Sevim Dagdelen

Wie viele Integrationsverweigerer gibt es wirklich?

Sevim Dagdelen möchte es ganz genau wissen: Wie viele Ausländer wurden aufgrund der Nichtteilnahme an Integrationskursen bisher sanktioniert? Das ist die Kernfrage einer parlamentarischen Anfrage an die Bundesregierung.

Insbesondere Unionspolitiker fordern gerne und häufig Gesetzesverschärfungen im Aufenthaltsgesetz. So auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Er hatte am 5. September 2010 erklärt, dass es „vielleicht 10 bis 15 Prozent wirkliche Integrationsverweigerer“ gibt, um die man sich verstärkt kümmern müsse.

Angesichts dieser Verweigererquote zeigten sich viele Unionspolitiker von der Notwendigkeit einer Gesetzesverschärfung überzeugt. Hans-Peter Uhl (CSU) beispielsweise kündigte ein Tätigwerden der Union noch im Herbst an, um ausländische Integrationsverweigerer strenger zu bestrafen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte eine Überprüfung der Sanktionspraxis an.

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Keinerlei Erkenntnisse
Auf Anfrage von Memet Kilic (Die Grünen) wurde zwischenzeitlich jedoch bekannt, dass de Maizières Verweigererquote auf keinen Fakten beruhte, sondern aus diversen Studien hergeleitet wurde. Das überraschte nicht. Denn bereits im Mai 2009 hatte Sevim Dagdelen (Die Linke) im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage die Bundesregierung nach Kenntnissen zur Sanktionspraxis bei Nichtteilnahme am Integrationskurs befragt. Die Bundesregierung verfügte damals über keinerlei Erkenntnisse, da für die Ausführung des Aufenthaltsgesetzes die Länder zuständig seien.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte möchte Dagdelen es nun erneut wissen. In einer parlamentarischen Anfrage erkundigt sie sich zum zweiten Mal nach den Zahlen vermeintlicher Integrationsverweigerer und „räumt der Bundesregierung vorsorglich eine längere Frist“ zur Beantwortung der Frage ein. Sie soll sich „empirische Erkenntnisse und Einschätzungen“ bitte durch eine Abfrage an die Bundesländer verschaffen.

Es spricht nicht für die Bundesregierung, dass sie sich erst auf Nachfrage der Opposition danach erkundigen muss. Schließlich sind es insbesondere Unionspolitiker, die sich für Gesetzesverschärfungen starkmachen und den Anschein erwecken, es gebe keine geeigneten Sanktionsmittel. Bevor man Gesetzesänderungen fordert, ist es jedenfalls üblich, Erkenntnisse über die Praxistauglichkeit der geltenden Gesetze einzuholen.

Sanktionsmittel bei Integrationsverweigerung
Und die sehen bereits eine Fülle von Sanktionsmöglichkeiten vor. So können zur Integrationskursteilnahme Verpflichtete von den Ausländerbehörden „mit Mitteln des Verwaltungszwangs“ zur Erfüllung der Teilnahmepflicht „angehalten“ werden. Sanktionsmöglichkeiten bestehen auch, wenn „ein Ausländer seiner Teilnahmepflicht aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht“ nachkommt. Dies kann sich selbst auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auswirken.

Vor allem sozialrechtliche Sanktionen können bei einer Nicht-Teilnahme am Integrationskurs verhängt werden. Eine Kürzung der Leistungen um 30 Prozent ist in solchen Fällen die Folge. Im Wiederholungsfall werden die Leistungen um 60 Prozent gekürzt, bei weiteren Pflichtverletzungen sogar um 100 Prozent.