Ismail Ertuğs Meinung

Recht auf Familie nur für Katholiken?

CSU-Chef Horst Seehofer forderte, den Zuzug von arabischen und türkischen zu stoppen. Ismail Ertuğ fordert Glaubwürdigkeit statt Populismus. Auch Volksparteien müssten bei den Fakten bleiben.

CSU-Chef Horst Seehofer forderte, den Zuzug von arabischen und türkischen zu stoppen. Grundsätzlich ist für jeden, der eins und eins zusammenzählen kann, klar, dass Seehofer auf die rechtspopulistische Karte setzt. Schließlich ist es seit je her erklärtes Ziel von CDU und CSU, dass es rechts von ihnen keine Partei mehr geben darf. Durch die von Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin entfachte Debatte, die Argumente rechts des Anstands ins Spiel brachte, sind vor allem die konservativen Parteien in die Defensive geraten. Volksparteien müssen breit aufgestellt sein, aber in der Sache muss auch Seehofer bei den Fakten bleiben.

Schutz der Familie
Seehofers These ist nicht nur im Stil schlecht, sondern auch in der Sache falsch. Seit Jahren gibt es keinen Zuzug aus arabischen und türkischen Ländern, außer Familiennachzug. Da braucht es eine klare Ansage, wie man das regeln möchte und zwar so, dass dies vereinbar ist mit EU-Recht. Den Schutz der Familie, der für konservative Parteien gern zum Aushängeschild ihrer Politik erklärt wird, muss für alle Bürger der Europäischen Union gelten: Familien dürfen nicht auseinander gerissen werden, das ist nicht eine Gnade nach Gutdünken, sondern Grundrecht eines jeden Menschen. Gastarbeiter wurden als billiges menschliches Kapital für deutsche Produktion gesehen, aber sie sind mehr, sie sind Menschen. Zugespitzt gefragt: Soll das Recht auf Familie nur für Katholiken gelten?

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Glaubwürdigkeit statt Populismus
Zu Auseinandersetzungen innerhalb der konservativen Schwesterparteien hatte die Aussage der Bundeskanzlerin geführt, dass sie die Türke in den Beitrittsverhandlugen mit der Europäischen Union unterstützen wolle. Die Bundeskanzlerin braucht keine CSU-Kommentare, um sich eine politisch fundierte Meinung zu bilden, im übrigen auch nicht der Bundespräsident.

Ich begrüße vielmehr den versöhnlichen Ton, den Angela Merkel und der türkische Präsident Erdogan angeschlagen haben. Deutschland hat recht, wenn es sich von dem falschen Pferd, auf das es einige Jahre gesetzt hatte, wieder abwendet. Damit wird nur bekräftigt, was seit 3. Oktober 2005 Fakt ist: dass die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, auch Deutschland, einstimmig die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eröffnet haben. Maßgeblich für Beitritt oder nicht Beitritt ist wie bei jedem Mitgliedsstaat die Einhaltung der Kopenhagener Kriterien. An diesen Fakten und nicht an einem Bauchgefühl sollte sich die Integrations- und Beitrittsdebatte ausrichten.