Buchtipp zum Wochenende

Deutschsein: Eine Aufklärungsschrift

„Die Frage der Integration ist auf Gedeih und Verderb mit der Frage nach dem Deutschsein verknüpft, mit der Krise des deutschen Nationalgefühls, mit einer Frage, die sehr lange nicht mehr gestellt worden ist, weil sie zu sehr schmerzte, weil sie zu viele Albträume hervorrief, weil die Sprache versagte.“

Die Deutschen sind nicht mit sich im Reinen. Sie sind stolz auf ihre multikulturelle Fußballnationalmannschaft und eine solide Volkswirtschaft diskutierten aber im Herbst unvermittelt und erbittert über Integration und Zuwanderung. Im Kern ging und geht es hier um die Frage der Identität, stellt der Schriftsteller und Essayist Zafer Senocak fest.

Er wagt sich an eine Frage, der wir hierzulande viel zu lange ausgewichen sind: Was heißt das eigentlich, Deutschsein? Wir alle haben Bilder von Deutschland im Kopf, doch kaum einer hat eine Sprache für das diffus empfundene, halb verdrängte, halb ersehnte Nationalgefühl.

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Die Deutschen haben keine positive Definition davon, wer sie sind und was sie ausmacht manchmal haben sie nicht einmal Wörter dafür. Doch Sprache ist, so Senocak, der Schlüssel zu Identität. Sie bildet nicht nur die Basis funktionaler Integration sie bildet Heimat. Und weil die Deutschen keinen positiven Begriff davon haben, wer sie sind, haben sie auch keine Vision für eine offene Gesellschaft, die sich nicht über die Abgrenzung des Fremden definiert.

Dabei ist Vorstellung einer homogenen Nation ist längst durch millionenfache Zuwanderung widerlegt, die zeigt: Es gibt viele biografische Wege, Deutscher zu werden. Sucht man nach einer allgemeingültigen Folie des Zusammenlebens, sind alle Seiten gefordert. Wenn man sich nicht ausschließlich auf die Kriterien Herkunft und Religion beruft, kann ein universeller Begriff von Zivilisation, der auf Menschenrechten und den Werten der Aufklärung basiert, Gemeinschaft stiften.

Şenocak ruft in „Deutschsein“ die universellen Werte der Aufklärung in Erinnerung: Statt weiterhin auf Ängsten und Vorurteilen zu beharren, wird man mit dem Mut, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, eine bessere Basis für das Zusammenleben finden. (red.)