Buchtipp zum Wochenende

„Integration der Muslime ist ein Erfolgsmodell“

Verhältnis zwischen Politik und Islam: Was sind die zentralen Konfliktthemen? Welche Interessen verfolgen die jeweiligen politischen und muslimischen Akteure? Entgegen der teils ideologisch motivierten und häufig politisch aufgeladenen Debatte über die Integration des Islam in Deutschland wird hier der Versuch unternommen, dass Verhältnis zwischen Politik, Gesellschaft und Islam sachlich zu bestimmen.

Die Integration der Muslime in Deutschland kann nach Auffassung von Politikwissenschaftlern als „Erfolgsmodell“ bezeichnet werden. „Wenngleich noch enorme Anstrengungen unternommen werden müssen, so hat ein Großteil der Muslime bereits eine nach-integrative Perspektive eingenommen und sieht sich als integriert an“, sagen Prof. Dr. Klaus Schubert und Hendrik Meyer vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster. Sie haben soeben ein Buch „Politik und Islam“ herausgegeben, in dem 16 Autoren eine wissenschaftliche Darstellung des aktuellen Verhältnisses von Politik, Gesellschaft und Islam vornehmen.

Die Debatte um den Islam werde bislang zu emotional geführt, so die Herausgeber. Der Sammelband könne dem politischen Prozess eine sachliche Grundlage geben. Zu den Autoren gehören der UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Prof. Dr. Heiner Bielefeldt, die Göttinger Migrationsforscherin Prof. Dr. Claudia Diehl, der wissenschaftliche Direktor des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI), Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan, der Göttinger Soziologe Prof. Dr. Matthias Koenig sowie Jurist Reinhard Busch und Islamwissenschaftler Gabriel Goltz vom Bundesinnenministerium und Dr. Levent Tezcan, Assistenzprofessor der Universität und Mitglied der ersten Phase der Deutschen Islam Konferenz. Sie beschäftigen sich in den Texten mit Akteuren der Integrationspolitik. Zudem beleuchten sie die Inhalte der Integrationsdebatte wie Kritik am Islam oder Geschlechterfragen.

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Dabei bewerten die Herausgeber die von der Bundesregierung eingeführte Deutsche Islam Konferenz (DIK) als positiv. Sie habe viel Bewegung in das Verhältnis von Islam und Politik gebracht. „Die DIK stellt eine wichtige symbolische Geste gegenüber den Muslimen dar und bietet die Chance, mit Vertretern verschiedener Islam-Strömungen praktische Lösungen zu finden.“ Dies sei auf Ebene der Städte und Gemeinden fortzuführen, unterstreichen Schubert und Meyer.

„Eine Übungsstrecke für weitere Politikfelder“
„Der Islam ist so vielfältig wie die deutsche Mehrheitsgesellschaft. ‚Den‘ Islam im Singular gibt es nicht“, unterstreichen Schubert und Meyer. „Es gibt verschiedene Arten Muslim zu sein. Aufgabe der Politik in Deutschland ist es, die entsprechenden Bedingungen zu schaffen.“ Die Vielfalt müsse anerkannt werden und lasse sich positiv nutzen. So kann die Debatte um den Islam den Forschern zufolge zur „Übungsstrecke“ für den generellen Umgang mit sozialer, ethnischer und religiöser Vielfalt werden. „Moderne Gesellschaften müssen sich stärker damit befassen, wie zukünftig mit Vielfalt und Verschiedenheit umzugehen ist, so auch in der Frage des demografischen Wandels.“

Wichtig ist nach Einschätzung der Wissenschaftler auch, dass die Lebensrealität der Muslime nicht in erster Linie durch Religion bestimmt wird, sondern durch das sozioökonomische Umfeld. „Deshalb müssen Integrationsanstrengungen vor allem im Bereich der Sozial-, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik ansetzen“, so die Herausgeber. „Ob die notwendigen Integrationsanstrengungen allerdings durch eine schematische Verkürzung des Problems – wie in der europäischen Debatte zu Minaretten oder Burkaverbot – erleichtert werden, muss erheblich bezweifelt werden.“ (eb)