältnis zu Angehörigen bestimmter Drittstaaten, weil diese mit Deutschland wirtschaftlich besonders verflechtet sind und sie deshalb kein Visum brauchen.

Damit noch nicht genug
Die Ungleichbehandlung geht aber noch weiter. Auch im Verhältnis zu Ehegatten von Hochqualifizierten, von selbständigen Forschern und sogar von Flüchtlingen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben, sind Ehegatten Deutscher in Bezug auf die nachzuweisenden Sprachkenntnisse schlechter gestellt.

So stellt sich zurecht die Frage, wie dieses Missverhältnis im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Regelung steht, dem nachziehenden Ehegatten die Integration im Bundesgebiet zu erleichtern.

Ist Barbara als deutsche Staatsbürgerin nicht gleichzeitig auch Unionsbürgerin? Und kann Sie als Deutsche nicht von ihrem Freizügigkeitsrecht in Deutschland Gebrauch machen? Doch, aber nur so:

Die Lösung bzw. Verwirrung?
Vor Einreise in das Bundesgebiet hätten die Eheleute Barbara und Samuel in einem Unionsland gelebt haben müssen. Barbara hätte dort zudem erwerbstätig gewesen sein müssen. In diesem Fall würde Barbara von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen. Einer gemeinsamen Rückkehr nach Deutschland stünde dann nichts mehr im Wege. Samuel könnte in diesem Fall nach Deutschland einreisen, ohne seine Deutschkenntnisse vorher nachgewiesen zu haben.

Die Verwirrung ist perfekt!? Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Dickicht des Paragraphenjungels des deutschen Aufenthaltsgesetzes, das jetzt auch vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet wurde.