„Die Bundesregierung sollte sich mehr um eine gezielte und effektive Steuerung von Zuwanderung bemühen“, fordert der Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), Prof. Dr. Klaus J. Bade im Vorfeld der Sitzung des Koalitionsausschusses am 9. Dezember.
„Alte Schranken gegen ausgleichende Zuwanderungs-forderungen sollten fallen“, sagte Bade. „Wir brauchen qualifizierte Zuwanderung, um den absehbar wachsenden Fachkräftemangel durch Austritt der starken Jahrgänge aus dem Arbeitsmarkt, schrumpfenden Nachwuchs und Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte auszugleichen“, erklärte der SVR-Vorsitzende. Andernfalls könnte es später rückblickend selbstkritisch heißen, man habe nicht nur im jungen Einwanderungsland die Integrationsförderung, sondern auch im demographisch alternden Auswanderungsland die ausgleichende Zuwanderungssteuerung „verschlafen“. Für den SVR sind „Qualifikationsoffensive und Zuwanderung von Qualifizierten keine Alternativen, sondern Kombi-Strategien zur Bekämpfung des absehbar wachsenden Arbeitskräftemangels“.
Der SVR empfiehlt zur Zuwanderungssteuerung ein Drei-Säulen-Modell. Es ist ein Mix aus Reformen bestehender Regelungen, die sofort umgesetzt werden können, und einem begrenzten, auf den aktuellen Bedarf zugeschnittenen Punktesystem für MINT-Berufe.
Senkung des Mindesteinkommens und schnelle Vorrangprüfung
Ausländische Hochqualifizierte können nach § 19 Aufenthaltsgesetz schon bislang eine Nieder-lassungserlaubnis erhalten, wenn sie einen Arbeitsvertrag und ein Mindesteinkommen von 66.000 Euro Jahresbrutto vorweisen können. Dies ist gerade für kleine und mittelständische Unternehmen deutlich zu hoch. Daher muss das Mindesteinkommen, das Hochqualifizierte für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nachweisen müssen, abgesenkt werden. Diese Mindestgrenze sollte möglichst bald auf ca. 40.000 Euro Jahresbrutto gesenkt werden. Das würde dem österreichischen Beispiel ent-sprechen, das ähnliche Einkommensvoraussetzungen vorsieht.
Außerdem sollte die Dauer der Vorrangprüfung bei einer zunächst temporären Zuwanderung Hoch-qualifizierter (nach § 18 AufentG) auf drei Wochen verkürzt werden. Damit wird sichergestellt, dass es keine wochenlangen Prüfungen gibt, die vor allem kleine und mittelständische Unternehmen blockieren.
Bleibemotivation für Hochqualifizierte stärken
Ausländische Hochschulabsolventen, die in Deutschland studiert haben, sollten verstärkt zum Bleiben motiviert werden. Die bislang gültige einjährige Frist für die Suche nach einer angemessenen Tätigkeit nach § 16 (4) Aufenthaltsgesetz sollte auf zwei Jahre verlängert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade beim Berufseinstieg nicht immer sofort eine der Qualifikation angemessene Tätigkeit ge-funden werden kann. Die Auslegung, was als der Qualifikation adäquat gilt, sollte daher großzügiger erfolgen.
Punktesystem im MINT-Bereich
Das Punktesystem konzentriert sich auf Berufe und Tätigkeiten mit einem strukturellen und aktuellen Arbeitskräftemangel, wie z.B. derzeit die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT). Dieses begrenzte Punktesystem sollte regelmäßig auf seine Steuerungseffektivität hin überprüft und nötigenfalls nachjustiert werden. Wenn es sich bewährt, könnte es auch auf andere Berufe und Bereiche mit anhaltendem Arbeitskräftemangel ausgeweitet werden.
Mit dieser auf Deutschland zugeschnittenen Lösung lassen sich die Schwächen des kanadischen Punktesystems vermeiden, bei dem Arbeitskräftebedarf und die Qualifikation der nach dem Punktesystem Zugewanderten lange nur unzureichend aufeinander abgestimmt wurden. Befürchtungen, dass ein Punktesystem die „Schleusentore für beliebige Zuwanderung“ aufmacht, sind damit ausgeräumt.