Kılıçs kantige Ecke

Türkischstämmige Sozialministerin

Die Berufung von Aygül Özkan zur Sozialministerin in Niedersachsen ist eine erfreuliche Nachricht. Ihre Ernennung hat eine Signalwirkung für die Immigranten-Community und sicherlich wird Frau Özkan für viele Immigrantenkinder zu einem Vorbild werden. Ihre rasante politische Karriere ist erstaunlich. Erst vor sechs Jahren ist sie der Christlich Demokratischen Union beigetreten und schon heute wurde sie zur Ministerin ernannt.

Ob sich der schnelle Aufstieg halten wird oder in einen raschen Abstieg mündet, hängt jedoch nicht von Frau Özkans Migrationshintergrund ab, sondern von ihren politischen Vorhaben.

Ihre Forderung, „Ganz wichtig ist, dass Kinder mit Migrationshintergrund so früh wie möglich in eine Kita gehen, damit sie die Sprache und die hiesige Kultur kennenlernen“, teile ich Gerade die ersten Lebensjahre sind für das Selbstvertrauen und das Selbstverständnis von Menschen ganz entscheidend. Dabei bedeutet der Besuch einer Kita meist gute Betreuung und Bildung, nicht zuletzt wegen der Loslösung vom Elternhaus und der Beziehungen zu fremden Kindern. Das wirkt sich positiv auf Integrationschancen und Bildungserfolg aus.

___STEADY_PAYWALL___

Ich hoffe, dass Frau Özkan hier ihren Worten Taten folgen lässt und den zu erwartenden Widerstand ihrer Partei überwinden wird. Um die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund in den Kitas zu erhöhen, müssten nämlich die Kita-Gebühren abgebaut werden und zunächst zumindest das erste Betreuungsjahr kostenlos angeboten werden. Das von der Bundes-CDU geplante Betreuungsgeld würde für Kinder mit Migrationshintergrund aus einkommensschwachen Familien das Gegenteil bewirken – sie würden aufgrund des finanziellen Anreizes von frühkindlicher Förderung fernbleiben. Das wäre eine bildungspolitische Katastrophe. Zudem würden die für das Betreuungsgeld veranschlagten 1,5 Mrd. Euro bei den notwendigen Qualitätsverbesserungen in der Kinderbetreuung fehlen.

Des Weiteren meint Frau Özkan: „Ich mache niemandem einen Vorwurf, der sich im deutschen System nicht auskennt, selbst keine Schule besucht hat. Aber ich kann es nicht akzeptieren, wenn Jugendliche nicht die Chancen ergreifen, die ihnen geboten werden.“ Diese Behauptung unterstellt, dass Jugendliche viele Chancen nicht wahrnehmen. Das trifft jedoch nicht zu. Das Problem liegt viel mehr darin, dass Jugendlichen die Chancen gerade verwehrt werden. Anstatt die Fehler bei den Jugendlichen zu suchen, wäre es sinnvoll, wenn sich Frau Özkan für die Chancengleichheit von Immigranten einsetzen und die vergangenen Fehler ihrer Fraktion korrigieren würde. In unserem Land sind Immigranten auf vielen Ebenen benachteiligt. So stellt etwa unser dreigliedriges Schulsystem ein Hindernis für Immigrantenkinder dar. Überdurchschnittlich vielen von ihnen wird durch die frühe Selektion der schulische Erfolg verwehrt. Laut einer Studie der Universität Konstanz sind aber auch hochqualifizierte Immigranten auf dem deutschen Arbeitsmarkt wegen ihrer ausländischen Namen benachteiligt.

Oft wird Immigranten ihre prekäre Situation vorgeworfen. Dadurch erfahren sie gleich zweifach eine unfaire Behandlung. Zunächst sind sie Opfer einer Benachteiligung und dann werden sie dafür auch noch schuldig gesprochen. Wir brauchen eine Ministerin, die ihre Ärmel hochkrempelt und gegen die Benachteiligung von Immigranten in unserer Gesellschaft vorgeht. Am Willen der Immigranten wird es nicht scheitern. Frau Özkan könnte mit der Einstellung gegenüber Immigranten in den Verwaltungen anfangen und damit ein Signal in die Immigranten-Community senden.